Schalke: Wer hat das Zeug zum Publikumsliebling?
1. März 2019Fast alle Schalkefans behaupten zu Recht von sich, Anhänger des Vereins und nicht eines einzelnen Spielers zu sein. Trotzdem fanden sich in jeder königsblauen Mannschaft einige Spieler, die sich besonderer Beliebtheit erfreuten. Susanne Hein-Reipen durchforstet den aktuellen Kader nach geeigneten Kandidaten…
Liebe ist nicht logisch
„Wer gut spielt, ist auch beliebt“ wäre logisch, aber die Liebe zu einem Fußballverein im Allgemeinen und zu Schalke im Besonderen ist eben nicht rational oder vernünftig. Wenn nur Erfolg sexy machen würde, müsste sich Fußballdeutschland nahezu geschlossen hinter dem Unsympathenverein aus dem Süden der Republik versammeln, doch das Leben ist zum Glück nicht eindimensional.
Ebenso wie die Frage, welchem Verein man verfällt, wird auch die Wahl des Lieblingsspielers nicht objektiv getroffen. Klar, gute Leistungen auf dem Platz rücken einen Kicker positiv ins Schaufenster, doch nachhaltige Bewunderung und besondere Sympathie erntet er erst, wenn er die Fans darüber hinaus auf nicht ganz erklärbare Weise emotional „packt“. Ein prima Beispiel ist der jüngst 50 Jahre alt gewordene Edi Glieder, der als Lachnummer und „Ösi-Opa“ statt des kolportierten Stars Morientes auf Schalke aufschlug und mit seinem Einsatz und der offensichtlichen Begeisterung, für Schalke auflaufen zu dürfen, die königsblauen Herzen im Sturm eroberte – trotz mickriger zwei Törchen.
Anforderungsprofil für Publikumslieblinge
Kämpfermentalität und der Anschein, in Schalke mehr zu sehen als nur einen vorübergehenden lukrativen Arbeitgeber, sind zwei unabdingbare Voraussetzungen. Viele Fans würden für den Verein ihr letztes Hemd geben und freuen sich, wenn einer der Jungs auf dem Platz den Eindruck erweckt, das anzuerkennen und nachvollziehen zu können. Spieler, die wie Ralf Fährmann, Benedikt Höwedes oder Steven Skrzybski zugleich auch Fan sind, haben daher per se immer einen dicken Stein im Brett.
Spielern, die den besonderen Stellenwert von Schalke betonen, wird sogar ein Wechsel zu lukrativeren Clubs verziehen, das kann man gut an der unverbrüchlichen Bewunderung für Raúl, Sead Kolasinac und Leroy Sane erkennen. Umgekehrt gar nicht gut an kommen abträgliche Äußerungen über Schalke oder Gelsenkirchen, davon kann „kleines dickes Ailton“ ebenso ein Lied singen wie Manuel Neuer oder Julian Draxler, die im Nachhinein ihre Zeit auf Schalke herunterspielen wollten. Auch Unfreundlichkeit oder Hochnäsigkeit gegenüber Fans würden selbst einem Weltfußballer nicht verziehen.
Nicht nur Li-La-Laune-Bären
Beliebte Spieler sind jedoch nicht nur ein folkloristisches Element für’s Herz und zum Anfassen; ihre Anwesenheit auf dem Platz kann insbesondere in schwierigen Situationen oder bei unbefriedigendem Spiel- oder Saisonverlauf ein wichtiges Bindeglied zwischen Mannschaft und Fans sein und so den wichtigen Support sichern: Egal, wie besch…eiden es lief, wenn Mike „Buyooooooo“ Büskens oder Gerald Asamoah die Ärmel hochkrempelten, war ihnen der uneingeschränkte Rückhalt der Kurve sicher.
Und genau aus diesem Grund, um die Saison nach der enttäuschenden Hinrunde zu einem guten oder wenigstens versöhnlichen Ende zu führen, sind nach dem Weggang von Naldo und der Verbannung des nach wie vor hochangesehenen Ralle Fährmann auf die Ersatzbank auf dem Platz neue Identifikationsfiguren vonnöten.
Burgstaller, Skrzybski oder McKennie …?
Äußerst beliebt bei den Fans ist Stürmer Guido Burgstaller, weil er in jedem Match rackert bis zum Umfallen und dabei weder sich selbst noch den Gegner schont. Gepaart mit dem gegenüber dem Vereinsmagazin Kreisel geäußerten Bekenntnis „Ich bin super-glücklich auf Schalke. Für mich gibt es nichts anderes, wo ich noch hingehen möchte, ich will meine Karriere auf Schalke beenden“ sichert ihm seine Kämpfermentalität auch dann unverbrüchliche Unterstützung, wenn er einmal längere Zeit Ladehemmung hat, ein Phänomen, das bereits Ebbe Sand in einer langen Flaute weiterhalf. Leider ist nicht absehbar, wann „Burgi“ nach seinen Leisten-, Achillessehnen- und Fußbeschwerden wieder mitmischen kann.
Zumindest kurzfristig außer Gefecht ist auch Steven Skrzybski, der als gebürtiger Berliner bereits als Kind in Schalke-Bettwäsche schlief und gerne mit ansteckender Begeisterung betont, wie geil es für ihn ist, in Bundesliga und Championsleague für den Verein seines Herzens auflaufen zu dürfen. Das ist so herrlich normal und für alle Fans nachvollziehbar, dass die Schalker keinem seine Tore gegen Nürnberg und Stuttgart mehr gönnten als ihm. Bei ihm bleibt abzuwarten, wie er sich nach hoffentlich bald auskurierter Oberschenkelverletzung gegen die größeren Namen im Sturm behaupten kann.
Von ansteckender Fröhlichkeit und Begeisterung und zudem auf dem Feld von Innenverteidigung bis Sturm sehr vielseitig einsetzbar ist auch Weston McKennie. Ähnlich wie einst Gerald Asamoah wurde der US-Youngster noch nie mit schlechter Laune gesichtet – und hat sich bei seinen Einsätzen das Prädikat erworben, klaglos jede Aufgabe zu übernehmen, die der Mannschaft hilft und immer alles zu geben. Gelegentlichen Übereifer verzeihen die Fans ihm da nicht nur aufgrund seiner Jugend schnell.
Oder ein ganz Neuer?
„Jugend“ und „Stallgeruch“ können auch Alexander Nübel und Ahmed Kutucu auf der Habenseite verbuchen. Wenn sie die in ihren ersten Spielen gezeigten, zu guten Hoffnungen berechtigenden Leistungen bestätigen können, werden sie ebenfalls in der königsblauen Gunst weit oben stehen. Ähnliches gilt für Neuzugang Rabbi Matondo: Sollte der erst 18jährige Waliser einschlagen, ist der Weg in die Schalker Herzen für ihn sicher nicht weit.
Etwas mehr Anlauf haben Benjamin Stambouli und Mark Uth gebraucht. Der Franzose konnte sich nach durchwachsenem Beginn nicht nur leistungs- und hierarchiemäßig als Vizekapitän deutlich steigern, er gefällt auch mit seinem Liebesbekenntnis zu den „Asozialen Schalkern“ und sehr reflektierten und bodenständigen Interviews. Mark Uth findet sich ebenfalls zunehmend besser in seine gegenüber früher etwas zurückgezogenere Position ein und bedankt sich regelmäßig bei den Fans für ihre Unterstützung und Geduld.
Geschätzt für Einsatz, solide Leistungen und sehr bodenständiges Benehmen werden auch die beiden Außenverteidiger Daniel Caligiuri und Bastian Oczipka; Matija Nastasic ist ebenfalls eine feste und anerkannte Säule des Teams.
Möglicherweise überrascht auch einer, der sich bisher nicht besonders auffällig präsentiert hat, mit einer plötzlichen Leistungsexplosion. Denkbarer Kandidat für einen solchen „Shooting Star“ wäre insbesondere Amine Harit, der über tolle Anlagen verfügt, sie aber in der Hinrunde zu selten gezeigt hat. Grundsätzlich hat jeder Spieler die Möglichkeit, durch Einsatz, vernünftiges Auftreten und idealerweise gute Leistungen die Fans zu überzeugen und so eines der so wichtigen Gesichter des Teams zu werden!