Nur 1:1 gegen Paderborn: Nordkurve auf Schalke verzeiht dem königsblauen Lazarett
9. Februar 2020Trotz zwischenzeitlicher Führung kommt der FC Schalke 04 nur zu einem leistungsgerechten Remis gegen den Tabellenletzten aus Paderborn. Die Enttäuschung über die über weite Strecken sehr ideenarme Darbietung ist groß; dennoch verzichtet die Nordkurve auf Pfiffe gegen das stark ersatzgeschwächte Team und spendet Applaus. Susanne Hein-Reipen über einen gebrauchten Nachmittag auf Schalke…
Samstag 15.30 Uhr, allerbeste Bundesliga-Anstoßzeit – und Verkehrschaos mit Ansage rund um das Berger Feld, weil der Trödelmarkt auf den Arena-Parkplätzen wie immer nicht pünktlich beendet ist. Pünktlich zum High Noon treffen sich abfahrende Trödler und anreisende Schalker zum erbarmungslosen Duell, dieses Mal noch verschärft durch einen Auffahrunfall auf der Hauptzufahrt zum Parkplatz D.
Immerhin: Wer den Parkplatz-Verteilkampf siegreich bestritten und sich damit für einen Aufräumjob in den Minen von Moria empfohlen hat, kann das Vorbereitungs-Bierchen bei Sonnenschein genießen, die Arena erstrahlt in blau und weiß. Gesprächsthema Nummer 1 ist die Aufstellung, vor allem für die nach den Verletzungsausfällen von Kenny und Caligiuri verwaiste rechte Seite.
#Steht auf
Das allgegenwärtige Motto des Tages ist #Steht auf, das sich u. a. in
unzähligen Graffiti auf Zuwegen und Straßen, auf den Auflauf-T-Shirts Erwins
und der Mannschaft und der Kapitänsbinde von Omar Mascarell wiederfindet.
Sebastian Buntkirchen von Schalke hilft! stellt am Mikro noch einmal die Anlaufstelle
gegen Diskriminierung und Gewalt vor, bei der alle Schalker rassistisches, sexistisches
oder anderweitig diskriminierendes Verhalten melden oder um Hilfe ersuchen können.
Großen Applaus bekommt die Delegation der Rosa Parks Schule aus Herten, die für ihr Engagement gegen Rassismus den „Ernst Alexander Preis 2020“ für Integration, Vielfalt und Toleranz erhält. Auch Bürgermeister Toplak freut sich über die Ehrung. Anschließend folgt ein Video, in dem zahlreiche Schalker Spieler, Funktionsträger, Mitarbeiter und Fans für Werte wie Frieden, Vielfalt, Integration, Gewaltlosigkeit und Fair Play aufstehen – klare Botschaft: Und wofür stehst Du auf…?! Dazu passend gibt es erstmalig auch eine Regenbogenflagge als Eckfahne.
Steckbrieflich gesucht: Elf gesunde Spieler
Wie bereits
beim Pokalspiel reagiert die Nordkurve mit gepflegter
Ignoranz auf Alexander Nübel. Ohne die Lautstärkeregler der Stadionregie
könnte man vermutlich Grillen zirpen hören… Mit 61.619 Zuschauern, darunter
circa 4.000 Paderborner, ist die Arena fast ausverkauft.
Die Aufstellung – Nübel, Oczipka, Nastasic, Kabak, Becker, Mascarell, Schöpf, McKennie,
Harit, Raman und Gregoritsch verblüfft: Mit
Timo Becker von den Schalker „Amas“ als Rechtsverteidiger hatten die wenigsten Fans
und Fachleute gerechnet, wenn mit Todibo und Miranda noch hochgelobte und
millionenteure Abwehrspieler auf der Bank sitzen. Auch Schöpf findet sich auf
der ungewohnten linken Mittelfeldseite wieder.
Die Gästekurve meldet sich kurz mit „Wir sind alles Paderborner Jungs“ zur Stelle, dann folgt ein flammender Appell von Sascha Riether, bitte keine Gegenstände auf den Platz zu werfen, „das haben wir nicht nötig!“ Anschließend werden das Steigerlied und „Blau und Weiß, wie lieb‘ ich Dich“ mit vollem Stimm-, Schal- und Fahneneinsatz in den Himmel über Gelsenkirchen geschmettert.
Fiese Farben und gute Laune
Die Paderborner kommen ganz in Grellgelb auf den Platz, bekanntermaßen nicht die ideale Farbe für ein harmonisches Date in Gelsenkirchen. Die Schalker treten mit #Steht Auf-Shirts zum Shakehands an, unter denen sich der königsblaue Heimdress versteckt.
Mit dem Anpfiff legt die Nordkurve direkt mit einem kleinen Pogo zu „Stadion geh’n, im Pappbecher Bier…“ und „Hey, Schalke ist die Macht“ los wie die Feuerwehr. Für die blauen Jungs auf dem Rasen gilt das leider nicht, Paderborn hat bereits in den ersten Spielminuten mehr vom Spiel und kommt zu zwei Ecken und einer halben Chance. Schalke wagt sich, angefeuert von „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“, erstmals in der 8. Minute in den Strafraum, aber Raman steht im Abseits. Kurze Zeit später muss Sabiri bereits verletzt vom Feld, für ihn kommt Gjasula.
Der Tabellenletzte zeigt sich von dem frühen Ausfall jedoch nicht im mindesten geschockt und erspielt sich eine Ecke nach der anderen, die jedoch zum Glück für Schalke folgenlos bleiben. Als Turm in der Schlacht im eigenen Fünfer erweist sich dabei auch Gregoritsch, der gemeinsam mit Oczipka viele hohe Bälle aus der Gefahrenzone bringt.
Maue erste Halbzeit
Von Schalke kommt im ersten Durchgang lange Zeit sehr wenig, obwohl die Nordkurve ununterbrochen supportet. „Auf geht‘s Blau-Weiß, holt Euch den Sieg für uns“, „Auf geht‘s Schalke schieß‘ ein Tor“, Schalke! Kämpfen! Siegen!“ und „Eine Stadt erstrahlt in Blau“ können die Mannschaft heute nicht beflügeln.
Startelf-Neuling Timo Becker hat zunächst einige Wackler drin, kann die Nervosität aber mit zunehmender Spieldauer etwas ablegen und kassiert einen Szenenapplaus für ein gewonnenes Laufduell.
Nach dem Wechselgesang Schalke! – Nullvier! und einer mehrfachen Schleife „Wir komm‘n vom Berger Feld…“ ist es dann so weit: In der 35. Minute hat Schalke in Gestalt von Weston McKennie die erste Chance, doch Zingerle entschärft seinen Schuss. Kurze Zeit später heißt es tief durchatmen für den Schalker Anhang, denn das Leder schlägt hinter Nübel ein, aber Torschütze Mamba stand im Abseits.
Als weiterer Wermutstropfen für die Schalkefans muss Ozan Kabak angeschlagen gegen Todibo ausgewechselt werden. Bitte nicht noch ein verletzter Stammspieler!