
Regensburg – Schalke 2:0: Stimmung der Schalkefans kippt gefährlich
14. April 2025Der FC Schalke 04 verliert das Auswärtsspiel bei Tabellenschlusslicht SSV Jahn Regensburg nach einem indiskutablen Auftritt mit 0:2 (0:1) und verliert neben den Punkten auch den Support der rund 6.500 mitgereisten königsblauen Fans, die ihrem Entsetzen nach dem Abpfiff durch ein gellendes Pfeifkonzert und „Wir sind Schalker und Ihr nicht“ Ausdruck verleihen. Susanne Hein-Reipen berichtet…
Das bisher einzige Ligaspiel des S04 auswärts beim Jahn fiel in die Zeit der Corona-Zuschauerbeschränkungen, daher ist das rote Stadiönchen direkt an der Autobahn A 3 für viele Schalker ein neuer Ground. Hinzu kommt, dass die Regensburger Altstadt als „Welterbe“ eingestuft und mehr als eine Reise wert ist – damit ist klar, dass die Tickets bei Start des Vorverkaufs trotz einiger kleiner Hürden (wer als auswärtiger Besteller ein Ticket für das Schalkespiel will, muss auch eins für das nächste Heimspiel gegen Braunschweig bestellen) fast ausschließlich an Königsblaue gehen.






Königsblaue Invasion
Am Ende sind nicht nur die Gästeblöcke N1 und N2, sondern auch die danebenliegenden Blöcke N3 und N4 sowie W4/W5 auf der Gegengeraden fest in Schalker Hand. Auch in Block O1 auf der Haupttribüne sind die Gäste in der Überzahl, auf der anderen Seite in O2 hingegen werden erkennbare Schalker gezwungen, ihre Fanutensilien im Auto zurückzulassen.
Die bayrische Polizei, vor deren Umgang mit Fußballfans im Vorfeld des Spiels eine Warnung der königsblauen Hilfe kursierte, ist reichlich vertreten, größere Zusammenstöße bleiben jedoch zum Glück aus. Das Stadion öffnet erst um 12 Uhr, so dass Schalker und Regensburger Seite an Seite auf die Kontrollen warten. Es gibt getrennte Tore für Frauen und Männer; die Kontrollen sind gründlich, aber fair.
Im Stadionumlauf gibt‘s keinen Schnickschnack oder Komfort: WC-Container und Würstchenbude, feddich. Immerhin: Nichtalkoholische Getränkeflaschen gibt es mit Deckel, während man auf Schalke bekanntlich wegen der Wurfgeschossgefahr nur offene Pullen bekommt, die im Laufe des Spiels meistens umgetreten werden und auslaufen.






Der König der Welt
Bereits beim Einlaufen zum Warmmachen wird klar, dass die Schalkefans akustisch Oberwasser haben. Kurz darauf stößt noch die organisierte Fanszene hinzu und bemüht sich, die zahlreichen Banner der Ultras, Hugos, Marler Jungs, Supporters Clubs und anderer an den wenigen Metern Zaun vor den Gästeblöcken zu platzieren.
Die Begrüßung durch den Stadionsprecher ist freundlich und erfreulich leise, eine sehr angenehme Abwechslung zu etlichen Brüllaffen in anderen Stadien, die versuchen, den Schalker Mob mit übersteuerten Mikros und überschlagender Stimme zu übertönen. Die Startaufstellung von Schaalke bilden Heekeren, Donkor, Kaminski, Schallenberg, Bulut, Seguin, Barkok, Younes, Karaman, Aydin und Sylla. Attacke!
Nach der Regensburger Aufstellung folgt das Vereinslied „Wir lieben den Jahn“, über der heimischen Südkurve verkündet ein großes Banner ebenfalls „Wir lieben den SSV Jahn immerzu und jederzeit“. Im nördlichen Teil des Stadions ist davon jedoch wenig zu hören, der neue Schalker Kurvensong „Der König der Welt“ übertönt alles andere.






Wieder ein früher Rückstand
Als die Mannschaften auf das Spielfeld kommen, hält der Regensburger Stehblock ein zweiteiliges Banner „Grenzenloser Optimismus oder toxische Positivität? Die Treue der Fans ist das einzig Gute an der Realität!“ hoch, das 1:1 auch auf die Situation auf Schalke passen würde.
Vom Anpfiff an wird schnell deutlich: Auf den Rängen liegt der Anhang aus dem Ruhrpott mit „Schalke nur Du alleine“ akustisch klar vorne, auf dem Spielfeld hingegen sind die Hausherren wacher und motivierter und haben durch Ballas‘ Kopfball auch den ersten Abschluss (2.). Auch in den folgenden Minuten bleibt der SSV mit Ganaus und Handwerker im Vorwärtsgang.
Nach rund zehn Minuten findet die Schalker Mannschaft über Rückkehrer Bulut auf rechts auch mal den Weg nach vorne, doch es ist deutlich zu wenig „Druck auf dem Kessel“, obwohl die Fans lautstark „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ fordern und „Wir komm‘n vom Berger Feld“ anstimmen. Stattdessen ist wieder der Jahn mit Kühlwetter, Handwerker und Adamyan am Drücker. Letzterer holt im Zweikampf mit Schallenberg eine sehr zweifelhafte Ecke heraus – und die faustet Heekeren zum Entsetzen aller Königsblauen genau vor die Füße von Kühlwetter, der vollkommen unbelästigt von der Schalker Defensive die kurze Ecke anvisieren und zur 1:0-Führung einschieben kann (21.).






Gruselige erste Halbzeit
Die Freude der Heimfans ist naturgemäß groß, die Schalkefans könnten ob der Darbietung vor Wut k*tzen, machen aber gute Miene zum schlechten Spiel und stimmen sofort „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen!“ an. Stattdessen müssen sie wenig später erneut tief durchatmen, denn Heekeren liefert auch Handwerker eine perfekte Vorlage, doch dieser verfehlt das leere Tor knapp (23.).
Seguin sieht für ein Foul an Ganaus die erste gelbe Karte des Spiels (24.), einige Minuten später folgen Bulut (32.) und Aydin (34). Abschlüsse sind auf beiden Seiten Mangelware, obwohl der Gästeblock mit „Oppa Pritschikowski“, „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“ und „Deine Kurve steht immer wieder treu zu Dir“ unermüdlich supportet.
Heekeren kann einen tückischen Schuss von Adamyan zur Ecke klären (36.), nach 45 Minuten folgt dann tatsächlich der erste Schalker Torschuss, aber Aydins gerader Schuss von der Strafraumkante ist kein Problem für Pollersbeck. Die letzte Aktion des ersten Durchgangs gehört wieder den Regensburgern, aber Heekeren schnappt sich den Schuss von Adamyan (45+1.). Mit „Immer wenn du spielst“ geht es zum Pausentee.






Hoffnung auf die zweite Halbzeit
In den Gästeblöcken herrscht Einigkeit, dass das bisher Gebotene grottig war, allerdings hoffen die meisten noch auf Turnaround in den zweiten 45 Minuten wie im vorhergehenden Heimspiel gegen Ulm. Das offizielle Halbzeitprogramm besteht aus einem Elfmeterschießen gegen einen Jugendkeeper auf der gegenüberliegenden Seite.
Beide Mannschaften kehren personell unverändert auf das Spielfeld zurück, der Gästeblock schickt einen lautstarken „Schalke und der FCN“-Gruß an die Freunde aus Franken und startet dann eine Dauerschleife von „Wir lieben alle nur den FC Schalke“. Schalke gelingt es nunmehr zwar, das Spiel ein wenig ausgeglichener zu gestalten, aber außer ein paar harmlose Vorstöße von Sylla, Donkor und Karaman kommt nichts dabei herum. Die einzige nennenswerte Chance vergibt Karaman, als er eine Ecke von Seguin unbedrängt haarscharf über das Regensburger Tor köpft (55.). Im Gegenzug vergibt Adamyan einen Schuss aus kurzer Distanz.
Zu den Klängen von „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen“ und „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n“ sind weite Bälle auf Sylla das Mittel der Wahl, leider komplett erfolglos. Aydin versucht es per Distanzschuss (61.), aber Regensburg kann zur Ecke klären.






Not gegen Elend
Beide Trainer versuchen, mit frischen Spielern etwas Schwung in den müden Kick zu bringen. Galjen ersetzt den sehr aktiven Adamyan, bei Königsblau kommen Mohr und Debütant Touré von der Schalker U23 für Aydin und Bulut (67.). Der junge Franzose steigt sofort unbekümmert ein und vernascht Vier, was ihm prompt dankbaren Szenenapplaus des Gästepublikums einträgt.
Donkor vergibt eine gute Schussmöglichkeit nach einer Ecke (70.)., während sich der Stadionsprecher über ein mit 15.210 Zuschauern ausverkauftes Haus freut. Die nächsten Wechsel – Ba und Hamache für Barkok und Younes – nutzt der Schalker Block für „Wir kommen aus Gelsenkirchen“. Schallenberg setzt einen Ball aus kurzer Distanz über die Latte (74.), danach gibt es Diskussionen mit Keeper Pollersbeck, der sich im Getümmel wehgetan hat und etwas Zeit von der Uhr nehmen will.
Ein Spielfluss will in dieser Phase nicht aufkommen, „das ist Not gegen Elend und Not führt“ stellt ein Schalker trocken fest. Regensburgs Chefcoach Patz wechselt mit Ernst, Ochojski und Pröger für Viet, Kieffer und Ganaus gleich dreifach (79.).






Endgültiger K. O. in der Nachspielzeit
Schalke hat jetzt deutlich mehr Ballbesitz, kann diesen jedoch nicht zum erhofften Ausgleich verwerten; Hamache kann sich nicht durchsetzen (81.), Toure verzieht aus der Distanz (84.). Zu „Eine Stadt erstrahlt in Blau“ ersetzt Murkin den leicht angeschlagenen Donkor (84J, bei Regensburg muss Torschütze Kühlwetter mit einem Krampf für Bulic weichen.
Zwei Ecken für Schalke kann der SSV wegverteidigen, dann vergibt Ba eine schöne Vorarbeit von Murkin (90.). Der Gästeanhang versucht, die Spieler in Blau mit „Für Deine Farben“, „Königsblauer S 04“ und „Schalke, ich bin für dich geboren“ nach vorne zu tragen – vergeblich. Die letzten Hoffnungen ruhen jetzt auf der 6minütigen Nachspielzeit, doch außer einer gelben Karte für Ochojski passiert zunächst nichts – und dann fällt das Tor auf der falschen Seite: Ernst setzt Galje in Szene, der Stürmer läuft alleine auf Heekeren zu und tunnelt diesen zum 2:0 (90+3.).


Frust und Pfiffe statt Sicherheit
Nach diesem Knockout stellt der zuvor so aktive Gästeblock sämtlichen Support ein und lässt die Fahnen sinken, der Frust ist riesig und entlädt sich nach dem Abpfiff in einem lautstarken Pfeifkonzert. UGE-Capo Dennis schreibt der Mannschaft via Megaphon einige Grundtugenden ins Stammbuch, dazu ertönt „Wir sind Schalker und Ihr nicht“ – Alarmstufe rot! – und „Wir woll‘n euch kämpfen seh’n.
Durch die überflüssige Niederlage bleibt Schalke mit 37 Punkten zunächst auf Rang 11, hat jetzt aber wieder Hertha (36), Darmstadt und Fürth (beide 35) im Nacken, statt endgültig gesichert an den KSC im Mittelfeld (41 Punkte) anzuschließen. Regensburg bleibt Schlusslicht, macht aber 2 Punkte auuf Münster auf dem Relegationsplatz gut.
Ernsthaft in Abstiegsnöte geraten sollte Schalke trotz des enttäuschenden Auftritts zwar nicht mehr, aber die Art und Weise, wie insbesondere im ersten Durchgang das königsblaue Trikot spazieren getragen wurde, lässt starke Zweifel aufkommen, ob die Spieler verstanden haben, was Schalke bedeutet. Es ist eben KEINE Selbstverständlichkeit, über 500 km von Gelsenkirchen entfernt von 6.500 Fans unterstützt zu werden, da wäre 104prozentiger Einsatz das Mindeste! Und auch Trainer van Wonderen, der das Spiel teilweise reglos, teilweise sichtlich entsetzt von der Seitenlinie verfolgt, hat nicht gerade Eigenwerbung betrieben, auch in der nächsten Saison der Chefcoach zu sein. Hoffentlich rehabilitiert sich die Mannschaft im kommenden Heimspiel gegen den HSV…
