Schalke – Freiburg 2:2: Gänsehaut und ganz große Emotionen auf Schalke
22. Dezember 2019Schalke 04 und der SC Freiburg trennen sich nach einem unterhaltsamen Spiel mit einem leistungsgerechten 2:2-Remis. Für Gänsehaut, Tränen und große Emotionen sorgen eine Choreo und viele Aktionen für den beim Spiel in Wolfsburg tragisch verstorbenen Drüse und der wieder erstarkte Zusammenhalt zwischen Fans und Mannschaft. Susanne Hein-Reipen berichtet…
Rund um die Arena laufen bereits die Aufbauarbeiten für „Biathlon auf Schalke“. An der Tausend-Freunde-Mauer hat die Rückseite des Ticket-Häuschen ein großes neues Graffito Bekommen: Das UGE-Männchen und RIP DRÜSE ist dort zu sehen; auf der Seite steht „Wir waren mehr als Freunde“.
Drüse ist allgegenwärtig
Auch im Inneren der Arena ist der am Mittwoch auf dem Weg zum Spiel in Wolfsburg im Alter von nur 41 Jahren verstorbene Ultra allgegenwärtig: Die Nordkurve, „seine“ Kurve, ist ungewöhnlich dunkel und still, sowohl auf der Gegengeraden als auch am Vorsängerpodest als auch über der Fahne des Supporters Club hängen Banner mit der Aufschrift RIP DRÜSE, andere Zaunfahnen wie die der Klutis Ennepetal stehen auf dem Kopf. Im Interview auf dem Videowürfel zeigt sich auch David Wagner betroffen, bittet aber um „totale Unterstützung“, um die Hinrunde gemeinsam zu einem guten Ende zu bringen.
Maskottchen Erwin und Stadionquatscher Dirk versuchen in königsblauen Weihnachtsmänteln, die Stimmung mit dem Vorprogramm etwas aufzulockern. Das Fanspiel entscheidet „Schön Blau 08“ aus Recklinghausen klar gegen „Steht Auf“ aus Dülmen und Haltern für sich.
Markus Schubert, am Mittwoch lange Zeit ein starker Rückhalt, dann allerdings mit etwas unglücklicher Figur beim Gegentor, bekommt hörbaren Applaus, als er zum Warmmachen auf den Platz kommt. Dirk interviewt derweil die drei königsblauen PES-Nationalspieler und bittet den Fahrer eines Gelsenkirchener PKWs zu seinem Auto, denn „datt Auto läuft!“
Weihnachtsvideo sorgt für Erheiterung
Mit 61.867 Zuschauern, darunter gut 2.000 Freiburger, ist die Arena nahezu ausverkauft. Die Bilanz gegen die Gäste aus dem Breisgau ist eher durchwachsen; 7 Heimsiegen stehen 7 Remis und 5 Niederlagen gegenüber. Bei der Bekanntgabe des Schiedsrichterteams setzt es einige Pfiffe, da Felix Brych nicht gerade als schalkefreundlich bekannt ist.
Das Steigerlied findet ungewohnter Weise komplett ohne Fahnen in der Nordkurve statt, nur die Schals werden geschwenkt. Dann folgt via Videowürfel ein kurzes Grußwort des Vorstands: Peter Peters, Jochen Schneider und Alexander Jobst tragen alle den kleidsamen Schalker Weihnachtspullover und wünschen allen Schalkern ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr. Für sehr viel mehr Erheiterung sorgt das folgende Weihnachtsvideo: Zunächst sieht man einen gediegenen Männerchor, der kurz „Oh Du Fröhliche“ anstimmt, aber dann werfen die honorigen Herren die Sakkos ab und intonieren in den Ausweichtrikots „Wir sind Schalker, asoziale Schalker…“ . Die Nordkurve stimmt ein – und erlebt dann eine weitere Überraschung, denn der Dirigent im feinen Zwirn ist niemand anderes als Benjamin Stambouli, der sich vor einiger Zeit als glühender Fan des Liedes geoutet hat.
Weiter geht es mit dem Vereinslied „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“, wiederum lediglich begleitet von tausenden Schals; die Fahnen und das riesige Schalketrikot, das sonst in der Nordkurve hochgezogen wird, fehlen. Als Startelf für Schalke treten heute Schubert, Kenny, Kabak, Oczipka, Miranda, Mascarell, Serdar, Caligiuri, Harit, Matondo und Raman an, das lässt auf Tempo in der Offensive hoffen.
Wir waren mehr als Freunde, wir waren wie Brüder
Zum Einlaufen der Mannschaften verwandelt sich die Nordkurve in ein schwarzes Gedenkmal für Drüse: Zwei riesige schwarze Banner „Wir waren mehr als Freunde, wir waren wie Brüder – viele Jahre sangen wir die gleichen Lieder“ und „Ruhe in Frieden Drüse – Ultras für immer“ rahmen tausende schwarze Papptafeln ein, nur in der Mitte ragen eine Großfahne mit Drüses Porträt und ein einzelner Bengalo heraus. Eine Kurve trägt Trauer.
Auf dem Würfel lächelt Drüse noch einmal in „seine“ Arena hinunter. Auch in der Freiburger Kurve erscheint ein RIP Drüse-Transparent; die Freiburger Mannschaft läuft gemeinsam mit den Schalker Spielern Richtung Nordkurve und zollt der Gedenkchoreo Beifall.
In der Arena ist es in diesen Minuten stiller, als es jede „offizielle“ Gedenkminute bisher schaffte. 04 Minuten schweigt die Nordkurve, dann legt sie mit voller Stimmkraft los: Selten war „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“ lauter, selten war es treffender als für Drüse, der über 20 Jahre lang nahezu überall dabei war, wo Schalke antrat. Der Flyer zur Choreo erzählt eine dazu passende Geschichte, wie Drüse 1997 eine Klassenfahrt nach Frankreich türkte, um Schalke beim UEFA-Cup-Finale in Mailand anfeuern zu können.
Erste Halbzeit geht an Schalke
Auf dem Platz entwickelt sich schnell eine durchaus abwechslungsreiche Partie mit ersten Einschussmöglichkeiten auf beiden Seiten, aber weder Petersen noch Raman und Serdar treffen ins Schwarze, auch Koch und Grifo zielen daneben. Besser macht es Suat Serdar nach einem sehenswerten Doppelpass mit Benito Raman: Als er den Ball im Strafraum zurückgespielt bekommt, vollendet er präzise ins linke untere Toreck. 1:0 (26.), jawollja!!!
Die Stimmung in der Nordkurve, die einzig und allein von der Drüse-Fahne geschmückt wird, steigt, erneut leuchtet ein einzelner Bengalo auf. Das Liedgut variiert vom Wechselgesang Schalke! – Nullvier! über „Schalke für jetzt und alle Zeit“ bis zu den Ruhrpottkanaken. Zur Krönung gibt es einen inbrünstigen „Mythos vom Schalker Markt“ und „Schalke ist der geilste Club der Welt“.
Raman muss kurzzeitig neben dem Platz behandelt werden, kann jedoch kurz darauf unter Applaus wieder mitmischen. In der 35. Minute wollen die Freiburger ein Handspiel gesehen haben, als Serdar den Ball an die Brust geschossen bekommt, doch der VAR sagt nein – „datt streiche ich mir blau im Kalender an!“ nimmt ein kräftiger Schalker das sonstige königsblaue Pech mit den Videoschiris auf die Schippe. Die Nordkurve drückt es mit „Ihr macht uns‘ren Sport kaputt, Ihr Wi**er“ etwas drastischer aus und soll später Recht behalten.
Eine in Blau erstrahlte Stadt und „Wir komm vom Berger Feld“ und Distanzschüsse von Mascarell, Miranda und Kabak und eine aussichtsreiche Chance von Schmid auf der Gegenseite später geht es mit der 1:0-Führung und Applaus in die Kabinen.
Ein ganz großes Kompliment für deine Spielberichte. Da ich leider aus verschiedenen Gründen nicht so oft live dabei sein kann, warte ich schon immer ungeduldig auf deinen Bericht. Wenn ich den gelesen habe,war ich dabei!!!!! Vielen Dank dafür!!!!
So ein Theater für einen Fan ist für mich peinlich und übertrieben.auch mir tut es leid, wenn jemand stirbt, allerdings Sterben auch in Deutschland und erst recht in der Welt jeden Tag Menschen wegen Hunger oder krieg. Zu letzterem salutiert sogar einervunserer Spieler. Wo ist da die Aktion der Ultras ?
Selektive Wahrnehmung. Wäre der Fan ein nichtmitglieg gewesen, hätte es keine Aktion gegeben.