Schalke – Rostock 3:4: Frust pur auf Schalke – Grammozis gefeuert
6. März 2022Schalke 04 verliert beim Debüt des neuen Sponsors vivawest in letzter Sekunde mit 3:4 gegen Hansa Rostock und verpasst damit gleich mehrere gute Chancen nicht nur auf dem Platz. Susanne Hein-Reipen über einen gebrauchten Tag auf Schalke…
Es hätte so schön sein können: Strahlender Sonnenschein und königsblauer Himmel über dem Berger Feld, kurzfristig bis zu 41.000 Zuschauern erlaubt und viel Stolz über das konsequente Handeln der Vereinsführung, sich aufgrund der russischen Invasion in die Ukraine von dem ohnehin unbeliebten Sponsor zu trennen. Die durchaus reichhaltigen Hinweise, Banner und Werbetafeln des halbstaatlichen russischen Gaskonzerns wurden erfolgreich entfernt, ebenso der bereits am Freitag „geleakte“ neugestaltete Mannschaftsbus.
Scheiss auf Gas, Schnaps wärmt auch
Die bisherigen Sponsorenfahnen wurden durch Schalke- oder Veltins-Flaggen ersetzt. Wie bereits beim Auswärtsspiel in Karlsruhe glänzen die gutgelaunten Schalkefans mit teilweise sehr kreativen Überflockungen des Sponsorenschriftzugs; man sieht ukrainische Fahnen und Friedenstauben, vor der Kurve von Block I/K prangt ein schlichtes „Danke“ unter dem durchgestrichenen Flammenlogo. Gefeiert wird ein Schalker für seine „Scheiss auf Gas, Schnaps wärmt auch“-Tafel.
GEmeinsam für den Frieden
Im Mittelkreis liegt ein riesiges Banner „Gemeinsam für den Frieden“ mit den Logos von Schalke und Vivawest; dazu präsentiert der Schalker Vorstand gemeinsam mit den Geschäftsführern des Wohnungsunternehmens die Sondertrikots des heutigen Spiels, die in der kommenden Woche zugunsten der Ukraine-Hilfsmaßnahmen von schalke hilft! versteigert werden. „Gemeinsam für den Frieden“ und „Leben ist nichts ohne Frieden“ laufen auch über die elektronischen Werbebanden.
Beim Schmettern des Steiger- und Vereinslieds ist die Stimmung noch blendend; ein Blick in die Runde zeigt allerdings: Die noch bestuhlte Nordkurve ist prima gefüllt, auf allen anderen Tribünen klaffen derweil große Lücken, die Kapazitätserhöhung am Freitag war offenbar für viele Schalker zu kurzfristig. 28.790 Zuschauer, davon rund 1.700 Gästefans, sind da. Zum Einlaufen der Mannschaften wird die königsblaue Aufstellung verlesen: Fraisl, Itakura, Sané, Kaminski, Matriciani, Calhanoglu, Matriciani, Flick, Churlinov, Terodde und Bülter sollen es richten. Dauerbrenner Ouwejan muss leider passen.
Terodde gegen Hansa Rostock
Beide Teams stellen sich rund um das Friedensbanner zu einer Gedenk- und Schweigeminute auf, dann rollt der Ball: Schalke bemüht sich, angetrieben durch „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und die „asozialen Schalker“, das Heft in die Hand zu nehmen und taucht mit Bülter und Churlinov einige Male im Strafraum der Kogge auf. Hansa hält jedoch, ebenfalls lautstark angefeuert von den mitgereisten Fans („Uns‘re Heimat, uns‘re Liebe“) munter dagegen.
Matriciani setzt einen Fernschuss nach Vorarbeit von Bülter und Zalazar neben das Tor – und dann ist es passiert: Ein blitzschneller Konter wie aus dem Bilderbuch durch Duljevic, Breier und Ingelsson überrennt die Schalker Defensive und Fraisl und es steht 0:1 (25.). Die Gästefans sind natürlich begeistert und verlegen Rostock kurzerhand ins Ruhrgebiet: „Die Nummer 1 im Pott sind wir…“
Doch zum Glück hat Schalke Terodde – und er vollstreckt nach einer Flanke des agilen Bülters per Kopf zum 1:1-Ausgleich (33.). Ein Leben laaaang…
Die Partie ist wieder offen, Schalke probiert es weiter über Churlinov und Calhanoglu – und läuft prompt in den nächsten Konter: Ingelsson spielt einen klugen Pass zu Verhoek, den dieser technisch sehr gekonnt in einen unhaltbaren Schuss von der Strafraumgrenze umwandelt. Das 1:2 in der 40. Minute. Der Jubel der Hansafans und der Frust der Schalker dauern dieses Mal jedoch nicht lange, denn Terodde erwischt eine Flanke von Calhanoglu und nickt aus fünf Metern zum erneuten Ausgleich ein (43.). Zur Belohnung gibt es „Simon Terodde!“-Sprechchöre und die alleinige Führung in der Torjägerliste der zweiten Liga.
Sané muss verletzt runter, für ihn kommt Thiaw, dann geht es mit dem 2:2 in die Pause.
Hoffnung auf den zweiten Durchgang
Allgemeiner Tenor beim Halbzeitplausch ist „defensiv arg ausbaufähig, lasst uns dem lieben Gott für Terodde danken und auf eine Steigerung hoffen!“. Die Fanbox und der Plausch mit Thomas Kirschner für das Team Fanbelange runden die Pause ab. Im Mittelpunkt stehen auch dabei die Hilfsaktionen für die Ukraine, die bereits geschilderte Versteigerung der einzigartigen Matchtrikots dieses Spiels für schalke hilft!, aber auch die Möglichkeit für private Schalker Initiativen wie der Klutis Ennepetal, ihre Aktionen über die SocialMedia-Kanäle des Vereins bekannter zu machen oder den Mitgliedsbeitrag zu spenden.
Beide Mannschaften kommen personell unverändert wieder aus der Kabine; unverändert ist leider auch das Spielschema: Schalke bemüht sich u. a. mit Churlinov und Bülter, Hansa trifft. Einwurf Malone, Itakuras Abwehrversuch wird zu einer unfreiwilligen Kopfballverlängerung zu Breier, dessen Volleyschuss noch von Calhanoglu abgefälscht wird und an Fraisl vorbei zum 2:3 einschlägt (56.). Die Hansafans bejubeln wieder die Nummer 1 im Pott, die Schalker wollen ob der gnadenlosen Effizienz auf der „falschen“ Seite – drei Schüsse, drei Gegentreffer, was macht unsere Abwehr eigentlich beruflich?! – lieber brechen.
Support fehlt
Dimitrios Grammozis reagiert und bringt Pieringer und Drexler für Matriciani und Zalazar. Reagieren müssten jetzt eigentlich auch die Schalker Zuschauer und ihre Mannschaft nach vorne schreien, stattdessen herrscht lähmendes Schweigen, 1.700 Rostocker übertönen mühelos den Rest der Arena – falls es noch eines Beweises bedurft hätte, dass der Support außer bei begeisternden „Selbstläufern“ mit der aktiven Fanszene steht und fällt, erbringt dieses Spiel ihn.
Für Unmut sorgen die theatralischen Spielverzögerungen einiger Hansa-Spieler. Schalke ist jetzt klar feldüberlegen, doch weder Flick noch Calhanoglu, Bülter oder Terodde treffen ins Schwarze. Rostock setzt jetzt mit Sikan, Riedel, R. Meißner, Fröling und T. Meißner für Breier, Becker, Verhoek, Duljevic und Ingelsson ebenfalls auf frische Kräfte; für den bekennenden Herzensschalker Timo Becker gibt es dabei auch von Schalker Seite Applaus.
Teroddes Tor reicht nicht – brutales Aus statt HappyEnd
In der 83. Minute haben die Schalker dann doch noch einmal Grund zum Jubeln: Kaminski flankt in die Mitte, Terodde gewinnt das Kopfballduell gegen Roßbach, sein Ball titscht von der Unterkante der Latte ins Tor – 3:3! Geht hier doch noch etwas?!
Nun wird auch die Nordkurve wieder hörbar. Grammozis ersetzt Flick und Calhanoglu durch idrizi und Lode, doch der Ball will nicht mehr über die Linie, stattdessen sorgen erneute Spielverzögerungen der Rostocker für lautstarke Beschimpfungen und 4 vier Minuten Nachspielzeit. Malone sieht die erste und einzige gelbe Karte des Spiels; Fraisl rückt weit über die Mittellinie auf und tritt sogar einen Freistoß, aber sein Gegenüber Kolke kann den verlängerten Ball klären.
Im Gegenzug versaut Joker Fröling den Schalker Nachmittag dann vollends und trifft mit der letzten Aktion zum 3:4-Endstand (90+5.). Ein letzter Konter der Kogge – und der Ball liegt im Netz.
Was nun?!
Die Hansafans und -spieler feiern die drei Auswärtspunkte, als hätten sie gerade die Championsleague gewonnen, die Schalker Spieler sinken frustriert auf den Boden, den Fans ist zum Heulen zumute, viele verlassen fluchtartig die Arena. Wie kann man gegen einen Aufsteiger zuhause vier Tore kassieren? Sich so erbärmlich auskontern lassen? Warum hatte man das Gefühl, dass erst zum Schluss des Spiels volle Kraft voraus gegangen wurde?Hat Grammozis die Mannschaft richtig eingestellt? Und natürlich: Hat Schalke damit einen oder den entscheidenden Rückschlag im Aufstiegskampf erlitten?
Fakt ist: Schalke rutscht mit unverändert 41 Punkten auf Rang 6 ab; die Tabellenspitze ist mit 47 Punkten (bei einem wahrscheinlichen Sieg von Bremen im Sonntagsheimspiel gegen Dresden sogar 48 Punkten) erst einmal enteilt und das Restprogramm nicht einfach. Gelingt es Schalke, ab dem nächsten Heimspieltag hoffentlich wieder vor vollem Haus, noch einmal den Anschluss nach ganz oben zu finden?
Dieser Versuch findet jedenfalls OHNE Dimitrios Grammozis, Sven Piepenbrock und Will Coort statt, denn Schalke hat mit einer sofortigen Freistellung reagiert, weil man überzeugt sei, „dass das Team im Saisonfinale einen neuen Impuls benötige“ und „es der Mannschaft seit Jahresbeginn an der notwendigen Konstanz, sowohl was Resultat, aber insbesondere auch die zentralen Leistungsparameter betrifft, mangele“. Man darf gespannt sein, wem Knäbel und Schröder diese Aufgabe zutrauen.