Schalke – Braunschweig 5:1: Fans und Mannschaft feiern einen Traumstart

Schalke – Braunschweig 5:1: Fans und Mannschaft feiern einen Traumstart

4. August 2024 0 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 zeigt sich beim Heimspielauftakt über weite Strecken offensiv und spielfreudig und begeistert die Fans mit einem 5:1 (2:1)-Kantersieg über Eintracht Braunschweig. Bereits zuvor waren rund 6.000 Schalkefans von der Domplatte in Buer zur Arena marschiert. Susanne Hein-Reipen berichtet von einem ziemlich geilen Tach auf Schalke…

Gruselige letzte Saison, Abgänge von Fan-Lieblingen wie Simon Terodde und Marius Müller, eigenartiger neuer Hauptsponsor und eine verblüffende Torwartentscheidung? Das kann doch echte Schalker nicht erschüttern und so sind nicht nur die Heimspiele der Hinrunde wieder einmal in Rekordzeit ausverkauft, nein, die Vorfreude auf die neue Saison ist riesengroß und so folgen tausende Schalker dem Aufruf der Ultras Gelsenkirchen, gemeinsam in die neue Saison zu marschieren.

Auf geht’s in die neue Saison!

Die Bahnen Richtung Buer erinnern schwer an rollende Sardinendosen, der Schweiß fließt in Strömen und beim Anblick der königsblauen Domplatte ist eine Gänsehaut garantiert. Endlich wieder normale Leute! Die Hochzeitsgesellschaft, die vor dem Dom wartet, trägt die gutgelaunte Invasion mit Fassung; das Bier fließt in Strömen und Getränkeverkäufer und Pfandsammler sind happy.

Aus einem Fenster wird sogar zur Attacke geblasen, die schwattgelben Nachbarn bekommen verbal ihr Fett weg und pünktlich um 17:30 Uhr ziehen die UGE die Fahnen auf und schwören die Fans mit einer kurzen Ansprache ein, alle zusammen alles zu geben. „Hier regiert der S 04“ und „Wir komm’n vom Berger Feld“ sind angesagt, dann wälzt sich die Menge Richtung Norden vom Platz.

Anders als beim letzten Fanmarsch von derselben Stelle beim Auftakt 2019 führt die reichlich vorhandene Polizei den Marsch dieses Mal nicht über die Kurt-Schumacher-Straße direkt zur Arena; nein, der Zug ist offenbar zu lang, um eine Hauptverkehrsader zu blockieren und so geht es über Cranger und Erlestraße durch die Botanik. Das Tempo ist dabei so knackig, dass etlichen Marschierern die Puste zum Singen fehlt; Klassiker wie die Asozialen Schalker dürfen natürlich trotzdem nicht fehlen und viele der am Zugweg geparkten Autos werden mit mehr Schalker Aufklebern nach Hause fahren…

Unser Traum von Schalke wird niemals untergeh‘n

Unter der Unterführung der A 2 an der Adenauerallee gibt’s dann einen Stop und alle versammeln sich zu blauen Rauchtöpfen hinter „Wir halten zusammen/für den Club den wir so lieben/auch wenn die Zeiten manchmal scheixxe sind/und wir am Boden liegen/unser Traum von Schalke/wird NIEMALS untergehn!“. Gänsehaut!

Am Medicos schwenkt der Zug dann Richtung Berger Feld ab und die Teilnehmer verteilen sich verschwitzt, aber hochzufrieden in ihre Blöcke. Beim Fanspiel messen sich der „Schalker Kreisel Röcke“ und die „Schalke Supporters Vorsfelde“; Stadionquatscher Dir Oberschulte Beckmann verliest einen berührenden Nachruf auf den vor einigen Wochen verstorbenen Schalker Meisterspieler Willi Koslowski: Lieber Schwatter, wir werden Dich nie vergessen!

Vorstandsvorsitzender Matthias Tillmann präsentiert gemeinsam mit Vertretern der Firma die heatrex GmbH aus Castrop-Rauxel als neuen Ärmelsponsor und erntet kräftigen Applaus, dann kommen die Torhüter aufs Feld. Heekeren, der am späten Donnerstagabend ein wenig überraschend zur Nummer 1 ausgerufen wurde, marschiert vorneweg, ein sichtlich angefasster Hoffmann folgt.

Glückauf, der Steiger kommt – und läutet

Die Nordkurve ist schon auf Betriebstemperatur, die Begrüßung der Mannschaft „des geilsten Clubs vonne ganzen Welt“ fällt enorm laut aus, ebenso das Pfeifkonzert zum Empfang der Gäste. Auf geht‘s schalke kämpfen und siegen! Am Mikrophon gibt derweil Raffael Tonello einen kurzen Überblick über die angestrebte bessere Verzahnung von Knappenschmiede und Profikader.

Klaus Herzmanatus, ehemaliger Bergmann und unermüdlicher Kämpfer für den Erhalt der Zeche Hugo und des Bergbaumuseums stellt eine Originalglocke vor, die früher unter Tage zur Seilfahrt läutete, nunmehr soll damit die Mannschaft aufs Feld gerufen werden. Oberschulte Beckmann gedenkt noch kurz des verstorbenen Stadionsprechers Stefan der Braunschweiger und wünscht dem Ex-Knappen Sidi Sané gute Besserung für seinen neuerlichen Kreuzbandriss, dann folgt die Aufstellung der Gäste. Die Heimstatistik sprich klar für Schalke.

Die Schalker Spieler applaudieren noch kurz der Kurve, dann ist es endlich soweit: Oben ballen sich dunkle Wolken, unten performen 60.000 Kehlen und Lichter gemeinsam das Steigerlied. Immer wieder berührend! Mit einem zackigen Regenschauer folgt dann die königsblaue Aufstellung: In die Saison starten Heekeren, Murkin, Kalas, Schallenberg, Gantenbein, Bachmann, Mohr, Karaman, Seguin, Aydin und Sylla.

Start nach Maß

Das Vereinslied „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“ wird inbrünstig rausgeschmettert, dann kommen die Mannschaften aufs Feld, Schalke erstmals angeführt von Karaman als Kapitän. Der Anpfiff geht fast in einem dröhnend lauten Wechselgesang Schalke! – Nullvier! zwischen Nord- und Südkurve unter, aber der Ball rollt!

Schalke geht von Beginn an sehr fokussiert zu Werke, angefeuert mit „Schalke ist die Macht“. Bereits in der siebten Spielminute zeichnet sich Heekeren mit einer starken 1:1-Parade gegen den freigespielten Philippe aus – und holt sich danach einen Scorerpunkt, denn sein langer Abschlag landet bei Mohr, der Ehlers abklatschen lässt und den Ball aus knapp 20 Metern von der Strafraumgrenze über Grill zur 1:0-Führung ins Tor lupft (9.). Die Wogen der Begeisterung über die frühe Führung und den Tor-des-Monats-würdigen Treffer schlagen hoch, der Torschütze rast überglücklich zur Bank und bedankt sich für das Vertrauen.

Schalke bleibt unterstützt durch „Für Deine Farben leben und sterben wir“ im Vorwärtsgang, Seguin und Schallenberg ziehen im Mittelfeld gekonnt die Fäden. Einen der seltenen Braunschweiger Entlastungsangriffe von Gomez schnappt sich Heekeren (21.), der sehr weit Richtung Mittelkreis aufrückt, wenn sich das Geschehen in der Braunschweiger Hälfte abspielt.

Licht und Schatten bis zur Pause

Eine erste Schalker Ecke bringt nichts ein, die beiden Fanlager tauschen ein paar verbale Streicheleinheiten aus, dann geht es mit „Schalke, ich bin für dich geboren“ weiter. Auf dem Rasen bemüht sich Braunschweig, die zweite Schalker Ecke zu verteidigen, was dreimal – gegen Seguin, Aydin und Sylla – gelingt, aber der Nach-Nach-Nachschuss von Sylla sitzt, das umjubelte 2:0 (25.).

Die Stadt erstrahlt lautstark in Blau und Weiß, aber plötzlich steht es „nur“ noch 2:1, denn Ehlers köpft eine Ecke von Köhler zunächst an seinen Oberarm und dann per Fuß in die rechte untere Ecke (33.). Der VAR überprüft den Treffer, stellt aber kein regelwidriges Handspiel fest. Der Anschlusstreffer gibt dem ganz in Gelb gehüllten Gästeblock des Braunschweiger Turn- und Sportvereins hörbar Auftrieb.

Die Nordkurve bläst sofort wieder zur Attacke und stimmt „Wir komm‘n vom Berger Feld“ an, aber das überraschende Gegentor hat dem Schalker Spiel einen kleinen Hänger verpasst, Schalke steht nun deutlich tiefer als in der ersten halben Stunde und muss sich erst ein wenig sortieren. Philippe sieht die erste Gelbe des Spiels, weil er Murkin zu Boden reißt, dann geht es mit drei Minuten Nachspielzeit und der knappen Führung in die Pause.

Was bringt der zweite Durchgang?

In der Pause herrscht weitgehend Einigkeit, dass die erste halbe Stunde sehr ansehnlich war, die Mannschaft sich aber jetzt nicht den Schneid abkaufen lassen darf. Der Ton in der Fanbox ist heute noch quietschiger als sonst; für das Team Fanbelange plaudert Thomas „Kirsche“ Kirschner über ein Benefizspiel der Traditionself gegen die Gelsenkirchener Stadtauswahl am 27.8., das anstehende Auswärtsspiel in Nürnberg und das Programm „Fußballfans im Training“.

Schalke kommt unverändert wieder auf den Rasen, bei den Löwen ersetzt Szabo Raebiger. Und die Gästekurve packt eine beeindruckende Menge gelber Bengalos und Rauchtöpfe aus, was natürlich umgehend den Sicherheitssprecher auf den Plan ruft. Auch das „Problemfenster“ dürfte von dem durch die ganze Arena wabernden Nebel wenig begeistert gewesen sein.

Die Nordkurve verlegt sich lieber auf die akustische Unterstützung und stimmt „S! 0! 4!“, „Immer wieder S 04“ und „Geh’n mit Dir auf jede Reise“ an, Dirk vermeldet 60.534 Zuschauer und „Heimbereich komplett ausverkauft“. Offenbar hat die Eintracht den Gästeblock nicht ganz vollbekommen.

Kapitän Karaman startet das Torfestival

Karaman ist in seinem ersten Pflichtspiel als Kapitän sehr präsent und führungsstark und staucht Mitspieler wie Gegner gleichermaßen zusammen, was ihm auch eine gelbe Karte wegen einer Grätsche gegen Köhler (51.) einträgt.  Das Spiel ist nunmehr ausgeglichen mit leichten Feldvorteilen für Schalke, die über Seguin (53.) und Gantenbein (56.) gefährlich vor dem Tor der Gäste auftauchen. Für die Braunschweiger trifft Gomez das Außennetz (57.), dann ersetzt Di Michele Sanchez den wirkungslosen Bell Bell.

Die Nordkurve fordert jetzt „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und Geraerts ersetzt mit einem Dreifachwechsel Mohr, Aydin und den nach einem Zweikampf mit Köhler angeschlagenen Bachmann durch Höjlund, Donkor und Kaminski (67.). Kaminski fängt sich keine 120 Sekunden später direkt eine gelbe Karte ein, weil er einen Freistoß der Gäste verhindern will.

Kurz darauf reiß es zu „Schalke nur Du alleine“ alle von den Sitzen, denn über Schallenberg und Donkor kommt der Ball zu Höjlund, der zurück auf Schallenberg klatschen lässt, der dann gekonnt für  Karaman ablegt. Dieser bleibt gegen Ehlers und Bicakcic cool wie ein Eiswürfel und schließt aus 13 Metern präzise in die rechte Ecke ab. 3:1 in der 73. Minute, die Arena tobt und selbst der oft so coole Geraerts springt begeistert vor der Bank herum.

Doppelschlag ins königsblaue Glück

Die Nordkurve verlegt sich glücklich auf „Unsere Fahnen weh‘n im Wind weil wir deutscher Meister sind“, auf dem Rasen hat Schalke nunmehr wieder klar Oberwasser, auch wenn Braunschweig mit Conteh und Ould-Chikh für Ehlers und Kaufmann noch zwei frische Kräfte aufbietet.  Ould-Chikh reißt direkt Sylla an der Seitenlinie um und sieht dafür ebenfalls Gelb (78.).

Kalas verpasst das 4:1, als Conteh eine Flanke von Seguin genau vor seine Füße blockt und er den Ball in der Hektik deutlich über das Tor setzt (80.), aber danach explodiert die Arena förmlich: Schallenberg erobert im Mittelfeld in Kampfschweinmanier den Ball und leitet einen Konter ein.  Über Kaminski und Seguin landet das Leder halbrechts bei Sylla, der zum 4:1 ins lange Eck einnetzt (82.). Und der Jubel und Torjingle ist noch nicht ganz verhallt, als Sylla und Karaman schon wieder vor dem Strafraum auftauchen. Karaman setzt sich gegen Bicakcic durch und verlädt Grill – und es steht 5:1 (83.). Wie geil ist das bitte?!

Alle hatten einen guten Saisonstart erhofft, aber das übertrifft selbst die kühnsten Träume und so ist der Rest einschließlich der 04 Minuten Nachspielzeit eine einzige Jubelparty. „Schalke ist der geilste Club der Welt“, „Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey“, der Mythos vom Schalker Markt und der Schalkewalzer hallen durch die Arena. Polter (für den mit Sprechchören verabschiedeten Karaman) und Cissé (für Kalas) kommen noch zu Kurzeinsätzen, dann geht der Schlusspfiff im Jubel unter.

So ein Tag, so wunderschön wie heute…

Der Gästeblock geht gnädig mit seiner Mannschaft um, den Schalkern strahlt die Sonne aus dem Popo. Die „Blitztabelle“ wird ebenso gefeiert wie die neuen Statistiken „Pferdelunge“ (Seguin mit 11 Kilometern), „Kanone“ (Sylla mit 04 Torschüssen) und „Rakete“ (Donkor mit 34,2 km/h Höchstgeschwindigkeit).

Aber eigentlich will die Kurve nur die Mannschaft feiern und so wird bereits mit „Komm‘, komm‘…“ gelockt, als die Mannschaft noch im Kreis kurz Resumee zieht. Als es dann Richtung Nordkurve geht, schallt ihnen lautstarker Applaus und „Unsere Fahnen weh‘n im Wind“ entgegen, die Spieler bedanken sich glücklich mit den Hammer-und-Schlägel-gekreuzten Armen für den Support, bevor es zu „Zeig mir den Platz in der Kurve“ auf die Stadionrunde geht. Das Trainerteam beobachtet die Szenerie zufrieden aus dem Hintergrund, bevor Geraerts in der Pressekonferenz ein wenig auf die Euphoriebremse tritt. Ja, es war „nur“ ein Spiel, aber so einen souveränen Sieg durften die Schalkefans lange nicht mehr feiern…