
Schalke – Ulm 2:1: Drei wichtige Punkte und keiner weiß warum…
6. April 2025Der FC Schalke 04 gewinnt sein Heimspiel gegen den SSV Ulm 1846 durch zwei späte Tore mit 2:1 (0:1) und rückt dem sicheren Klassenerhalt immer näher. Die erste Halbzeit gegen die „Spatzen“ ist dabei allerdings sooo schlecht, dass sich die Schalkefans am Ende verwundert kneifen, dass tatsächlich noch ein Dreier dabei herausgesprungen ist. Susanne Hein-Reipen berichtet erleichtert…
Das Wetterchen in Gelsenkirchen lässt keine Wünsche übrig, die Sonne strahlt vom königsblauen Himmel auf die Arena herab. Weil es in der Sonne draußen deutlich angenehmer und wärmer ist als in der schattigen Arena, findet das Vorprogramm vor ungewohnt leeren Rängen statt. Die langsam zu ihren Plätzen strebenden Schalker finden am Oberrang der Nordkurve ein langes Banner mit der Aufschrift „Königsblauer S04: Deutscher Meister kann nur Schalke sein“ vor, eine kleine Trotzreaktion auf die Ankündigung der Florians, künftig statt der traditionellen Zeile nur noch „Blau und Weiß, für immer mein Verein“ singen zu wollen.






Einmal Schalker, immer Schalker
Während sich die Torhüter warm machen, plaudert Sebastian Buntkirchen über die Bemühungen des Vereins, auch Menschen mit nicht sichtbaren Behinderungen Stadionerlebnis ermöglichen. Ein erster Schritt war die „stille Stunde“ im Fanshop, bei der reizempfindliche Menschen geräusch- und lichtarm shoppen konnten.
Beide Mannschaften werden von ihrem Anhang – rund 2.500 Ulmer haben den Weg in die mit 61.922 Zuschauern ausverkaufte Arena gefunden – freundlich begrüßt. Die Partie ist das 500. Pflichtspiel-Heimspiel seit Bestehen der Veltins-Arena vor knapp 25 Jahren; der Verein hat dies zum Anlass für das jährliche Ehemaligentreffen genommen. Stellvertretend für viele Exkicker, die noch an Schalke hängen, plaudern Marco Derby-Höger und Jermaine Jones bei Jörg Seveneick am Mikro etwas aus dem Nähkästchen. Jones‘ Erzählung, wie ihm über ein Jahrzehnt nach seiner epischen Grätsche in den USA tatsächlich Kevin Großkreutz über den Weg lief und ihn „sehr, sehr vorsichtig“ begrüßte, sorgt für allgemeine Heiterkeit.
Die Statistik des S 04 gegen den SSV ist sehr überschaubar, das letzte Ligaspiel in Gelsenkirchen fand noch im Parkstadion statt und endete im April 2000 mit 0:0. In der Arena wurde bisher lediglich in der Corona-Zeit ein DFB-Pokal-Spiel zwischen den beiden Teams ausgetragen, weil Ulm das Heimrecht aufgab, da sie befürchteten, die Auflagen für das erforderliche Geisterspiel nicht erfüllen zu können.
Stadion geh’n, im Pappbecher Bier…
Die Nordkurve schickt Grüße nach Enschede und Nürnberg, auch einige Jungs der Salernitana sind zur Unterstützung am Start. Auf die Aufstellung der Ulmer folgen das Steiger- und Vereinslied „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“, dann fordert die Nordkurve ihr Gegenüber zum bekannten Wechselgesang „Schalke“ – „Nullvier“ heraus.
Zum Einlaufen der Mannschaften wird die Startaufstellung der Königsblauen verlesen. Kees van Wonderen ändert die Startelf von Fürth teils verletzungs-, teils leistungsbedingt auf ganzen sieben (!) Positionen: Heekeren, Kaminski, Schallenberg, Kalas, Donkor, Seguin, Barkok, Gantenbein, Younes, Karaman und Sylla starten.
Auf den Rängen übernimmt die Nordkurve akustisch sofort das Zepter und stimmt den „Königsblauen S 04“ – natürlich mit der deutscher-Meister-Zeile – an, dann folgt „Stadion geh’n, im Pappbecher Bier…“. Auf dem Rasen hingegen geht die erste nennenswerte Aktion nach dem gegenseitigen Abtasten an die Gäste und bringt Heekeren direkt in Schwierigkeiten, weil er den Distanzschuss von Keller nur nach vorne abwehren kann, wo Allgeier zum Glück im Abseits steht (7.).






Erste Halbzeit aus der Fußballhölle
Schalke probiert es über Gantenbein (9.) und Sylla (13./17.), dann verflacht das Spiel zusehends. Der Sangesfreude in der Nordkurve tut das keinen Abbruch, von „Hier regiert der S 04“ über „Schalke ist die Macht“ und „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“ und „Schalke, ich bin für dich geboren“ geht es zur Attacke und „Wir kommen vom Berger Feld“.
Heekeren klärt zwei harmlose Schüsse von Röser (26.) und Keller (34.), doch dann ist es passiert: Ein weiter Diagonalpass kommt über Batista Meier zu Higl, der Heekeren mit einem platzierten Linksschuss keine Chance lässt und zum 0:1 einnetzt (40.). Die Nordkurve ist über die schwache Leistung konsterniert, fängt sich aber schnell wieder und fordert „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“, die mitgereisten Ulmer Fans frohlocken schon „Auswärtssieg!“
Zu den Klängen von „Vorwärts Schalke, kämpfen und siegen“ landet in der Nachspielzeit noch ein abgefälschter Schuss von Younes oben auf dem Tornetz, dann geht es mit dem 0:1-Rückstand und einem mittleren Pfeifkonzert in die Kabinen. „War das furchtbar“ ächzt ein Schalker im Block M; „die schlechteste Halbzeit der Saison“ pflichtet ihm sein Nebenmann bei.






Nach der Fanbox folgt „Fanbelange aktuell“, wo Thomas Kirschner über die Osterferienaktion, die barrierefreie Auswärtsfahrt nach Kaiserslautern und die anstehenden Auswärtsspiele in Regensburg und bei der Fortuna – wo traditionell eine große königsblaue Meute am Start ist. Wegen des großen Erfolgs der ersten „diskriminierungssensiblen Stadionführung“ wird es bald eine Neuauflage geben.
Mit Attacke auf in die zweite Halbzeit
Die Schalker Mannschaft hat offenbar gute Vorsätze und kommt deutlich vor der Zeit wieder auf das Spielfeld, eine „Attacke“ aus der Nordkurve gibt die Richtung vor, während der Gästeblock mit einer großflächigen Pyroaktion den Sicherheitssprecher auf den Plan ruft. Zunächst sieht es aber nach einer spielerischen Fortsetzung des ersten Durchgangs aus, mehrere Flanken des fleißigen Donkors verpuffen im Nichts.
Dann endlich platzt zu „Für Deine Farben“ und „FC Schalke 1904, deine Kurve steht immer wieder treu zu Dir“ der Knoten: Younes legt im Zentrum für Karaman auf, der geschickt zu Seguin hat weiterleitet, der den Ball allein vor Thiede aus sechs Metern im langen Eck versenkt, das 1:1 in der 59. Minute. JAAAAAAA!






Die Erleichterung beim Schalker Anhang ist groß, sofort wird „Eine Stadt erstrahlt in Blau“ angestimmt, bevor es alle erneut von den Sitzen reißt, doch Karaman stand beim vermeintlichen 2:1 im Abseits (61.). Kurz darauf bringt van Wonderen Ba für Younes und Grüger für Barkok (61.), auch Lechleiter ersetzt mit einem Doppelwechsel Röser und Batista Meier durch Krattenmacher und Telalovic, wenig später dürfen zu „Steht auf“ auch Murkin (für Donkor) und Mohr (für Sylla) mitspielen.
Gantenbein fliegt, Kaminski trifft
Gantenbein und Ba sehen kurz nacheinander jeweils Gelb, Karaman köpft eine Murkin-Flanke über den Kasten (82.), die Nordkurve supportet mit „Geh‘n mit dir auf jede Reise“ und „S! 0! 4!“, bevor Torschütze Higl den Platz verlässt, für ihn kommt Kahvic. Murkin holt den Hammer raus, doch Thiede faustet seinen Gewaltschuss aus der Gefahrenzone (84.). Die Nordkurve ist mittlerweile bei „Unser Traum von Schalke“ angekommen.
Dann wird es turbulent: Der gelbvorbelastete Gantenbein holt Strompf von den Beinen, der daraufhin im Mittelfeld liegenbleibt. Der bis dato unauffällige Schiedsrichter Benen lässt den Vorteil weiterlaufen. Da sich die Ulmer trotz des sich am Boden windenden Strompf nicht bemüßigt sehen, den Ball ins Aus zu spielen, tun die Schalker das beim Gegenangriff auch nicht. Erst nachdem Thiede einen Schuss von Ba zur Ecke gelenkt hat, zückt Benen die Ampelkarte für Gantenbein, der daraufhin trotz lautstarker Proteste von Karaman vorzeitig duschen gehen muss. In der Coaching-Zone zoffen sich derweil van Wonderen und Lechleiter und bekommen beide Gelb.






Mittlerweile steht auch Strompf wieder, verliert aber bei der folgenden Ecke das Luftduell gegen Kaminski, der so in Unterzahl aus kurzer Distanz zur 2:1-Führung einköpfen kann (88.). Der Torjingle „Balu und Weiß ein Leben laaaaang…“ wird extraeuphorisch mitgebrüllt, denn damit hatte kaum noch jemand gerechnet.
Tabellarisch okay, spielerisch pfui
Die Schlussphase inklusive fünf Minuten Nachspielzeit bringt noch einen Abpraller von Heekeren und zwei Wechsel – Maik Talabidi aus der Schalker U 23 kommt für Ba zu seinem Profidebüt –, aber kein Tor und so darf sich Schalke über einen Heimsieg freuen.
Durch den Dreier erobert Schalke mit nunmehr 37 Punkten Rang 11 zurück, Ulm bleibt mit 23 Punkten auf Rang 17 und hat vier Zähler Rückstand auf das rettende Ufer.
Van Wonderen hält eine kurze, aber sehr engagierte Ansprache im Spielerkreis, dann geht es vor die Nordkurve. Allen Beteiligten ist klar, dass der Sieg kein Ruhmesblatt war und spielerisch noch viel Arbeit vor Trainerteam und Mannschaft liegen, aber tabellarisch sollte nichts mehr anbrennen und so darf das „Auf geht’s Schalke, kämpfen und siegen“ für die kommende Aufgabe bei Schlusslicht Regenburg nicht fehlen. Van Wonderen lässt in der anschließenden Pressekonferenz verlauten „Es sind wichtige drei Punkte, die wir brauchen. Dazu wollen wir, dass unser Fußball wieder besser wird und wir uns im eigenen Stadion besser präsentieren als heute.“ – sein Wort in des Fußballgottes Ohr!





