Schalke – Fürth 2:2: Sekundenschlaf von Mohr kostet den Dreier bei couragiertem Auftritt
16. Dezember 2023Der FC Schalke 04 trennt sich im letzten Spiel des Jahres mit 2:2 (1:0) von Greuther Fürth. Die königsblauen Fans in der Veltins-Arena schwanken zwischen Freude über das engagierte Spiel ihrer Mannschaft und Frust über den Bock von Tobias Mohr, der zum Ausgleich führt. Susanne Hein-Reipen berichtet…
Wenn es eine Steigerung von „Verkehrsproblemen im Ruhrpott“ gäbe, würde sie „Vollsperrung der A 42 im Freitags-Feierabendverkehr mit Weihnachtsgeschäft im Centro und Heimspielen von Schalke und RWE“ lauten, aber die meisten Schalker beherzigen die Ratschläge zu einer frühzeitigen Anreise, so dass die Arena letztlich mit 60.166 Fans, darunter ungefähr 900 Gäste, gut gefüllt ist.
Hoffnung auf einen guten Jahresabschluss
An den Aufgängen können noch Nordkurvenkalender erworben werden, die UGE verkauft Restbestände der Ruhrpott-Mützen von der Choreo in Rostock und hinter Block O erbleicht ein Schalker, als man ihm eine vegane Currywurst verkaufen möchte.
Beim Fanspiel schlagen die „Cux-Knappen“ die „Hanseaten 04“ mit 4:2; auf dem Videowürfel wird eine Mitgliedschaft als DIE Geschenkidee zu Weihnachten beworben (muss bis zum 20.12., 12 Uhr bei Schalke eingegangen sein, dann klappt’s noch rechtzeitig). Außerdem wird im Vorprogramm über die Knappenschmiede, die jüngsten Aktionen der Gerald-Asamoah Stiftung mit Schalke hilft! in Ghana und die ebenso überschaubare wie ausgeglichene Heimstatistik (1 S/1 U/1 N) gegen die Kleeblätter geplaudert. Fun Fact: Bei der Niederlage hieß der Fürther Trainer Mike Büskens, Gerald Asamoah stand als Spieler auf dem Platz.
Die erste Ansage der Nordkurve lautet „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“, nach zwei Siegen in Folge hoffen alle auf einen guten Jahresabschluss.
Kein Boykott, sondern volle Kapelle
Die Aufstellung der Gäste ist schnell erledigt, dann ist wieder Gänsehaut angesagt: Licht aus, Steigerlied! Und zwar mit voller Kapelle und voller Inbrunst, denn die Schalker Fanszene beteiligt sich nicht an dem Stimmungsboykott als Protest gegen den Investorenbeschluss der DFL. Die Fürther Szene hingegen lässt zunächst den vorderen Teil des Blocks leer.
Danach folgt die Aufstellung; Karel Geraerts setzt als Startelf auf Fährmann, Brunner, Kalas, Kaminski, Murkin, Seguin, Idrizi, Mohr, Karaman, Terodde und Topp. Das Timing passt heute exzellent, so dass die Mannschaften tatsächlich zu den Klängen des Vereinslieds „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“ auf den Rasen kommen.
Auf höfliches Vorgeplänkel wird sowohl auf den Rängen als auch auf dem Rasen verzichtet; die Nordkurve steigt sofort lautstark mit „Vorwärts Schalke kämpfen und siegen“ und „Auf geht‘s Schalke schieß‘ ein Tor“ ein und Mohr schickt bereits nach 25 Sekunden einen Warnschuss Richtung Fürther Kasten (1.). Eine weitere Minute später liegt der Ball hinter Fährmann im Netz, aber Sieb stand bei seinem Treffer im Abseits (2.). Topp verpasst ein Zuspiel von Terodde (3.).
Schalke bleibt im Vorwärtsgang; eine erste Ecke (6.) und ein Abschluss von Topp (7.) treffen aber noch nicht ins Schwarze. Nun kommt auch die Fürther Szene in den Gästeblock und entrollt schweigend große Banner mit der Aufschrift „Wir werden kein Teil Eures Deals sein/Nein zu Investoren in der DFL“.
Topp ist topp
Fährmann lenkt einen Kopfball von Michalski über die Latte (9.). Das Schalker Publikum ist mehrheitlich von dem sehr konzentrierten Beginn angetan und „steht auf, weil wir Schalker sind“.
Weiter geht es mit einem Volley von Mohr (15.) und „Für deine Farben leben und sterben wir“ und „Auf geht‘s Blau-Weiß, holt euch den Sieg für uns“. Seguin sieht die erste Gelbe des Spiels für eine Grätsche gegen Haddadi (18.). Topp versucht sich an einem schönen Hackentrick, überrascht damit aber nicht nur die Fürther, sondern auch seinen Kumpel Karaman (23.).
Zum Wechselgesang Schalke! – Nullvier! und „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n“ taucht Fährmann einmal ab, um einen Distanzschlenzer von Green zu klären (27.), dann kommt Topp! Seguin lenkt den Ball zu Idrizi, der den Turbo einschaltet und einen wunderschönen langen Ball genau in den Lauf von Topp schickt, der eiskalt mit links zur 1:0-Führung einschiebt. Der Jubel über das erste Bundesligator des 19jährigen ist bei Mannschaft wie Fans riesig.
Terodde versemmelt
Idrizi und Murkin sehen kurz hintereinander beide Gelb; Topp bekommt verschiedentlich Szenenapplaus. In der Nordkurve erklingen „Eine Stadt erstrahlt in Blau“ und „Schalke, ich bin für dich geboren“.
Kurz darauf erstickt ein weiterer Jubelschrei auf den Lippen: Topp steckt für Karaman durch, dieser serviert das Leder quasi auf dem Silbertablett dem am Elfmeterpunkt völlig freistehenden Terodde – und der jagt ihn über die Latte statt darunter (43.)… Schade!
Fürth-Keeper Urbig pariert noch einmal gegen Mohr (45.), dann geht es mit drei Minuten Nachspielzeit, 1:0-Pausenführung und Applaus in die Kabinen. Die Pause wird wie immer mit Fanbox, Fanbelange und Werbung überbrückt, an den Getränkeständen herrscht Einigkeit, dass bislang außer der vergebenen Großchance wenig zu Meckern ist.
Schneller Ausgleich
Beide Mannschaften kommen zunächst personell unverändert wieder auf den Platz; die an dieser Stelle obligatorischen Grüße „Schaaaalke und der FCN“ fallen heute noch einen Tacken lauter aus als sonst, da die Rivalität der Freunde aus Franken gegen die „Westvorstadt“ natürlich bekannt ist.
Weiter geht es mit „Auf geht’s Schalke schieß ein Tor“, Attacke und „Wir komm‘n vom Berger Feld“; auf dem Rasen sieht Sieb Gelb für ein Foul gegen Mohr (47.) und der nach seinem Fehlschuss doppelt motivierte Terodde bugsiert den folgenden Freistoß von Mohr ins Tor, steht dabei aber leider hauchzart im Abseits (49.).
Ebenfalls abseitsverdächtig riecht der Gegenstoß der Fürther, bei dem Hrgota im zweiten Anlauf an Fährmann vorbei das 1:1 erzielt (50.). Der VAR prüft die Szene kurz, lässt den Treffer aber zum Ärger der Schalker Fans als angeblich regelgerecht stehen.
Erneute Führung durch Karaman
Das Publikum reagiert mit sofortigem „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“, Karaman ackert unermüdlich nach vorne. Topp trägt bei einem Zweikampf leichte Blessuren davon und wird unter lautem Applaus durch Tempelmann ersetzt (61.). Auf der Gegenseite ersetzt der Ex-Schalker Calhanoglu Haddadi.
Das Spiel ist nun relativ ausgeglichen. Die Nordkurve supportet mit „Geh‘n mit dir auf jede Reise“, der Gästeblock ist so leise, dass sich die Schalker fragen, ob immer noch boykottiert wird. Karel Geraerts schickt „Matriciani Fuß-ball-gott“ für Brunner auf die rechte Abwehrseite (71.) – und Karaman belohnt sich für seine Mühen und versenkt eine schöne Flanke von Murkin aus gut 10 Metern Entfernung perfekt in der linken unteren Ecke (74.). Jawoll!
Ausgleich und Gelb-Rot für Murkin lassen Schalke noch mal zittern
Kleeblatt-Coach Zorniger reagiert umgehend mit einem Doppelwechsel, Srbeny und Consbruch ersetzen Sieb und Wagner. Der erneute Ausgleich ist jedoch nicht auf die beiden Joker zurückzuführen, sondern einer Schnarchphase von Mohr geschuldet, der einen eigentlich von Fährmann geklärten Ball Asta überlässt, statt ihn ins Nirwana zu dreschen. Dieser bedankt sich mit dem 2:2 (77.).
Die Nordkurve versucht, mit „Steht auf“ und „Immer wieder S 04“ noch einmal Schwung reinzubringen, die Hoffnung auf eine erneute Führung bekommt jedoch einen herben Dämpfer, weil der wie immer äußerst engagierte Murkin für ein dezentes Halten gegen Hrgota mit Gelb-Rot Duschen geschickt wird, eine sehr harte Entscheidung (80.).
Jetzt ist noch einmal leichtes Zittern und „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen“ angesagt; Zorniger bringt mit Mhamdi und Petkov (für Hrgota und Jung) noch einmal frisches Personal, doch außer einem von Fährmann problemlos geklärten Schuss von Asta (90.) passiert in den restlichen Spielminuten einschließlich 04 Minuten Nachspielzeit nicht mehr viel.
Bis hierhin und wie weiter?
Das 2:2 bedeutet für die Gäste den vorübergehenden Sprung auf Platz 3; Schalke bleibt mit nunmehr 20 Punkten aus 17 Spielen auf Platz 13, kann aber noch von Karlsruhe und Kaiserslautern überholt werden.
Sowohl Mannschaft als auch Publikum wissen nicht so recht, ob sie sich über den gewonnenen Punkt gegen zuletzt sehr formstarke Fürther freuen oder über zwei verlorene Punkte ärgern sollen. Sieben Punkte aus den letzten drei Spielen und der insgesamt sehr konzentrierte und engagierte Auftritt lassen aber hoffen, dass es in der Rückrunde mit hoffentlich einigen Verstärkungen weiter nach oben geht und die gruselige Vorrunde abgehakt werden kann.
Beim Gang vor die Kurve herrscht denn auch gegenseitiger freundlicher Applaus, aber keine Euphorie. Das gemeinsame Motto für 2024 lautet „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen!“