Schalke: Wichtige Fragen, die sich JEDER vor einer Ausgliederung(sdebatte) stellen sollte
21. April 2020Die Aussage des Vorstands, die finanziellen Ausfälle durch die Coronakrise brächten den FC Schalke 04 in eine „potenziell existenzbedrohende Situation“, hat die durch das Leitbild seit einigen Jahren weitgehend befriedete Diskussion um eine mögliche Ausgliederung wieder heftig aufflammen lassen. Leider argumentieren beide „Seiten“ dabei sehr häufig mit Floskeln, Behauptungen und Polemik. Susanne Hein-Reipen, seit 20 Jahren als Juristin im Steuer- und Gesellschaftsrecht tätig, zeigt die Fakten auf, die jeder bei der Debatte und seiner Entscheidung kennen sollte.
1. Was genau bedeutet Ausgliederung?
Ausgliederung ist ein Begriff aus dem Umwandlungsgesetz, bei dem ein Rechtsträger Teile seines Vermögens ausgliedert, um sie auf einen bestehenden oder neuen anderen Rechtsträger zu übertragen, an denen er dann Anteile erhält. Bezogen auf Fußballvereine heißt das, dass die Lizenzspielermannschaft nicht mehr unmittelbar in der Hand des Vereins bleibt, sondern in Form einer Kapitalgesellschaft organisiert wird.
2. Welche Rolle spielt die „50 + 1 Regelung“ in diesem Zusammenhang?
Sie besagt, dass eine solche Fußball-Kapitalgesellschaft nur am Spielbetrieb des DFB teilnehmen darf, wenn ein eingetragener Verein mit Fußballabteilung die Stimmenmehrheit an ihr besitzt.
Der Hintergrund ist, dass bis Oktober 1998 nur eingetragene Vereine in den Ligen des DFB antreten durften, dann wurde es auch Kapitalgesellschaften erlaubt. Die 50+1–Regelung sollte dabei sicherstellen, dass die Mitgliederversammlung des Vereins über die Mehrheits-Stimmanteile auch die Richtung der Kapitalgesellschaft vorgeben und sportliche Belange des Vereins gegenüber den wirtschaftlichen Interessen etwaiger externer Investoren durchsetzen kann.
3. Was ist der wesentliche Unterschied zwischen einem Verein und einer Kapitalgesellschaft?
Ein Verein ist ein Zusammenschluss seiner Mitglieder zu einem gemeinsamen Zweck, in diesem Fall das Fußballspielen. Vereine haben üblicherweise nur zwei Organe: Die Mitgliederversammlung aller Vereinsmitglieder, die aus ihrer Mitte den Vorstand wählt, der den Verein vertritt. Die verbliebenen Vereine haben sich allerdings in ihren Strukturen beispielsweise durch die Einführung von Aufsichtsräten wie in Aktiengesellschaften schon den Kapitalgesellschaften angenähert; die Mitsprache- und Wahlrechte liegen aber bei den Vereinsmitgliedern und nicht den Aktionären – Vereine „gehören“ quasi den Mitgliedern und können weder als Ganzes noch in Teilen verkauft werden. Bei Kapitalgesellschaften hingegen besteht die Möglichkeit, Anteile zu verkaufen und so Geld einzunehmen. Diese Anteile und die damit (in der Regel) zusammenhängenden Stimmanteile gehören dann den Investoren.
4. Welche Arten der Kapitalgesellschaft kommen für eine Ausgliederung in Frage und wodurch unterscheiden sich sich?
In der ersten Bundesliga sind neben den eingetragenen Vereinen (neben Schalke auch Freiburg, Mainz, Düsseldorf und Union) auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHs, z. B. Leverkusen, Mönchengladbach, Wolfsburg, Hoffenheim und Leipzig), Aktiengesellschaften (AGs, z. B. Bayern und Frankfurt) und Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaAs, z. B. BVB, Köln, Bremen, Hertha, Paderborn und Augsburg) unterwegs.
Die GmbH ist die Grundform einer haftungsbeschränkten Kapitalgesellschaft und die in Deutschland mit Abstand häufigste Gesellschaftsform. Die Grundstruktur sieht ein Mindestkapital von 25.000 € vor, das sich auf einen oder mehrere Anteilseigner/Gesellschafter verteilen kann. Die Anteilseigner bilden die Gesellschafterversammlung, die mindestens einen Geschäftsführer bestimmt, der wiederum die GmbH vertritt. Eine GmbH kann einen Aufsichtsrat haben, muss es aber nicht.
Der Vorteil einer GmbH ist die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftskapital, d. h. selbst wenn der Profibereich insolvent wäre, bliebe der restliche Verein davon unberührt. Der Nachteil ist eine gewisse Schwerfälligkeit gegen die Aufnahme neuer Gesellschafter. Daraus ergibt sich, dass eine GmbH sich nur eingeschränkt für die Gewinnung von Fremdkapital auf dem Kapitalmarkt über Investoren eignet. Sie ist besser geeignet für Vereine, die wie Leverkusen/Bayer, Wolfsburg/VW, Hoffenheim/Hopp und Leipzig/Red Bull ganz gezielt einen Hauptsponsor in die Entscheidungen einbinden möchte. Die Borussia VfL Mönchengladbach GmbH gehört zu 100 % dem Verein.
Die AG ist die typische Unternehmensform von Wirtschaftsunternehmen mit großem Kapitalbedarf, bei der das Grundkapital (Minimum 50.000 €, in der Praxis aber regelmäßig mindestens siebenstellige Beträge) in Aktien zerlegt wird, die von beliebig vielen Aktionären ge- und verkauft werden können. Dies kann, muss aber nicht an der Börse geschehen. Die Aktionäre haben Stimmrecht auf der Aktionärs- oder Hauptversammlung; sie wählen den zwingend vorgeschriebenen Aufsichtsrat, der wiederum den Vorstand bestellt, der die Geschäfte führt.
Vorteil der AG ist die Gewinnung von Fremdkapital durch den Verkauf der Aktien, der Nachteil ist die Gefahr, dass die Aktionäre „mitreden“ und ihren Gewinn mehren wollen, statt langfristig sinnvolle sportliche Entscheidungen zu treffen. Bayern München hat deshalb nur seine drei großen strategischen Partner Adidas, Allianz und Audi zu je 8,33 % beteiligt, die absolute 75,01 % Mehrheit der Aktien gehört nach wie vor dem Verein.
Die KGaA ist eine Sonderform der AG, die an Stelle des geschäftsführenden Vorstandes wie eine Kommanditgesellschaft über persönlich haftende Gesellschafter (Komplementäre) verfügt. Diese führen die Geschäfte, haben weitreichende Entscheidungsbefugnisse und haften unbegrenzt, weshalb diese Stellung häufig mit einer GmbH besetzt wird. Die übrigen Aktionäre haben eine ähnliche Stellung wie die Aktionäre der GmbH und haften nur mit dem Gesellschaftsvermögen; die Befugnisse des Aufsichtsrates sind aufgrund der starken Stellung der Komplementäre ein wenig schwächer.
Die KGaA ist in Deutschland eine relativ seltene Gesellschaftsform, weil die persönliche Haftung bei Unternehmen dieser Größenordnung regelmäßig ein zu großes Risiko darstellt. Sie wird deshalb fast nur von großen Familienunternehmen gewählt. Dass sie ausgerechnet in der Bundesliga vergleichsweise beliebt ist, ist auf eine Klausel in der Satzung des Ligaverbandes zurückzuführen: Wenn der Verein oder eine ihm gehörende GmbH als Komplementär auftreten, sieht die DFL die Übernahmeresistenz und die 50 + 1 Regel auch bei weniger als 50 % der Aktien als gewahrt an, so dass mehr Aktien zu Geld gemacht werden können. So geschehen beispielsweise beim BVB, der weit über 90 % der Anteile an der KGaA versilbert hat.
5. Ist eine Ausgliederung auf Schalke rechtlich überhaupt möglich?
Verschiedentlich wird vorgebracht, § 1 Satz 2 des Schalker Leitbilds – „Der Name unseres Vereins ist und bleibt Fußball-Club Gelsenkirchen-Schalke 04 e.V. Er ist und bleibt ein Verein im Sinne des deutschen Vereinsrechts.“ – erlaube keine Ausgliederung. Doch dieses ausdrückliche Bekenntnis zur traditionellen Rechtsform hat eher moralischen Charakter; § 11 Absatz 2 der Satzung lautet demgegenüber: „Die Fußball-Lizenzspielerabteilung gehört zum Verein. Eine Ausgliederung der Fußball-Lizenzspielerabteilung (…), bedarf der Zustimmung einer besonderen, zu diesem Zweck einberufenen außerordentlichen Mitgliederversammlung mit einer Dreiviertel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen.“
6. Wie würde eine Ausgliederung ablaufen?
Zunächst muss es eine große vereinsinterne Diskussion geben, ob mehrheitlich eine Ausgliederung gewünscht ist, welche Form gewählt werden soll und wer Anteile erwerben können soll: Jeder – oder nur einige handverlesene strategische Partner? Dann müsste der Vorstand ein Konzept dafür entwickeln, über das dann in einer eigens für diesen Zweck einberufenen außerordentlichen Mitgliederversammlung diskutiert und abgestimmt wird. Wenn mehr als 75 % der anwesenden Mitglieder für die Ausgliederung stimmen, wird diese durchgeführt.
Das zeigt aber auch: Eine solche Ausgliederung hat im Regelfall 1 bis 2 Jahre Vorlauf für Diskussionen, Konzepterstellung, Beschlussfassung und Vertragsabschlüsse und ist keine kurzfristige Liquidationshilfe in der aktuellen Situation.
7. Welche strategischen Partner und/oder Anteilseigner sind vorstellbar?
Mit dem Blick zu den Bayern träumen viele Schalker davon, dass Veltins ein strategischer Partner werden könnte – gemessen an Umsatz und Werbeetat auch ohne die Corona-Krise, die den Bier-Absatz in Gaststätten rapide schrumpfen lässt, äußerst unwahrscheinlich. Von den bisherigen Partnern hätten eher gazprom, die R + V oder Tönnies Fleisch die finanzielle Größe, für ein Investment auf Schalke in Frage zu kommen – oder es kommen ein Windhorst, eine andere „Heuschrecke“ oder ein Scheich um die Ecke…
8. Stellt eine Ausgliederung eine Professionalisierung dar?
Eine häufige Behauptung der Befürworter im Zusammenhang mit Ausgliederung ist, damit gehe eine „Professionalisierung“ oder „Modernisierung“ einher – dem ist schlicht nicht so. Die Strukturen der modernen Großvereine mit Aufsichtsrat und Vorstand sind bereits sehr weitgehend an Kapitalgesellschaften angeglichen – und JEDER Verein und JEDE Kapitalgesellschaft sind nur so gut wie ihre Funktionsträger. Die handelnden Personen arbeiten nicht plötzlich besser oder anders, weil an der Tür nicht mehr e. V., sondern GmbH oder KGaA steht.
Wer sich hingegen von der Ausgliederung (auch) einen personellen Austausch erhofft, indem beispielsweise Investoren zusätzlichen wirtschaftlichen Sachverstand einbringen: Personalwechsel insbesondere im Aufsichtsrat hätten die Vereinsmitglieder auch auf einfacherem Wege in der Hand.
9. Bedeutet eine Ausgliederung, dass der Verein seine Seele oder Tradition verkauft?
Die Gegner führen bisweilen an, mit der Ausgliederung verkaufe ein Verein seine Seele, Werte oder Tradition. An dieser Stelle Hand aufs Herz: Werden der BVB, Eintracht Frankfurt oder Borussia Mönchengladbach weniger emotional geliebt oder angefeuert, weil ein anderes Kürzel hinter der Fußballabteilung steht…?
10. Wie viel Geld könnte Schalke mit einer Ausgliederung realistischer Weise einnehmen?
Die wohl wichtigste Frage – die aber kaum einer offen stellt, stattdessen geben selbst „Insider“ wie Ex-Finanzvorstand Schnusenberg oder Jens Lehmann Platitüden wie „Stillstand ist Rückschritt“ oder „sonst kann Schalke auf Dauer nicht mehr mithalten“ zum Besten.
Das zu erlösende Geld hängt ganz maßgeblich vom Wert des Vereins und dem verkauften Anteil ab. Ersterer wäre durch Gutachten von Wirtschaftsprüfungsunternehmen festzustellen. Als guter Anhaltspunkt dient das Forbes-Finanzranking, das jährlich die wertvollsten Fußballclubs Europas auflistet: Sie attestierten Schalke im vergangenen Jahr trotz vorhergehender Grottensaison einen Wert von 765 Mio. €. Damit war Schalke der 14.wertvollste Club Europas und ließ zahlreiche Kapitalgesellschaften hinter sich.
Nun weiß jeder, der bereits einmal etwas verkauft hat, dass Wert nicht zwingend gleich Kaufpreis ist, sondern Angebot und Nachfrage durchaus starke Abweichungen in beide Richtungen möglich machen, aber die Größenordnung für Schalke läge im Normalfall bei ungefähr 180 – 200 Mio. Euro für 25 % der Anteile. Zum Vergleich: Windhorst ließ sich 49,9 Prozent an der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA über die Beteiligungsgesellschaft Tennor 224 Mio. Euro kosten.
11. Wofür soll dieses Geld verwendet werden?
Wofür soll dieses Geld bei einem Verein, der alleine 198 Mio. Euro Verbindlichkeiten hat, verwendet werden, damit Schalke nicht in zwei oder drei Jahren wieder vor exakt demselben Problem steht? Konsolidierung durch Schuldentilgung? Investition in Steine, wie es auf dem Berger Feld geplant ist/war? Oder soll das Geld in den Kader gesteckt werden – mit der großen Gefahr, dass diese „beweglichen Werte“ sehr flüchtig sein können, wenn sich beispielsweise ein Spieler schwer verletzt oder nicht die erhofften Leistungen zeigt?
Die letzten 20 Jahre auf Schalke zeigen, dass Schalke keine Einnahmenprobleme hatte, sondern sehr vielen Mitbewerbern an Umsatz und finanziellen Möglichkeiten überlegen war. Aber das vorhandene Geld wurde sehr oft für Transfers ausgegeben, bei denen Schalke am Ende aus verschiedenen Gründen satt draufzahlte – man kann für 25 Millionen Bentaleb oder Sancho und Haaland holen… Brutal gesagt: Schalkes Problem war nicht fehlendes Geld, sondern die Verwendung des Vorhandenen. Wenn sich das nicht ändert, wäre auch mit einer Ausgliederung in wenigen Jahren das Ende der Fahnenstange wieder erreicht und die Anteile wären unwiederbringlich verloren.
12. Habe ich Vertrauen zu den handelnden Personen, dass die eingenommenen Gelder sinnvoll und nachhaltig eingesetzt werden?
Und das führt zu der Frage, die sich jeder für sich stellen sollte: Wie groß ist mein Zutrauen, dass die durch eine Ausgliederung vereinnahmten Gelder sinnvoll und für eine dauerhafte (!) Verbesserung eingesetzt würden und nicht in zweifelhafte Transfers und überhöhte Gehälter fließen? Dass dieses Geld anders als die Millioneneinnahmen aus der Championsleague oder den Transfers von Neuer, Sané, Draxler und Kehrer nicht innerhalb kurzer Zeit ohne nachhaltige sportliche Verbesserungen verpufft, während die Anteile dauerhaft in fremden Händen liegen?
13. Wann ist der ideale Zeitpunkt für eine Ausgliederung?
Wann verkauft man ein Auto oder Haus am besten: Wenn man es eigentlich nicht nötig hätte und Zeit hat, auf einen finanzkräftigen Käufer zu warten? Oder wenn alle wissen, dass man sofort jeden Cent braucht, weil der Gerichtsvollzieher schon im Nacken sitzt…?
Von allen denkbaren Zeitpunkten ist der Aktuelle der mit Abstand Schlechteste, da sich Schalke nicht in einer Position der Stärke befindet und auch die potentiellen Investoren noch nicht absehen können, wie sie finanziell durch die Corona-Krise kommen. Ausgliedern, um einer Insolvenz zu entgehen oder die Lizenz zu bekommen, ist kurzsichtig, weil man erpressbar ist und nicht sorgfältig nach Investoren und guten Preisen suchen kann. Auch Alexander Jobst hat sich dementsprechend eingelassen, man solle die Coronakrise gerade nicht für eine Ausgliederungsdebatte nutzen.
Fazit:
Man kann über eine Ausgliederung reden, muss es aber nicht – schon gar nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Schalke ist auch als eingetragener Verein den meisten Fußballkapitalgesellschaften in Deutschland finanziell deutlich überlegen. Auch eine Ausgliederung ist kein dauerhafter Goldesel und entbindet die Verantwortungsträger nicht von der Notwendigkeit, vorhandene Gelder sinnvoll einzusetzen.
Es gibt sowohl für Vereine als auch Kapitalgesellschaften positive (Bayern, BVB, Frankfurt) wie auch negative (1860 München, HSV, KFC) Beispiele – es gibt keine per se gute oder schlechte Struktur. Sehr viel entscheidender sind Kompetenz und Weitsicht der Verantwortlichen und damit einhergehend sportliche Erfolge.
Bayern ist nicht Branchenprimus, weil sie eine AG sind, sondern weil sie über Jahrzehnte sportlichen Erfolg hatten. Der BVB war als KGaA bereits klinisch tot, bevor Klopp und Zorc über sportlichen Erfolg und gute Transfers wieder Geld in die Kassen spülten. Zwischen 18 Kapitalgesellschaften in der Liga gäbe es ebenso ein finanzielles Gefälle wie es zwischen 18 Vereinen der Fall war. Auch mit einer Ausgliederung wäre Schalke nicht auf Augenhöhe mit den Bayern oder dem BVB, genauso wenig wie Paderborn oder Augsburg aufgrund ihrer Ausgliederung in die finanziellen Dimensionen von Schalke vorgestoßen sind.
Vielen Dank für den informativen und sachlichen Beitrag. Zwei Fragen bzw. Anmerkungen hätte ich noch: Zum einen habe ich vielfach gelesen, dass es in rechtlicher Hinsicht ohnehin erhebliche Probleme gibt, einen Profi-Verein als eingetragenen gemeinnützigen Verein zu betreiben, wohl weil der Profiverein letztlich als Betrieb mit den ursprünglichen gemeinnützigen Zielen nichts zu tun hat. Es drohe – so ist an manchen Stellen zu lesen – eigentlich ohnehin der Verlust der Stellung als e.V. Wie seht Ihr das und sollte dies auch bei der Frage der Ausgliederung berücksichtigt werden?
Weiter sagt Ihr im Beitrag – aus meiner Sicht zu Recht – dass jetzt für den Verkauf von Anteilen der wohl schlechteste Zeitpunkt ist. Allerdings wäre die Ausgliederung doch wohl auch als Vorsorgemaßnahme denkbar, um dann – wenn sich tatsächlich die Chance ergibt – ohne große Vorbereitung Anteile verkaufen zu können?
Wichtig finde ich auch, wer und wieviel verkauft wird: Bei 1860 war das Problem, dass der Investor, der meines Wissens vor seinem Invest keine stärkere Bindung an den Verein hatte, fast 50 Prozent übernehmen konnte und danach auch noch Kredite gab, wodurch eine erhebliche wirtschaftliche Abhängigkeit entstand. Ich denke, ein Verein sollte nicht bereits on vorne herein den größtmöglichen Anteil verkaufen, sondern nur kleinere Anteile. Dann bleibt ihm für die Zukunft noch Spielraum, weitere Schritte unternehmen zu können. So hat der FC-BAYERN bisher lediglich insgesamt knapp unter 25 Prozent der Anteile verkauft, jeweils zu gleichen teilen an die Allianz, Audi und Adidas. Durch den Umstand , dass über 75 Prozent der Anteile in Vereinshand bleiben und die weiteren 25 Prozent auf drei Investoren verteilt sind, ist trotz Ausgliederung der Einfluss des Vereins bestmöglich gesichert.
Zuletzt noch eine Anmerkung zur 50+1 Regelung: Es ist durchaus umstritten, ob diese Regelung letztlich rechtlich standhält. Der Investor bei 1860 hat bereits mehrfach angekündigt, gegen die Regelung Klagen zu wollen und hätte damit nach Meinung einiger Juristen vor dem Hintergrund des Europarechts keine schlechten Chancen.
Meine Meinung: Eine Ausgliederung macht Sinn, wenn Anteile vorsichtig, zur richtigen Zeit und an mehrere Investoren verkauft werden. Wenn man – wie 1860 oder Hertha BSC (?) die maximal verkaufbaren Anteile sofort verkauft (und daneben eventuell beim Investor sogar noch Kredite aufnimmt), kann man die Identität des „Vereins“ gefährden. Letztlich ist nicht die Ausgliederung, sondern der richtige Verkauf von Anteilen die Herausforderung. Schalke ist einer der wertvollsten Vereine in Europa. Es wird deshalb genügend seriöse Investoren geben, die „einsteigen wollen“ , ohne dass sich Schalke die Bedingungen diktieren lassen muss.
Hallo RGM,
das erste, was Du ansprichst, ist die sogenannte „Rechtsformverfehlung“. Es gab in der Vergangenheit Ansätze (u. a. in Mainz), wonach die Rechtsform des gemeinnützigen Vereins nicht für Profisportvereine mit Millionenumsätzen passen würden. Dieses Fass möchte aber zumindest in Deutschland bislang niemand wirklich aufmachen, weil die Vereinigungsfreiheit ein Grundrecht ist und der gesamte Fußballsport mit Vereinen angefangen hat. Ein kleines Restrisiko bleibt eine entsprechende europäische Regelung, aber der EuGH ist traditionell gegen Wirtschaftsbeschränkungen; zudem sind sehr namhafte Clubs mit entsprechender Lobby (Barca, Real, Lissabon…) auch noch Vereine.
Eine Ausgliederung als „Vorsorgemaßnahme“, um im Falle des Falles schnell handeln zu können, ist möglich, bedeutet aber, dass die Vereinsmitglieder „die Katze im Sack“ kaufen, weil sie damit der Vereinsführung quasi einen Blankoscheck geben, an einen beliebigen Investor zu verkaufen.
Dass es durchaus Bedenken gegen die Europarechtskonformität der 50+1-Regelung gibt, ist zutreffend, allerdings haben schon viele (u. a. Martin Kind) vollmundig angekündigt, die Regel kippen zu wollen, bislang ist nichts dergleichen passiert. Für mich ist ein möglicher Fall von 50+1 aber klar ein Argument GEGEN die Ausgliederung, denn damit könnten Investoren und Scheichs die volle Kontrolle über die Vereine erlangen. Und ein Verein wie Schalke, in dem so unendlich viel Herzblut seiner Mitglieder steckt, als Spielzeug eines Oligarchen oder einer Heuschrecke ist eine schreckliche Vorstellung.
BWG
Susanne
[…] ohne Ausgliederung in den Griff zu bekommen, worauf bei einem strikten Sparkurs aufgrund der Umsatzstärke des FC Schalke 04 durchaus Hoffnung besteht; parallel dazu können sich die durch die schaurige Rückrunde und die […]
[…] auf der Agenda des Vorstands steht. Es ist dennoch davon auszugehen, dass die ohnehin schwelende Ausgliederungsdebatte aufgrund der sportlichen Situation schärfer werden wird, obwohl es kaum einen ungünstigeren […]