Union – Schalke 0:0: Fährmann hält vierte Nullnummer fest, Fans feiern
20. Februar 2023Der FC Schalke 04 erzielt bei Union Berlin das vierte 0:0 im vierten Spiel der Rückrunde. Die Stimmung der 2.000 glücklichen Schalker Fans, die eine Karte für die mit 22.012 Zuschauern restlos ausverkaufte Alte Försterei ergattert haben, ist trotzdem bombastisch. Susanne Hein-Reipen über eine tolle Auswärtsfahrt….
Seit dem Pokalendspiel 2001 sind sich Schalker und Eiserne sympathisch, der Trip in die traditionsreiche Alte Försterei schien jedoch verflucht zu sein: Als Union endlich den Aufstieg geschafft hat und das Spiel im April 2020 kurz bevorsteht, schlägt Corona gnadenlos zu und die beiden folgenden Gastspiele in Berlin finden als Geisterspiele statt. Als wieder Zuschauer zugelassen sind, ist Schalke abgestiegen… Dementsprechend begehrt sind die Gästetickets, vermutlich hätte Schalke die zehnfache Menge an den Mann und die Frau bringen können.
Eisern!
Die Schalker, die nach Berlin pilgern, werden sehr gastfreundlich empfangen, ob im Fanshop, vor dem Stadion oder bei Begegnungen mit „Roten“: Die Eisernen lesen den Knappen jeden Wunsch von den Augen ab. Als Grußwort dient allerdings nicht „Glückauf!, sondern „Eisern“.
Im Netz schwirrte als möglicher Treffpunkt ein „Biergarten hinter dem Gästeblock“ herum, diesen suchen die Schalker allerdings vergebens, dafür gibt’s eine Tanke mit Grünstreifen und Bier. Entlang des Kanals geht es dann mit mehreren „Checkpoints“ zum Gästeeingang, der bereits drei Stunden vor Anpfiff die Pforten öffnet. Das Securitypersonal ist fix und freundlich.
Das Verpflegungsangebot (Bratwurst, Krakauer, Steak) ist bodenständiger als auf Schalke, die Preise sind es auch: Lecker gewürztes Steak frisch vom Grill im Brötchen 3,50 €, da kann man nicht meckern. Auch die Jungs von den Prostspendern (bisweilen spendet so ein Bier ja auch Trost…) sind gut auf Zack.
Andere Stadien, andere Sitten
Gut gestärkt geht es dann hoch in den Gästeblock, die Aussicht gefällt. Viele hunderte Sticker zeugen von den vielen Mannschaften, die hier bereits ihre Visitenkarte abgegeben haben. Über der gegenüberliegenden Heimkurve prangt „Unsere Liebe. Unsere Mannschaft. Unser Stolz. Unser Verein. Eisern Union“, dazu ein riesiges „Niemals Vergessen“ auf dem Netz.
Hat bereits der Anblick des Stadions einige Schalker in die 70er und 80er Jahre versetzt, setzt die Stadionregie noch einen drauf: „Wake me up, before you go-go“ scheppert aus den Lautsprechern. Ritter Keule absolviert freundlich winkend die Stadiontour. Die Torhüter und die Mannschaften werden ebenfalls mit Applaus empfangen, als sie zum Aufwärmen auf das Feld kommen.
Jetzt läuft City „Am Fenster“, außer der Musik gibt es kaum Vorprogramm und vor allem keine lange nervige Werbung. Absolut positiv: Als der Stadionsprecher eine halbe Stunde vor dem Anpfiff erstmals das Wort ergreift, heißt er Unioner und Schalker gleichermaßen herzlich willkommen. Und bei Verlesung der Schalker Aufstellung werden die beiden Ex-Unioner Bülter und Terodde („haben dazu beigetragen, dass wir aufgestiegen sind“) besonders herzlich begrüßt. Der eine oder andere Schalker bekommt bei so viel sportlicher Fairness ein leicht schlechtes Gewissen bezüglich des eigenen Umgangs mit abgewanderten Spielern…
Zieh’n wir gemeinsam durch die Nation…
Chefcoach Thomas Reis setzt heute auf Fährmann, Brunner, Yoshida, Jenz, Uronen, Kral, Krauß, Zalazar, Drexler, Bülter und Frey. Danach folgen mehrere Unioner Lieder, dann kommt ein Dank an die mitgereisten Fans in Amsterdam und Leipzig – „es ist so geil mit Euch unterwegs zu sein!“ Haben wir Schalker so etwas eigentlich schon einmal in der Arena gesagt bekommen…?
Auf die Aufstellung der Eisernen mit dem Ex-Schalker Rönnow im Tor folgt dann die Vereinshymne „Eisern Union“ mit der unverwechselbaren Stimme von Nina Hagen – großes emotionales Kino! Die Gästekurve bezeugt ebenfalls ihren Respekt und spart sich Pfiffe und Gegengesänge und meldet sich erst nach Abschluss des Lieds stimmgewaltig an.
Guter Kampf und ein starker Ralf Fährmann
Mit „Hurra, hurra, die Schalker die sind da“, „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n“ und „Eine Stadt erstrahlt in Blau“ startet der Gästeblock schwungvoll in das Spiel, von der gegenüberliegenden Seite weht „Eisern… Union…“ herüber. Auf dem Rasen gehen beide Mannschaften engagiert, aber ohne zwingende Offensivaktionen zur Sache. Zalazars Ansätze verpuffen an der Abwehr der Eisernen; ein Freistoß für die Hausherren – Jenz hatte Laidouni umgewixxt und dafür Gelb gesehen – kommt von Trimmel zu Doekhi, doch gegen dessen Schuss greift Fährmann mit einer Glanzparade über und befördert das Leder noch über die Latte (22.). Danke Ralle!
Da auf dem Rasen außer diversen Zweikämpfen nicht viel Aufregendes passiert, wird umso lauter supported. „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen“, „Wir lieben alle nur den FC schalke“ und „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“ sind angesagt. Behrens sieht ebenfalls Gelb und Uronen muss angeschlagen früh passen, für ihn kommt Ouwejan (36.). Union probiert es weiter mit Khedira (39.) und Trimmel (43.), aber es geht mit 0:0 in die Pause.
Blau-Weißes Fahnenmeer
In der Pause gibt es zahlreiche Geburtstagsglückwünsche, auch an zwei Schalker. Die Stimmung im Gästeblock ist prima, ein 0:0 beim Tabellenzweiten durchaus achtbar. Zahlreiche Fahnen verteilen sich im Block und vereinen sich in einem großen blau-weißen Rausch hinter dem Banner FC Schalke 04. Passend dazu wird eine fast halbstündige Schleife von „Schalke 04, für jetzt und alle Zeit“ gestartet. Was auch immer passiert, wir lieben Dich sowieso…
Gießelmann sieht Gelb für ein Foul an Drexler, dann bringt Union-Coach Fischer mit Becker für Michel, Seguin für Laidouni und Jordans für Behrens gleich drei frische Kräfte, schließlich haben die Eisernen noch das Europaleague-Spiel bei Ajax Amsterdam vom Donnerstag in den Knochen. Auf Schalker Seite trifft Frey Außennetz und Berliner Luft, die wenigen Berliner Vorstöße werden allesamt Beute von Fährmann.
Die Null steht – bombenfest und auf beiden Seiten
In der 79. Minute lässt Reis Karaman und Terodde für Zalazar und Frey ran. Bülter schießt Baumgartls Arm an, Schiedsrichter Reichel winkt sofort ab – immerhin: Ein Spiel ohne zweifelhafte VAR-Entscheidung!
Der Schalker Block ist mittlerweile zu „Immer wieder S 04“ übergegangen, dann folgt „Auf geht‘s Schalke schieß‘ ein Tor“. Union schöpft mit Roussillon und Thorsby für Gießelmann und Haberer sein Wechselkontingent aus, doch mehr als ein Vorstoß von Jordan, der den Ball deutlich über den Kasten bugsiert, springt nicht mehr raus. Auf der Gegenseite kommt Drexler nicht an Rönnow vorbei. An der Seitenlinie rasseln Brunner und Thorsby aneinander, der Schalker trägt eine blutige Nase davon und wird durch Aydin ersetzt. Das dazugehörige Rudel löst sich in Wohlgefallen auf, auch die immerhin fünfminütige Nachspielzeit verläuft ohne größere Aufreger. Die Schalker verlegen sich auf das traditionelle „wir sind da, jedes Spiel, ist doch klar“, dann steht einmal mehr die Null.
Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel
Wie schon in den Vorwochen sieht man den Schalker Spielern ihre gemischten Gefühle nach dem Schlusspfiff deutlich an: Ein verdienter Punkt beim Tabellenzweiten ist für das Schlusslicht eigentlich ein Erfolg – und uneigentlich nach dem Sieg der Stuttgarter gegen Köln zu wenig…
Das weiß natürlich auch die Kurve, doch sie löst das Versprechen ein, das UGE-Vorsänger Dennis der Mannschaft beim Abschlusstraining vor dem Rückrundenstart gegeben hat: Solange die Spieler kämpfen und alles geben, stehen die Fans unabhängig von Ergebnis und Tabellenstand hinter ihnen. Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen!
Die beiden kommenden Spiele gegen Stuttgart und in Bochum werden nunmehr zur Nagelprobe – platzt der offensive Knoten, so dass sich Schalke gegen die unmittelbare Konkurrenz endlich für die guten kämpferischen Auftritte belohnen kann?
Thomas Reis zeigt sich ungebrochen angriffslustig: „Wir haben wieder zu Null gespielt und wieder gegen einen guten Gegner mitgehalten. Das war erneut eine gute Defensivleistung, wir haben wieder einmal eine gute Stabilität gezeigt. Leider stand auch auf der anderen Seite erneut die Null. Wir haben leider im eigenen Angriffsspiel im letzten Drittel in den entscheidenden Moment nicht die Ruhe bewahrt. Aber man darf nicht vergessen, dass wir beim Tabellenzweiten gespielt haben. Es ist schwer, gegen die Berliner Torchancen zu kreieren. Deshalb nehmen wir den einen Punkt gerne mit. Am Ende müssen wir damit zufrieden sein. Man sieht, dass bei uns etwas entstanden ist. Wir werden in den kommenden Tagen und Wochen weiter hart daran arbeiten, damit wir gefährlich zum Abschluss kommen. Es heißt üben, üben, üben. Denn jetzt kommen die entscheidenden Spiele!“