Paderborn – Schalke 2:4: Schalke lebt noch – und versetzt Fans in Ekstase!

Paderborn – Schalke 2:4: Schalke lebt noch – und versetzt Fans in Ekstase!

7. Dezember 2024 0 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 gewinnt das Auswärtsspiel beim zuvor souveränen Spitzenreiter SC Paderborn hochverdient mit 2:4 (1:2) und feiert mit den mitgereisten Fans eine völlig losgelöste Party. Susanne Hein-Reipen berichtet, ein wenig heiser vom Jubeln…

Das zweite Freitagabendspiel in Folge, Staus und absolutes Mistwetter – auch ohne die angesagte Vollkontrolle bekanntlich alles keine Gründe für den Schalker Auswärtsmob auf dem warmen Sofa zu bleiben. Die Parkplätze rund um die mit 15.000 Zuschauern restlos ausverkaufte Home Deluxe Arena, die eine gewisse optische Ähnlichkeit zum nahegelegenen Möbelhaus hat, füllen sich schnell. Auf dem Gästeparkplatz haken die hilfsbereiten Volunteers alle Schalker ab, Nikolaus persönlich verkauft Bier.

Ein feuchter Traum

Die Einlasskontrollen sind gründlich, aber freundlich, die Würstchen lecker, nur Petrus ist offenbar kein Fußballfan und lässt diverse Schauern unterschiedlicher Stärke über dem Stadion niedergehen, bis wirklich alles nass ist. Selbst das Panzertape zum Ankleben der Fahnen gibt den Geist auf. Der gutgelaunte Stadionsprecher spricht bei der Begrüßung trotzdem von „Traumwetter“ – „feuchte Träume mag ich am liebsten“ kommentiert ein Schalker grinsend.

Torhüter und Mannschaften werden vom jeweiligen Anhang freundlich zum Warmmachen empfangen, während etwas aus dem Lautsprecher scheppert, was sich wie „Die Stimme Westfalens“ anhört. Die Startelf von Chefcoach Kees van Wonderen besteht heute aus Heekeren, Murkin, Kaminski, Schallenberg, Bulut, Schallenberg, Bachmann, Seguin, Younes, Karaman, Aydin und Sylla. Dass Kalas nur auf der Bank sitzt und Kaminski startet, löst im Gästeblock eher verhaltene Begeisterung aus.

Nach dem „Dank ans Ehrenamt“, „Feliz Navidad“ und „Jump“ vom Band folgt die Aufstellung der Hausherren, wenig schmeichelhaft kommentiert durch den Gästeanhang. Auch die Untertitel unter dem Vereinslied („Oho-oho-ho, der liebe Gott singt uns ein Lied…“) führen beim bekannt sangesfreudigen Schalker Anhang eher zu Häme.

Wenn Schalke heute dieses Spiel gewinnt…

Die Mannschaften kommen auf den Platz und schwören sich jeweils kurz im Kreis ein, dann rollt der Ball – und die Ultras Gelsenkirchen beweisen nahezu prophetische Fähigkeiten und starten mit „Wenn Schalke heute dieses Spiel gewinnt… die Kurve tobt… Wenn Schalke heute die 3 Punkte holt…“. Erneut im Gästeblock am Start ist wie bereits in Hamburg auch Luca Podlech mit seinem Vater.

Auf dem Rasen geht es auch sofort richtig zur Sache, schon in den ersten Minuten kassieren Castaneda, der Ex-Schalker Schubert und Baur bei Zusammenstößen mit Karaman, Sylla und Aydin königsblaue Flecke. Schalke ist in dieser Startphase das aktivere Team – und dann grüßt das tägliche Murmeltier: Erster Angriff Paderborn und es steht 1:0 für die Hausherren, weil Kaminski Kostons ungehindert laufen lässt (12.). Der Torschütze rutscht provozierend genau vor den Gästeblock und prompt fliegen einige Bierbecher und Feuerzeuge, doch zum Glück wird keiner getroffen.

Die Schalkefans schalten jedoch schnell wieder auf Support und intonieren den Königsblauen S 04, „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“ und „Wir komm‘n von Berger Feld“. Auch die Mannschaft lässt sich nicht lumpen und spielt weiter kräftig mit. Eine Flanke von Seguin zu Karaman kann sich Schubert noch schnappen (20.), aber kurz darauf dürfen die ungefähr 3.500 Schalker jubeln: Younes, der insgesamt eine starke Partie abliefert, spielt einen Zuckerpass in die Schnittstelle zu Aydin, der wiederum zu Sylla querlegt. Beim ersten Versuch des Franzosen ist Schubert noch im Weg, aber der Abpraller sitzt zum umjubelten 1:1 im Netz (23.). Der VAR zuckt noch kurz, hat aber nix zu meckern.

Karaman trifft zur Pausenführung

Der verdiente Ausgleich befeuert die Stimmen weiter, „FC Schalke Neunzehn-hundert-vier, deine Kurve steht immer wieder treu zu dir“ und „Oho, kämpft und siegt für uns“ sind angesagt. Bachmann sieht wegen Ballwegschlagens die erste gelbe Karte des Spiels (25.). Auch die erste Ecke des Spiels geht an die Knappen, Murkin nimmt neben der Regenbogen-Eckfahne Anlauf, doch weder diese noch die beiden folgenden Ecken finden den Weg ins Tor.

In der 33. Minute reißen die ersten Schalker bereits die Arme hoch, weil Schubert einen Schuss von Murkin durchflutschen lässt, aber die Latte rettet für den bereits geschlagenen Keeper – schade! Auch Karaman (35.) und Schallenberg (39.) haben kein Schussglück. Trotzdem dürfen alle Schalker vor der Pause noch einmal jubeln, denn der Ball kommt von Seguin über Murkin zu Karaman, der Götze mit zwei Dribblings vernascht und an Schubert vorbei zum 1:2 ins lange Eck trifft (43.).

Der Jubel im Schalker Block ist vermutlich bis Gelsenkirchen zu hören, denn nach dem frühen Rückstand hatte kaum noch jemand eine so couragierte Leistung beim Spitzenreiter erträumt. „S04, nur mit Dir“ überbrückt lautstark die fünfminütige Nachspielzeit, dann geht es mit der Pausenführung und Applaus in die Kabinen.

Was bringt der zweite Durchgang?

Der Spielstand hebt die Laune der Gäste ganz ungemein, nasse Füße hin oder her. Die Frage bleibt: Schafft Schalke es, diese Leistung in den zweiten 45 Minuten zu bestätigen…? Die Mannschaft kommt jedenfalls personell unverändert wieder auf das Spielfeld, bei Paderborn ersetzt Klaas Baur. Mit „Attacke“, „Auf geht‘s Blauweiß, holt euch den Sieg für uns“ und „Geh‘n mit dir auf jede Reise“ meldet sich auch die Gästekurve akustisch wieder zur Stelle.

Leider meldet sich auch die SCP-Offensive wieder, nachdem die Schalker Defensive Zehnter entspannt beim Flanken zuschaut und Kostons und Götze sich mutterseelenallein vor Heekeren wiederfinden. So kann Götze locker zum 2:2-Ausgleich einköpfen (52.).

Der Gästeblock schüttelt sich einmal kurz und stimmt „S! 0! 4!“ und „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n“ an. Auf dem Platz sortieren sich die Knappen neu, wobei Younes nach einem Foul Gelb sieht und kurz darauf durch Antwi-Adjej (59.) ersetzt wird.

Bitte mal kneifen!

Zu „Schalke, ich bin für dich geboren“ geraten Heekeren und Kostons kurz aneinander, danach gehen die Königsblauen wieder in den Vorwärtsgang. Und nach einigen Minuten des Anrennens folgt die verdiente Belohnung:  Ein Freistoß von Seguin wird lang und länger und landet schließlich auf der Frisur von Karaman, der das Duell gegen Brackelmann für sich entscheidet und den Doppelpack zum 2:3 schnürt (69.). Im Gästeblock fliegt das Bier tief, der Stadionsprecher hingegen sagt weder Treffer noch Torschütze durch, sportlich ist anders.

Die Stadt erstrahlt jetzt lautstark in Blau, dann folgt einmal tief durchatmen, weil ein Kopfball von Götze haarscharf über die Querlatte segelt (72.). Im Gegenzug trifft Joker Antwi-Adjej nach einem sehenswerten Solo aus spitzem Winkel nur das Außennetz (75.). Mit einem Doppelwechsel bringt SCP-Coach Kwasniok Engels (für Kostons) und Platte (für Ansah). Klaas sieht Gelb wegen Meckerns.

Die nächste große Chance für Schalke geht auf Aydin, aber Schubert steckt all sein Können in eine Flugparade und kann zur Seite klären (82.). Beide Trainer bringen erneut frisches Personal, Kalas ersetzt Sylla, um die Defensive zu stärken, Grüger kommt positionsgetreu für Schallenberg, bei den Hausherren darf Bravo Sanchez für Curda ran. Mit „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und „Für deine Farben“ wird auch akustisch noch einmal alles nach vorne geworfen.

Dann die Entscheidung: Götze holt Antwi-Adjei kurz vor dem Strafraum von den Beinen, Seguin bringt den fälligen Freistoß zunächst in die Mauer und dann in den Fünfer, wo Bachmann seinem Bewacher entwischt und per Kopf das 2:4 erzielt (88.). Der Jubel im Gästeblock eskaliert nun vollends, der „Mythos“ ist angesagt, denn mit einem so souveränen Sieg beim Tabellenführer hatte keiner gerechnet. „Ich erkenne meine Mannschaft nicht wieder“ und „Kneif mich bitte mal einer“ machen die Runde.

Ein dickes Lebenszeichen im Abstiegskampf

Die restlichen regulären zwei Minuten plus 04 Minuten Nachspielzeit bringen außer einem weiteren Wechsel (Scheller für Castaneda) keine erwähnenswerte Szene mehr, der Schalker Anhang kann ungestört dem zweiten Auswärtssieg der Saison entgegenfeiern. „Sieg!“ und „Auswärtssieg“ sind dann auch nach dem Abpfiff nicht zu überhören.

Als die Mannschaft vor die Kurve tritt, wird sie von sattem Applaus und dem „Königsblauen S 04“ empfangen – beiden Seiten fallen nach dem Frust der letzten Wochen wahre Felsbrocken vom Herzen. Das Funktionsteam steht etwas verhaltener dahinter, nur Michi Langer strahlt wie ein Honigkuchenpferd. Mit „Auf geht’s Schalke, kämpfen und siegen“ wird die Mannschaft entlassen, Murkin, Kaminski und Aydin verschenken noch ihre Trikots. Auf dem Gästeparkplatz steht der Mannschaftsbus einträchtig neben den Fanbussen, die sich in Bestlaune auf den Heimweg in den Pott machen.

Durch den Dreier belegt Schalke mit nunmehr 16 Punkten den 13. Platz, Paderborn bleibt Spitzenreiter. Als Hausaufgaben für die nächste Woche bis zum Heimspiel gegen Düsseldorf sollte van Wonderen klären, warum die Mannschaft eine so überzeigende Leistung nicht eher abgerufen hat – und ob er vielleicht Kwasniok – der Paderborn-Coach hatte den Schalker Spieler den Zusammenhalt abgesprochen und so laut Karaman für zusätzliche Motivation gesorgt – als Kabinenredner buchen sollte. Scherz beiseite: Als Mannschaft zusammenzustehen und für den geilsten Club der Welt alles zu geben sollte auch ohne Extramotivation das Ziel jedes Spielers sein…