Schalke – Gladbach 2:2: Führung, Rückstand, Last-Minute-Ausgleich – dramatisches Spiel schweißt Schalke noch enger zusammen
14. August 2022Das erste Heimspiel nach dem Bundesliga-Wiederaufstieg beschert dem FC Schalke 04 durch einen späten Handelfmeter von Marius Bülter einen hochverdienten Punkt gegen Borussia Mönchengladbach. Nach dem Spiel feiern Fans und Mannschaft gemeinsam das Happy-End und schwören sich auf die kommende schwere Saison ein. Susanne Hein-Reipen berichtet…
Schalke gegen Gladbach – der Westklassiker ist das Topspiel des zweiten Spieltags. Trotz der abendlichen Anstoßzeit herrscht auf dem Berger Feld noch brütende Hitze, die gemischt mit zwei, drei oder vier Bierchen einige Schalker bereits vor dem Anpfiff aus den Latschen haut. Aber man muss ja schließlich das erste vollbesetzte Erstligaspiel seit über zwei Jahren und den 21. Geburtstag unserer Veltins-Arena feiern!
Wir bleiben in der ersten Liga, weil Ihr erstklassig seid!
Hitze hin, Hitze her, die Parkstadion-Schals der Ultras Gelsenkirchen und die „Hundertmal schon totgesagt, und dann stehst Du wieder auf“-Shirts der Hugos finden reißenden Absatz; auch die Fanshops sind gut gefüllt. Neuer Ausrüster und neuer Trikotsponsor sorgen für prima Umsätze.
Neben den Sponsoren werden auf den LED-Banden auch die Fans begrüßt: „Wir bleiben in der ersten Liga, weil Ihr erstklassig seid“ kommt gut an. Begeistert begrüßt wird auch Rodrigo Zalazar, als er als Erster zur Platzbegehung auf das Feld kommt.
Quatscher Dirk Oberschulte-Beckmann wird künftig von Jörg Seveneick, bestens bekannt (nicht nur) von Schalke tv, unterstützt. Die heutige Begegnung ist das genau 1.800. Erstligaspiel der Knappen.
Beim Veltins-Fanspiel fegt „Blau seit 1904“ das „SchalkeGEsindel auf Achse e. V.“ vom Platz, dann kommen die Torhüter zum Warmmachen auf das Feld. Am 9.9. können alle interessierten Schalker in der Arena die Premiere der großen königsblauen Doku „Zurück zum Wir“ miterleben.
Hundertmal schon totgesagt, und dann stehst Du wieder auf
Mit den Kickern der Fohlen läuft auch der königsblaue Aufstiegsheld Ko Itakura in die Arena ein und applaudiert dem Gladbacher Block, schaut dabei aber sehnsüchtig Richtung Nordkurve… Das Schalker Team wird mit lautem Applaus und „FC Schalke immer voran!“ begrüßt.
Die Gästeaufstellung wird wie immer wenig charmant überschrien, nur Itakura bekommt Applaus. Die Arena ist mit 62.271 Zuschauern, darunter knapp 6.000 vom Niederrhein und Schalker Helden wie „Schlippinho“ bis auf den letzten Platz gefüllt.
Steiger- und Vereinslied werden lautstark rausgebrüllt, dann hüllt sich die Nordkurve in ein wogendes Fahnenmeer, aus dessen Mitte ein gigantisches Schalke-Logo hochgezogen wird. Das Banner dazu lautet „Hundertmal schon totgesagt, und dann stehst Du wieder auf“– diese Textzeile aus „Blau-Weiß, das sind die Farben von ganz oben“ des bekennenden Schalkers Ibo hat sich wieder einmal eindrucksvoll bewahrheitet. Nach dem desaströsen Abstieg und der noch desaströseren finanziellen Situation wurden bereits allseits Grabreden auf den FC Schalke gehalten, aber wir sind wieder da!!!
Rodrigo heiß wie Frittenfett
Als Startelf schickt Chefcoach Frank Kramer Schwolow, Ouwejan, Thiaw, Yoshida, Brunner, Kral, Krauß, Mohr, Zalazar, Bülter und Terodde ins Rennen – und die erwischen, angefeuert von „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ einen guten Start. Gladbach hat zwar mehr Ballbesitz, aber die ersten Abschlüsse liegen auf Schalker Seite, auch wenn Mohr (4.), Bülter (7.), Zalazar (9.) und erneut Bülter (15.) noch nicht ins Schwarze treffen.
Der schwungvolle Beginn gefällt der Nordkurve natürlich und so wird unermüdlich mit dem Schalke-Nullvier-Wechselgesang, „Auf geht‘s Schalke schieß‘ ein Tor“ und „Schalke, ich bin für Dich geboren“ supportet. Aus dem gutgefüllten Gästeblock kommt ein langgezogenes Mööönchengladbach zurück. Im I-Block taucht ein Banner „Polizei RE und DO: Mörder ermitteln gegen Mörder“ auf.
Nach einem ersten Abschluss von Thuram knapp neben das Schalker Tor (22.) geht es mit „Schalke nur Du alleine“ in die erste Trinkpause – und anscheinend war in Zalazars Trinkflasche ein Schlückchen Zaubertrank, denn keine fünf Minuten später nimmt die königsblaue Nummer 10 nach einem Zuspiel von Mohr gute 25 Meter vor dem Tor kurz Maß und haut den Ball millimetergenau zwischen Keeper Sommer und den Pfosten zum 1:0 ins linke untere Toreck. Bämm!RODRIGOOOOOOOOL hat wieder zugeschlagen.
Es regnet gelbe Karten
Die Führung beflügelt die ohnehin exzellente Stimmung weiter und die Nordkurve stimmt „Wir lieben alle nur den FC Schalke, unsern Kumpel- und Malocherclub“ an. Auf dem Rasen wird weiterhin um jeden Zentimeter gekämpft, was Krauß (Foul an Elvedi, 35.), Ouwejan (reißt Hofmann um, 41.) und Ouwejan (Klammern gegen Plea, 45.) in kurzer Folge jeweils eine gelbe Karte einträgt. Die Fans arbeiten sich derweil an „Von der Elbe bis zur Isar, immer wieder S 04“ ab.
Bei den Gästen trägt sich Koné in der zweiminütigen Nachspielzeit mit einem Foul an Bülter in die Liste der Gelbsünder ein. Den fälligen Freistoß übernimmt Zalazar mit einem raffinierten flachen Direktschuss, aber der wandelnde Textmarker Sommer ist gerade noch rechtzeitig unten.
Danach geht es mit viel Applaus in die Kabinen. Auch in der Fanbox und beim Talk mit Thomas Kirschner für die Abteilung Fanbelange ist prima Stimmung, während die Getränkestände heiß umkämpft sind.
Mohr schockt Schalke
Beide Mannschaften kommen personell unverändert wieder auf das Feld. Die Nordkurve schickt unüberhörbare Grüße nach Enschede und Nürnberg und startet über „Geh‘n mit dir auf jede Reise“ in eine lange Schleife von „suuuuper FC Schalke“.
Die Partie wird von beiden Mannschaften mit viel Einsatz geführt. Bülter (46.), Thuram (47.) und Plea (49.) starten die ersten Vorstöße. Ein weiterer wuchtiger Fernschuss von Zalazar zischt über Sommers Kasten (51.). Itakura beweist einmal mehr, dass er ein toller Abwehrspieler ist und klärt mehrfach gegen Bülter und Terodde, mit denen er sich im übrigen durchaus freundliche Gespräche zu liefern scheint.
Während die Stadt in Blau und in Weiß erstrahlt, bekommt auch Kral seine erste gelbe Karte verpasst, weil er bei einem Gladbacher Freistoß stört (57.). Danach darf Jordan Larsson sein Debüt im königsblauen Dress feiern, er ersetzt Mohr. Kurz darauf kommen Polter für Terodde, bei dem es nach seiner Verletzung noch nicht wieder für die volle Distanz reicht, und Mollet für Zalazar, bevor er weiter Schiri Jablonski angiften kann. Mit „Für Deine Farben leben und sterben wir“ und den asozialen Schalkern geht es in eine weitere Trinkpause.
In der 71. Minute hat Larsson nach einer schönen Kopfballvorlage von Bülter mitten im Strafraum eine perfekte Schussposition, aber sein Volleyschuss geht über die Latte. Schade, das wäre ein traumhafter Einstand gewesen! Stattdessen die eiskalte Dusche auf der Gegenseite, wo Hofmann nach einem Hackentrick von Thuram aus dem Nichts zum 1:1 in die linke Ecke trifft (72.).
Turbulente Schlussphase
Die Nordkurve schüttelt sich einmal kurz und fordert dann sofort „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und „Wir kommen aus Gelsenkirchen“. Leider gibt der Ausgleich den Fohlen jedoch deutlichen Auftrieb und Schwolow muss zweimal gegen Bensebaini sein ganzes Können zeigen.
In der nächsten Szene macht der bis dahin tadellose Torhüter dann keine glückliche Figur: Bei einer Bogenlampe stehen er und Kral sich gegenseitig im Weg, so dass Thuram mühelos zum 1:2 abstauben kann (78.). Sch…ade!!!
Nun hat die Gästekurve natürlich Spaß, die Schalker sind frustriert, dass ein über weite Strecken klasse Spiel nun ohne Punkte enden soll. Sommer hat nun natürlich viiiiel Zeit beim Abstoß und erntet ein gellendes Pfeifkonzert. Mehrere Wechsel auf beiden Seiten (Latza für Kral, Herrmann für Hofmann und Friedrich für Koné) nehmen weitere wertvolle Sekunden von der Uhr.
Drei Minuten Nachspielzeit gibt es obendrauf – und da meldet sich nach einem Ouwejan-Freistoß der VAR, was natürlich sofort für lautstarke Beschimpfungen des DFB sorgt. Aber, oh Wunder, diesmal stand nicht Yoshida im Weg, sondern Herrmann hatte den Ball im Getümmel im Strafraum mit der Hand abgeräumt. Der Sünder sieht gelb und Bülter legt sich den Ball zurecht, da die beiden etatmäßigen Schützen Terodde und Zalazar schon ausgewechselt wurden. Die Nummer 11 behält die Nerven und verwandelt zum hochverdienten 2:2-Endstand (90+3.), die Arena explodiert.
Wertvoller Punkt, noch wertvollerer Zusammenhalt – „die Fans sind einfach nur geil“
Der Jubel kennt kaum Grenzen, nach einer kurzen und emotionalen Ansprache von Kramer wandert die Mannschaft zur Kurve, die glückselig „Blau und Weiß ein Leben laaaaang“ und den Mythos vom Schalker Markt performt. Doch es bleibt nicht beim gegenseitigen Applaus, alle Spieler werden unmittelbar an der Bande abgefeiert, dann wird gemeinsam „Wir lieben alle nur den FC Schalke“ und „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen“ angestimmt. Dieser Zusammenhalt wird in der kommenden Saison sicher noch sehr wichtig werden!
Während die Mannschaft zu den Klängen von „Zeig mir den Platz in der Kurve“ die Stadionrunde dreht, zeigt sich Frank Kramer in der Pressekonferenz mächtig begeistert: „Die Fans sind einfach nur geil. Wie sie uns nach vorne gepeitscht haben, wie sie hinter uns stehen – das ist einmalig. Diese Wucht ist das, was wir brauchen. Da entsteht unheimlich viel Kraft.“ Auch sein Gegenüber Daniel Farke gibt zu „Dieses Spiel war der beste Beweis dafür, dass der FC Schalke 04 in die Bundesliga gehört. Es hat eine außergewöhnliche Atmosphäre in der VELTINS-Arena geherrscht.“
In dieselbe Kerbe schlagen auch Bülter – „Die Fans haben uns extrem gepusht. Das gibt uns auf dem Platz sehr viel.“ – und Terodde: „Die Szenen nach dem Spiel waren wieder unglaublich. Gänsehaut pur, was unsere Fans uns wieder gegeben haben. Nicht nur nach dem Abpfiff, sondern auch während der 90 Minuten.“
In diesem Sinne: Weiter geht’s, liebe Schalker!