Schalke – Dresden 3:0: Ein geiler Fußballabend!

Schalke – Dresden 3:0: Ein geiler Fußballabend!

24. Oktober 2021 0 Von Susanne Hein-Reipen

Dem FC Schalke 04 gelingt gegen Dynamo Dresden der vierte Zu-Null-Sieg in Folge und der Sprung auf Platz Zwei. 54.526 Zuschauer in der unter den geltenden Bedingungen ausverkauften Veltins-Arena sind begeistert vom Lauf der Mannschaft und der langersehnten „Wiedergeburt“ der Nordkurve. Susanne Hein-Reipen berichtet…

Samstagabend, goldenes Oktoberwetter, Topspiel in Liga 2, da rollen zigtausend Fußballfans in Scharen Richtung Gelsenkirchen. Ebenfalls gleich scharenweise tritt die Polizei auf, denn das Spiel ist als Hochrisikospiel eingestuft – schon an der Autobahnabfahrt stehen mehrere Mannschaftswagen, die Willy-Brandt-Allee und die den Gästen vorbehaltenen Parkplätze E und P 7 erinnern an Wagenburgen und eine Reiterstaffel patrouilliert entlang den großzügig aufgestellten Sichtschutzzäunen.

Heute mit voller Kapelle

Die Schalker und wenigen Dresdner, die an der Würstchenbude am Fuß des Ötte-Tibulski-Wegs „das letzte richtige Bier vor der Arena“ genießen, um dem Alkoholverbot ein Schnippchen zu schlagen, stört das Szenario indes wenig. Um kurz nach halb sieben ist es dann soweit: Die Ultras Gelsenkirchen, die unter dem Motto „Alle oder keiner“ die Spiele mit coronabedingt stark eingeschränkten Zuschauerkapazitäten boykottiert hatten, marschieren mit Polizeieskorte wieder zum Tempel hoch.

Der Eingang Ost 2 ist ebenfalls den Gästen aus dem Osten vorbehalten, also müssen alle Schalker, die Plätze auf der Gegengerade haben, durch Ost 1 reingehen. Lautsprecherdurchsagen bitten darum, alle notwendigen Dokumente – Impfnachweis, Personalausweis und Ticket –  bereitzuhalten und 1,50 Meter Abstand zum Vordermann zu halten. Letzterer klappt eher bedingt, der Rest läuft.

Mein Plaaaatz

Innen angekommen, ist die Wiedersehensfreude groß. Endlich wieder Dauerkarte, endlich wieder langvertraute Gesichter, endlich wieder die gewohnte Perspektive – Gollum und sein Schaaaatz ist ein Waisenkind gegen eingefleischte Schalker und ihren geliebten Plaaaatz…

(Fast) Alles ist wieder herrlich normal, DJ Dirk moderiert das Fanspiel, die Musik preist „Die Farben von ganz oben“ und ein Banner über dem I-Block nimmt ironisch das Alkoholverbot aufs Korn: „Heute richtig geil vorgesoffen, danke Pol GE“.

Zur Normalität gehört auch, dass die gegnerischen Keeper mit einem Pfeifkonzert empfangen werden. Den gutgefüllten Gästeblock hält das natürlich nicht davon ab, ihr Team lautstark zu begrüßen, woraufhin die Nordkurve zum ersten Mal akustisch die Muskeln spielen lässt und ein liebevolles Scheixx Dynamoooo hinüberschickt.

Wir sind die Fans, die auch zu Dir steh’n, wenn Du absteigst…

Die Schalker Spielen hingegen werden mit lautstarkem Applaus und „Wir sind die Faaaans, die auch zu Dir steh’n, wenn Du absteigst…“ willkommen geheißen, für fast alle das erste Erlebnis mit voller Hütte. Mehrere Spieler linsen beim Warmmachen immer wieder halb begeistert, halb verwundert Richtung Nordkurve.

Dort prangt jetzt ein Spruchband „12 Jahre die Stimme unserer Kurve, danke Kanne!!!“ für den langjährigen Capo der UGE. Sein Partner Dennis führt die gemeinsame Mission weiter und schwingt das Megaphon.

Auch der Quatscher begrüßt gutgelaunt das volle Haus und wirft einen Blick auf die Statistik: Simon Terodde hat gegen Dynamo bereits sieben Tore in neun Spielen erzielt, kommt heute Nummer 8, das ihn zum alleinigen Rekordtorjäger der zweiten Liga macht…?

Die Aufstellung der Dresdner wird kurz runtergejagt, dann heiß es endlich wieder: Alle Schals hoch für Steiger- und Vereinslied. Ein geiles Gefühl, auch wenn das Licht heute an bleibt! Die Aufstellung wird begeistert rausgebrüllt: Chefcoach Dimitrios Grammozis setzt zunächst auf Fraisl, Kaminski, Itakura, Thiaw, Ouwejan, Palsson, Ranftl, Mikhailov, Zalazar, Bülter und Terodde.

Führung durch Ouwejan

Nach dem Anpfiff wird schnell klar: Weder die Mannschaften auf dem Rasen noch die Fans auf den Rängen schenken sich irgendwas. Dresdens Offensivtrio Schröter, Daferner und Mörschel suchen den Weg nach vorne, laut angefeuert vom Gästeblock, bis die Nordkurve aufdreht und mit „Schalalalaaa Schalke“, „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und „Vorwärts FC Schalke, schieß ein Tor für uns“ klar macht, wo der Hammer hängt. Auch die Gegengerade reißt die Stimmung mehrfach von den Sitzen hoch.

Nach einer Viertelstunde übernimmt Königsblau auch auf dem Platz zunehmend das Kommando. Ein erster Warnschuss von Bülter nach Vorarbeit von Terodde geht noch daneben (15.), Zalazar nähert sich mit einem satten Pfostenschuss an (20.) – und Ouwejan drischt die Kugel zum 1:0 ins Netz (20.). Vorausgegangen war eine etwas zu kurz geratene Abwehr von Broll gegen eine Flanke von Ranftl, die Becker nicht mehr rechtzeitig aus der Gefahrenzone bekam.

Ein Leben laaaaaang… Der Nordkurve scheint jetzt natürlich die Sonne aus dem Gesäß, die ohnehin gute Stimmung steigt weiter, doch auch die Gäste lassen sich von dem Rückstand nicht entmutigen und so wogt der Support hin und her. In die Lücken zwischen „Geh‘n mit dir auf jede Reise“ und dem Wechselgesang SCHALKE! – NULLVIER! zwischen Nord- und Südkurve stößt „Dy-na-mo“ und „Hier regiert die SGD“.

Die Null steht

In der Folgezeit rennen sich die Dresdner Offensivkräfte mehrfach in der von Itakura souverän dirigierten Schalker Abwehr fest. Eigene Angriffe der Hausherren gibt es in dieser Phase wenige, der Stimmung tut das keinen Abbruch. „Eine Stadt erstrahlt in Blau“, „Stadion geh’n, im Pappbecher Bier…“, „Hier regiert der S 04“ und die Ruhrpottkanaken werden mit vollem Stimmeinsatz performt.

Der I-Block zeigt derweil weitere kritische Spruchbänder: „Die Rückkehr zu den Wurzeln propagiert und in der Krise weiter abkassiert, Euer Fußball ist krank“ und „S04 Soziale Verantwortung fängt bei den eigenen Mitarbeitern an“ ist dort zu lesen.

Kurz vor der Pause sucht Schalke über Ouwejan und Bülter wieder den Weg nach vorne, doch Terodde verpasst das Zuspiel (40.). Kurz darauf wird der Torjäger von Löwe attackiert, der dafür die erste gelbe Karte des Spiels sieht. Der folgende Freistoß zu den Klängen von „Schalke nur du alleine“ wird von Ouwejan Richtung Tor getreten und dort von Broll in Empfang genommen. Eine kleine Rangelei und zwei gelbe Karten für Mikhailov und Sollbauer später geht es zum Pausentee.

Gute Laune und böse Banner
 

Die Stimmung ist nach wie vor prima. Als sich die schwarzgelben Fans über einen Jungen amüsieren, der in der Fanbox „Ich bin Schalker“ anstimmt, macht die Nordkurve kurzen Prozess und die Gäste mit „WIR sind Schalker“ und den Ruhrpottkanaken mundtot.

Für die Abteilung Fanbelange berichtet Thomas „Kirsche“ Kirschner von den Ferienaktionen der Knappenkids und verweist auf die Auswärtsinfos für die anstehenden Touren zu 1860 München und nach Heidenheim und den „Erinnerungsort Wildenbruchplatz“.

Kurz vor Beginn der zweiten Halbzeit erscheint in der Nordkurve ein Banner „Lockdown 3.0 Hier kommt die Pol GE“, offenbar eine Anspielung auf die strikten Vorschriften und Verbote rund um das Risikospiel. Noch weitaus drastischer wird es am I Block „Lehmi ist Koch, denn F*tzen gehören in die Küche“ ist dort zu lesen, nachdem die Dresdner unter Capo Lehmi die weiblichen Fans von St. Pauli massiv sexistisch beleidigt hatten. Auch „DFB, DFL und Sachsen auflösen“ stößt im Gästeblock auf wenig Gegenliebe, doch die selbsternannten „Brutal Fans“ verzichten auf Retourkutschen und üben sich weiter in „Hier regiert die SGD“ und Polonaise, schnell niedergesungen mit „Jeden Tag und jede Nacht singen wir immer wieder blauweiße Lieder“ und „Wir kommen aus Gelsenkirchen“.

Kapitän Latza ist wieder an Bord

Grammozis verzichtet zunächst auf Wechsel, bei Dynamo kommen Kade und Sohm für Löwe und Mörschel. Die erste Aktion im zweiten Durchgang ist ein Schuss von Terodde, der Broll jedoch nicht vor Probleme stellt (47.) Kaminski sieht Gelb wegen Ballwegschlagens; dann hat Mikhailov das 2:0 auf dem Fuß, scheitert jedoch freistehend an Broll. Ein Treffer wäre aber vermutlich auch Abseits gewesen.

Dresden holt sich nun größere Spielanteile und mehrere Ecken, ohne Fraisls Kasten dabei ernsthaft in Bedrängnis zu bringen – bis zur 63. Minute, als Fraisl mit einer Glanzparade einen Sohm-Kopfball nach einer Ecke von Schröter noch über die Latte lenken kann. Die Nordkurve belohnt das mit einer lautstarken Darbietung der asozialen Schalker.

Kurz darauf darf Kapitän Danny Latza sein ersehntes Comeback feiern, für ihn geht Mikhailov runter. Bei den Gästen ersetzt Giorbelidze Becker und kurz darauf Hermann Stark. Die Zuschauerzahl von 54.526 bedeutet ausverkauftes Haus, denn die restlichen Plätze mussten aus Corona- oder Sicherheitsgründen gesperrt werden.

Bülter und Kaminski machen den Deckel drauf

Und genau in die zunehmenden Annäherungen der Dresdner hinein platzt das 2:0 durch Marius Bülter, der eine Ecke des bärenstarken Ouwejan ins Tor köpft (78). Schalke Zwei, Dresden Null, das ist doch glatt einen Mythos wert!

Flick und Pieringer dürfen jetzt für Zalazar und Bülter an, Mai ersetzt Sollbauer. Auch der Dresdner Anhang supportet unverdrossen weiter, während die Nordkurve in eine lange Schleife von „Wir sind da… jedes Spiel… ist doch klar…“ geht und „Sieg! Sieg!“ skandiert.

Ein Schuss von Mai geht knapp am Tor vorbei, dann werden 04 Minuten Nachspielzeit angesagt. Itakura geht zu Boden, rappelt sich aber wieder auf. Mitten in „Schalke 04 für jetzt und alle Zeit“ hinein schießt dann Kaminski alle Schalker auf die königsblaue Wolke Sieben, als er mit der letzten Aktion des Spiels einen Ouwejan-Freistoß zum 3:0 in die Maschen nickt. JAAAAAAA!

Wir haben einen Lauf!!!

Der Torjingle „Blau und weiß ein Leben lang“ wird innig mitgebrüllt – sechster Sieg im siebten Spiel hintereinander, viermal zu Null, Platz 2 und volles Haus, das ist weitaus mehr, als die allermeisten Schalker noch vor wenigen Wochen zu träumen gewagt hätten!

Dementsprechend begeistert wird die Mannschaft abgefeiert, als sie mit viel Schwung vor die Kurve stürmt . Wir sind da, jedes Spiel, ist doch klar…! IST DAS SCHÖN!

Eine bessere Stimmung und Ausgangslage kann man sich für die englische Woche mit dem Pokalspiel bei 1860 München und dem Auswärtsspiel in Heidenheim eigentlich nicht wünschen. Die Mannschaft hat sich einmal mehr als Einheit präsentiert, die auch „Hängephasen“ überstehen kann und bis zum Schluss konzentriert bleibt. Und die Frage „was ist, wenn Terodde mal nicht trifft?“ ist auch beantwortet: Dann belohnen sich eben Ouwejan und Bülter für seit Wochen schon starke Leistungen…

Der Heinweg gestaltet sich dank der vom Technischen Hilfswerk installierten mobilen Beleuchtung sonst schummrig-dunkler Wege erfreulich unkompliziert.  Ein mehr als gelungener Fußballabend auf Schalke!