Schalke – Leipzig 0:5: Einzigartige Reaktion der Nordkurve auf die höchste Heimniederlage seit fast 40 Jahren
23. Februar 2020Schalke 04 geht im Topspiel gegen RB Leipzig in der heimischen Arena auch in dieser Höhe verdient mit 0:5 (0:1) unter und lässt dabei fast alles vermissen, was die Mannschaft noch in der Hinrunde ausgezeichnet hatte. Und was macht die Nordkurve? Statt Pfiffen und Beschimpfungen gibt’s nach dem 0:4 Treueschwüre in Dauerschleife – und nach dem Schlusspfiff minutenlange Aufmunterungen. Susanne Hein-Reipen über einen speziellen Gänsehautmoment…
Vor dem Spiel herrscht nur verhaltener Optimismus: Die letzten Schalker Auftritte waren vor allem offensiv mau; Leipzig hat da deutlich besser geliefert. Mut machen die avisierte Rückkehr von Suat Serdar und die Erinnerungen an das Hinspiel, als Schalke ebenso souverän wie unerwartet 3:1 beim bis dato ungeschlagenen Tabellenführer gewann.
Gegründet von Kumpeln und Malochern
Im Vorprogramm erweist sich neben den üblichen Spielchen Erwin trotz der überdimensionalen Plüsch-Hände als erstaunlich guter Jongleur, dann stattet das amtierende Gelsenkirchener Stadtprinzenpaar der Arena einen Besuch ab. Prinz Martin I. weist den Verdacht, sein prächtiges Outfit könne blau und gelb sein, empört zurück: Gelb ist in Gelsenkirchen mal gar nix, gold ist angesagt. Als Inhaber einer Dauerkarte in Block 19 weiß die Tollität, was sich gehört…
Ein Einspielfilm auf dem Würfel portraitiert Heinz und Mohammed, der die Schalker immer wieder mit unglaublichen Bier-Balancierfähigkeiten verblüfft. Nicht ganz so virtuos, aber mit Feuereifer dabei sind auch die aufgeregten Minis aus der Schalker Fußballschule.
Über der Nordkurve prangt das Banner „Gegründet von Kumpeln und Malochern“, das jede Begegnung zwischen Schalke und RB begleitet, seitdem die Vereinsführung des „Brauseclubs“ unkluger Weise erkennen ließ, dass sie das Transparent als Provokation empfindet. Wir sind nun einmal stolz auf unsere Tradition…!
Mit Serdar, McKennie und Matondo
Die Schalker Aufstellung wird erleichtert zur Kenntnis genommen: Die zuletzt angeschlagenen Suat Serdar, Weston McKennie und Ozan Kabak stehen alle in der Startelf, dazu ersetzt Rabbi Matondo den letzten Begegnungen glücklosen Gregoritsch. Nübel, Nastasic, Mascarell, Kabak, Oczipka, Kenny, Serdar, Mc Kennie, Harit, Matondo und Raman beginnen somit für Königsblau.
Die Nordkurve macht sich schon einmal mit „H*rensöhne RB“ warm, auch wenn die Stadionregie diese „Nettigkeiten“ mit Sascha Riethers Appell gegen Wurfgegenstände und „Wir sind das Ruhrgebiet“ übertönen möchte. Geburtstagsgrüße gehen an Eisschnellläuferin Claudia Pechstein und „Kampfschwein“ Marc Wilmots.
Love Schalke, hate Racism
Beim Verlesen der Mannschaftsaufstellung der Gäste ist unüberhörbar, dass Schalker bestimmte Unsportlichkeiten weder vergessen noch verzeihen: Beim Timo „die Schwalbe“ Werner steigt der Geräuschpegel sprunghaft an. Und es bleibt laut, denn das Steigerlied in der abgedunkelten Arena sorgt auch bei der x.-ten Auflage für Gänsehaut, dann folgt das Vereinslied.
Sehr gut an kommt auch ein großes „Love Schalke hate Racism“ im Oberrang vor Block 44. Auch die Mannschaften stellen sich für eine Gedenkminute an die Opfer des Anschlags von Hanau am Mittelkreis auf.
Denkbar schlechter Beginn
Dann ist Anpfiff – und bevor alle Schalker gemerkt haben, dass das Spiel läuft, liegt der Ball bereits hinter Alexander Nübel im Netz. Nach Vorarbeit von Werner hat der Noch-Schalke-Torhüter einen Weitschuss von Sabitzer unterschätzt, das 0:1 nach nicht einmal 60 Sekunden, sch…ade.
Die Nordkurve schüttelt sich einmal kurz und versucht, die konsternierte Mannschaft mit „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“, „Schalke, ich bin für dich geboren“ und „Auf geht‘s Schalke schieß‘ ein Tor“ wieder nach vorne zu treiben. Doch Leipzig bleibt am Drücker – und Nübel bleibt ein Unsicherheitsfaktor, der in der 10. Minute Glück hat, dass Nastasic nach einem durchgeflutschten Eckball rettet.
Danach können die Hausherren, angefeuert von den Ruhrpottkanaken und der Attacke, das Spiel etwas ausgeglichener gestalten, tun sich jedoch offensiv schwer.
Die Schalkefans und Timo Werner werden keine Freunde mehr
Bei jeder Ballberührung von Timo Werner klingen Pfiffe auf. Als er in der 25. Minute vor der Nordkurve eine Ecke treten möchte, sind die Schmähgesänge so laut, dass er Reißaus nimmt, obwohl er sich den Ball schon zurechtgelegt hatte.
Ebenfalls nur noch wenig Gnade findet Nübel, der unter einer weiteren Ecke durchtaucht. Große Klappe und Bayern-Wechsel, da werden solche Fehler ungern verziehen, es setzt Pfiffe aus den eigenen Reihen.
„Auf geht‘s Schalke, kämpfen und siegen“ bleibt ein frommer Wunsch, dazu sitzen die Laufwege bei RB einfach zu gut. Vor allem Werner und Sabitzer beschwören mehrfach Gefahr für das Schalker Tor herauf, die wenigen Gegenstöße über Raman und Harit verpuffen schnell. Matondo sieht keine Schnitte.
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