Schalke – Regensburg 2:0: Fans „tragen“ Schalke zum erlösenden Heimsieg im Kellerduell
10. November 2024Der FC Schalke 04 gewinnt das Nervenspiel um bzw. gegen die rote Laterne verdient mit 2:0 (1:0) gegen Jahn Regensburg und kann sich dabei trotz zahlreicher Enttäuschungen in den letzten Spielen auf 90 Minuten lautstarken Dauersupport der königsblauen Fans verlassen. Susanne Hein-Reipen berichtet…
Die Nerven liegen vor der Partie blank auf dem Berger Feld: Direkter Abstiegsplatz, ein mageres Pünktchen steht aus den vier Spielen unter Kees van Wonderen auf der Habenseite, in Ulm hatten die mitgereisten Fans nicht einmal mehr Pfiffe für die Darbietung über. Dementsprechend zahlreich waren die Bitten um Support; auch Torwartlegende Norbert Nigbur betonte vor dem Spiel noch einmal die Wichtigkeit der Unterstützung: „Hinterher kann man pfeifen, aber niemals während des Spiels!“
Schalker Weltuntergang?
Die Arena ist trotzdem mit 60.755 Zuschauern nahezu ausverkauft; die Fans schwanken zwischen Zweckoptimismus („Wenn sie heute nicht gewinnen, wann dann?“) und Weltuntergangsszenarien, während die nach zwei Siegen mit breiter Brust angereisten Regensburger bei der Platzbegehung die Arena bestaunen. Im Fanspiel schnappt „Blau-Weiß Hönnetal“ dem „Blau-Weißen Mythos Meschede e. V.“ mit 4:3 den begehrten Bierkasten weg.
Das „Minimatch“ endet mit 4:0 für die kleinen Schalkerinnen der U 11, deren Torjägerin Nele hinterher trocken feststellt, dass Jungs manchmal über fußballspielende Mädchen lästern, aber „dann besiegen wir sie halt und dann sind sie ruhig“. Kritikern mit Siegen den Mund stopfen ist eine prima Idee!
Die Legende lebt
Nach der Werbung für die zahlreichen in der Arena angesetzten Konzerte kommen beide Torhüterteams zum Warmmachen aufs Feld und werden vom jeweiligen Anhang freundlich begrüßt, ebenso die Mannschaften, wobei dem einen oder anderen Schalker die Erleichterung durchaus anzusehen ist.
Dann entrollen die Ultras Gelsenkirchen ein großes schwarzes Banner mit der Aufschrift „Ultras für immer – Ruhe in Frieden Hetzel“ für den überraschend im Alter von nur 41 Jahren verstorbenen Vorsänger der Nürnberger Nordkurve, dazu wird unter großer Beteiligung die Club-Hymne „Die Legende lebt“ gesungen. RIP Stefan!
Die obligatorische Statistik ist kurz – in der Liga haben beide Vereine jeweils ein Heimspiel gewonnen -, anschließend folgen die Aufstellung der Gäste und das Steigerlied. Die Schalker Startelf besteht aus Heekeren, Murkin, Kaminski, Schallenberg, Bulut, Grüger, Seguin, Mohr, Younes , Sylla und Karaman, Abwehrchef Kalas muss mit Knieproblemen passen. Immerhin: Die Stadionregie schafft es dieses Mal, auch Kees van Wonderen auf den Würfel zu beamen.
Das Vereinslied „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“ darf natürlich auch nicht fehlen, dann kommen beide Mannschaften auf das Feld und der mit 1.420 offiziellen Gästen besetzte Gästeblock verschwindet hinter einem Banner „Forza Ratisbona“ in einer großen roten Wolke.
Karaman zur umjubelten Führung
Schalke bemüht sich sichtlich, vom Anpfiff weg die Spielkontrolle zu übernehmen, lautstark angefeuert mit „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und „Für deine Farben leben und sterben wir“. Heraus springen in der ersten Viertelstunde des Spiels über 80 % Ballbesitz und zwei erste Vorstöße durch Mohr (4.) und Sylla (7.), die Gäste werden durch Ganaus (14.) einmal in Strafraumnähe gesehen.
Die Nordkurve stört sich nicht am etwas zähen Beginn – mit einem spielerischen Feuerwerk hat bei der Konstellation 17. gegen 18. ohnehin niemand gerechnet – und schreit die Mannschaft mit „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“, „Auf geht’s Blau-weiß, holt Euch den Sieg für uns“ und einer Attacke weiter nach vorne. Und siehe da: Mohr wird auf der linken Seite schön freigespielt und spielt flach in die Mitte, dort lässt Karaman Bulic keine Chance und trifft aus der Drehung hinaus via Innenpfosten zum 1:0 (16.). Ein Leben laaaaaaang…
Die Führung verleiht Spielern wie Kurve weiteren Schwung; Heekeren fängt sicher zwei Ecken der Gäste ab, untermalt von „Geh‘n mit dir auf jede Reise“, der Wechselgesang Schalke! – Nullvier! und „Wir komm‘n vom Berger Feld“. Nach 35 Minuten bietet sich Sylla nach schöner Vorarbeit von Karaman die große Chance auf das 2:0, frei vor Gebhardt im Regensburger Tor bleibt dieser jedoch Sieger im Eins-gegen-eins. Der Gästeblock hat unterdessen eingesehen, dass er akustisch heute keine Chance hat und verlegt sich erneut auf rote Bengalos, wie immer ermahnt vom „Sicherheitssprecher“.
Heekeren, der insgesamt einen ruhigen Nachmittag verlebt, klärt eine Flanke von Hein (38.); sein Rivale Hoffmann sitzt derweil mit langer Miene auf der Bank. Ein Aufsetzer von Grüger verfehlt das Jahn-Tor (40.). Mohr sieht Gelb für ein Foul an Pröger (41.), dann geht es mit einer Minute Nachspielzeit und der 1:0-Führung in die Pause.
Das Prinzip Hoffnung
Vereinzelt erklingt Applaus; viele Fans trauen dem Braten in Gedenken an das Spiel gegen Darmstadt aber noch nicht so recht. Einigkeit besteht jedoch darin, dass die Führung verdient ist und hoffentlich nicht wieder hergeschenkt wird.
Die Fanbox schwebt altersmäßig zwischen Kindergarten und Unterstufe, dann plaudert Thomas „Kirsche“ Kirschner für die Abteilung Fanbelange über die noch bis Montagnachmittag laufende Versteigerung der matchworn Krebshilfe-Sondertrikots vom letzten Heimspiel, Knappenkids-Aktionen „Besuch im Trainingsbergwerk“ und „Auswärtsfahrt nach Paderborn“ und die anstehende Mitgliederversammlung: Für die Planung des Vereins bittet er, sich online anzumelden; aber auch am Tag selber ist der Zutritt mit Mitgliedsausweis und Lichtbildausweis möglich.
Sylla trifft zum 2:0
Beide Mannschaften kommen ohne personelle Veränderungen wieder auf den Rasen, die Nordkurve schickt einen „Schalke und der FCN“-Gruß nach Nürnberg und übt sich dann in einem kleinen Pogo zu „Stadion geh’n, im Pappbecher Bier…“. Pröger sieht Gelb für ein Foul an Murkin, den fälligen Freistoß von Seguin kann Gebhardt abwehren; über Grüger landet der Ball erneut im Strafraum, doch der Regensburger Keeper kann den Kopfball von Schallenberg mit einer tollen Parade zur Ecke klären (52.).
Nach der Ecke herrscht dann allgemeines Getümmel im Strafraum, Mohr bugsiert den Ball erneut in die Mitte, wo er leicht abgefälscht kurz vor der Torlinie vor Sylla landet. Der fackelt nicht lange und schiebt zum 2:0 ein – deutlich länger fackelt zum Ärger der Schalker, die „Ihr macht unsren Sport kaputt!“ anstimmen, der VAR, doch letztlich zählt der Treffer (53.)!
Die Nordkurve freut sich über den Treffer und beschwört „Schalke nur du alleine bist meine Liebe“ und „Schalke, ich bin für dich geboren“; ein platzierter Volley von Younes verfehlt das Tor nur knapp direkt abnimmt. Aus elf Metern zischt die Kugel Zentimeter am Winkel vorbei (62.). Ganaus sieht Gelb für eine herzhafte Grätsche gegen Kaminski (66.), dann greift Interimscoach Patz zu einem Dreifachwechsel: Ochojski, Ouro-Tagba und Kother ersetzen Ernst, Hottmann und Ganaus.
Schalke schaukelt den Sieg nach Hause
In der 71. Minute greift dann auch van Wonderen zum ersten Wechsel, Bachmann kommt für Younes. Kurz darauf stürmt Karaman in den Strafraum und kommt gegen den herauseilenden Gebhardt zu Fall – Schiri Schwengers zeigt sofort auf den Punkt, lässt sich aber vom VAR wohl zu Recht belehren, dass es nicht für einen Foulelfmeter reicht. Dem königsblauen Publikum gefällt das nicht, es gibt ein gellendes Pfeifkonzert (78.).
Die Szene ist jedoch zum Glück nicht spielentscheidend. Einige Wechsel – Donkor für Mohr, Huth für Pröger und Antwi-Adjej für Sylla – nehmen zusätzlich Zeit von der Uhr. Auch die fünfminütige Nachspielzeit erbringt außer einem Kurzeinsatz von Tempelmann für Seguin und einer gelben Karte für Bulic keinen nennenswerten Aktionen mehr, es bleibt beim 2:0.
Schalke verschafft sich etwas Luft und vermeidet die Vollkatastrophe
Durch die verdienten drei Punkte klettert Schalke mit nunmehr 12 Punkten auf Rang 14 und vermeidet die drohende Katastrophe, als Tabellenletzter in Länderspielpause und Mitgliederversammlung zu gehen, was den Fackel-und-Mistgabel-Geschäften rund um Gelsenkirchen vermutlich Rekordabsätze beschert hätte. Regensburg bleibt mit 7 Zählern alleiniger Tabellenletzter.
Dementsprechend groß ist die Erleichterung bei Spielern und Fans gleichermaßen und so wird die Mannschaft mit hörbarem Applaus, „Schalke!!!“-Sprechchören und „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen“ von der Kurve empfangen. Zu „Zeig mir den Platz in der Kurve“ geht es dann auf die Runde entlang der halbleeren Sitztribünen.
Auch van Wonderen stellt erleichtert fest: „Für mich ist der Sieg der erste Schritt. Wir müssen jetzt weitermachen. Ich bin froh, dass wir die Arbeit, die wir seit Wochen machen, in ein gutes Ergebnis umgewandelt haben. Das war für die Spieler, den Staff und unsere Fans wichtig. Das gibt den Rückenwind, den wir brauchen.“
Kapitän Karaman sprich gar von „souverän gemeistert“, hier sollte er allerdings die Kirche im Dorf lassen, da Regensburg genau der richtige Gegner zur richtigen Zeit war. Positiv ist aber festzuhalten, dass sogar ohne Kalas zum zweiten Mal die Null stand und die Defensive deutlich an Kompaktheit gewonnen hat. Nach der Länderspielpause wartet mit dem HSV ein echter Prüfstein…