Nordkurven-Rückblick Januar – März 2019: Torwartwechsel, Abschied von Rudi Assauer und Rauswurf von Domenico Tedesco
29. Dezember 2019Wir woll’n Euch kämpfen sehn!
Doch wie wusste schon der große Philosoph Fabian Ernst? „Wir können noch schlechter“ und das beweist die Mannschaft am folgenden Spieltag in Mainz. Obwohl Mainz in Rot spielt und somit Königsblau problemlos möglich gewesen wäre, tritt Schalke in den verhassten grellgrünen Ausweichtrikots an und liefert beim 0:3 eine indiskutable Leistung ab. Die Gästekurve fordert mehrfach „Wir woll’n Euch kämpfen seh’n!“, auch „Wir ham die Schnauze voll!“ und „Wir sind Schalker und Ihr nicht“ sind zu hören. Nach dem 2:0 für Mainz hat die Kurve die Pappe vollends auf und stellt den Support vollständig ein. Die Vorsänger lassen die Megaphone sinken, tödliches Schweigen breitet sich aus. Das 3:0 in der 84. Minute lässt die Stimmung im Gästeblock endgültig unter den Gefrierpunkt kippen. Viele Fans machen ihrem Frust mit Becherwürfen, wüsten Beschimpfungen und hochgereckten Mittelfingern Luft, die Ultras hingegen rollen ihre Fahne ein und verschwinden vorzeitig – ein Novum nach über 15 Jahren unermüdlichen Supports. Zuvor hatten sie auf die höhnischen „Auf Wiedersehn“-Rufe des Mainzer Publikums untypisch zahm mit einem freundlichen Winken reagiert… Als die Mannschaft in die Kurve schleicht, lassen die angefressenen Fans ihrem Frust freien Lauf. „Außer Nübel könnt Ihr alle geh‘n“, Pfiffe, Mittelfinger und Bierbecher entladen die Wut der sonst treuesten Unterstützer. Mit gesenkten Köpfen und zusammengepressten Lippen lassen die Spieler die Breitseite und Beschimpfungen über sich ergehen, bevor sie wortlos kehrtmachen. Christian Heidel erklärt noch während des Spiels seinen Rücktritt spätestens zum Saisonende und bleibt direkt in Mainz; nur wenige Tage später sickert Jochen Schneider als neuer Vorstand Sport durch, darf aber erst nach einer bestätigenden AR-Sitzung die Geschäfte aufnehmen.
Supportboykott, Vertrauensentzug, Nordkurven-Binde weg: Schalke verliert das Spiel und die Fans!
Der März beginnt nicht minder beschissen: Das 0:4 gegen Fortuna Düsseldorf ist ein spielerischer Offenbarungseid. Nach dem 2:0 für die Gäste ist die Nordkurve sehr still, sammelt über 20 Minuten vor Spielende die Fahnen ein und baut die Lautsprecheranlage ab. Nur „Wir ham die Schnauze voll!“ ist noch zu vernehmen, nach dem 3:0 ist das „Wir sind Schalker und Ihr nicht!“, DIE verbale Höchststrafe nicht mehr zu überhören. So blutleer, so peinlich, so schwach hat sich schon lange keine Schalker „Mannschaft“ – Mannschaft??? – mehr auf heimischem Geläuf abschlachten lassen! Die Nordkurve ist jetzt komplett „nackt“, keine Fahnen, sogar das riesige „Nordkurve Gelsenkirchen“- Banner ist eingerollt. Klares Zeichen: Das ist nicht mehr unser FC Schalke! Schlimmer noch: Zwischendurch nehmen zahlreiche Schalker die „Ooooh, wie ist das schön“-Gesänge aus dem Gästeblock auf und verhöhnen die Spieler, dazu setzt eine massive Abwanderungswelle ein. Nach dem Schlusspfiff sind die noch in der Arena ausharrenden Schalker restlos bedient. Während die Fortunen glücklich die Welle zelebrieren, fordert die Nordkurve mit einem gellenden Pfeifkonzert die Mannschaft. Tedesco geht voran, was ihm einige anerkennende „Eier hat er ja, auch wenn der Fußball grausig ist“-Bemerkungen einträgt, andere fühlen sich heftig an Ralf Rangnicks Ehren- und Abschiedsrunde erinnert.
Während die Mannschaft betreten vor der Kurve steht, kommen Kanne und Dennis, die beiden „Capos“ der Ultras Gelsenkirchen herüber und texten sichtlich aufgebracht auf sie ein – und fordern aufgrund der erbärmlichen Leistung die vor der Saison überreichte „Nordkurven-Kapitänsbinde“ zurück! Diese sollte den Zusammenhalt zwischen Kurve und Mannschaft stärken, der in der Vorsaison dank des gezeigten Einsatzes und der Leidenschaft der Mannschaft für den geliebten Verein entstanden war – und von dem nunmehr nichts mehr zu spüren ist. Die Meinungen des Publikums über diese symbolische „Trennung“ gehen weit auseinander, das Thema beherrscht die folgende Woche in den Medien.
Die bange Frage ist: Ist Tedesco noch zu halten? Das nächste Spiel führt nach Bremen; vorher verteilt das Bündnis „Nordkurve Gelsenkirchen“ im Stehbereich große blaue und weiße Gummifinger. Der zugehörige Choreo-Zettel fordert unter der fettgedruckten Überschrift ***ABSTIEGSKAMPF!*** „jeden Spieler und jeden Fan“ auf, Zusammenhalt zu demonstrieren und alles dem gemeinsamen Ziel, die nötigen Punkte für den Klassenerhalt zu sammeln, unterzuordnen. Lasst uns unsere Stimmen erheben und gemeinsam die Punkte erzwingen! Die Zeit der Ausreden ist vorbei! Der Support ist entsprechend schwungvoll und die Schalker Mannschaft mischt bis zur Pause gut mit, gerät dann aber durch eine Elfmeter-Entscheidung des VAR nach einem Allerweltszweikampf zwischen Kruse und Bruma ins Hintertreffen und verliert Ende mit 2:4 und obendrein Daniel Caligiuri mit einem Wadenbeinbruch. Haste Scheixxe am Fuß, haste Scheixxe am Fuß.
0:7 in Manchester: Trennung von Tedesco ist unausweichlich
Nicht nur am Fuß, sondern bis zur Oberkante Unterlippe steht das fußballerische Ungemach beim Rückspiel in Manchester: Mit 7:0 und damit der höchsten Niederlage einer deutschen Mannschaft in der Königsklasse überhaupt verabschiedet sich der FC Schalke 04 bis auf Weiteres aus dem europäischen Geschäft. Zuvor sind geschätzt zwei Drittel der knapp 3.000 Schalker im Partnerlook hinter einem großen Banner „Steh’n zu Dir in schlechten Zeiten“ mit ohrenbetäubendem „Hurra, Hurra, die Schalker die sind da!“ Richtung Etihad Stadium hermarschiert. Hier! Regiert! Der! S 04! Wir schlugen Roda, wir schlugen Trabzon… Oho, international, Schalke international, die Eurofighter sind wieder da! Vorneweg reiten und marschieren einige grellgelb gewandete Bobbies, dahinter folgt der Schalker Block. Am Straßenrand und an den Fenstern staunen Einheimische zum Teil mit offenen Mund, was die Gäste aus Germany für einen Alarm machen. Besonders geil kommen „Haust Du City heut raus, rasten alle hier aus“ und ein kleiner Pogo zu „Stadion geh’n, im Pappbecher Bier“ rüber. Auch Grüße an die Fanfreunde aus Salernitana, Enschede und natürlich den FCN dürfen nicht fehlen. In der Dämmerung wirkt der einheitliche Schalker Block einfach nur gewaltig. Auch im Stadion ist der königsblaue Support zunächst großartig, die Abwehr hält bis zur 33. Minute stand, zerfällt dann jedoch in ihre Einzelteile. Am Ende heißt es 7:0, Fährmann war noch der Beste an diesem Abend. Der Schalker Anhang, der „einige Minuten“ Blocksperre hat, hängt halb paralysiert auf den Sitzen und versucht, die Katastrophe einigermaßen zu verarbeiten. Als die Mannschaft gen Kurve schleicht, schlägt ihr weitgehend eisiges Schweigen entgegen, selbst für Pfiffe fehlt den meisten die Energie. Gleichgültigkeit, die Höchststrafe… Erst als sich die Spieler abwenden, erklingen einzelne wütende Pfiffe. Es muss etwas passieren, aber was???
Haare schön, Fußball scheiße – f*ckt Euch
…der klassische Mechanismus im Profifußball: Der Trainer fliegt. Sichtlich betroffen verkündet Jochen Schneider zwei Tage später das Aus für Domenico Tedesco. Mit Huub Stevens, Mike Büskens und Gerald Asamoah sollen drei Schalker Urgesteine den Abstieg verhindern. Deren Debüt geht jedoch in die königsblaue Hose: Gegen RB Leipzig setzt es trotz passabler Ansätze durch ein Tor von (ausgerechnet) Timo Werner eine weiterer 0:1-Heimniederlage. Die Nordkurve präsentiert über weite Teile des Spiels ein DANKE DOMENICO-Transparent und arbeitet sich an der Mannschaft ab: An Stelle des Nordkurve Gelsenkirchen-Banners hängt, an Deutlichkeit kaum zu überbieten, „Den Trainer rasiert, uns in Europa blamiert und Schalke nie kapiert: Söldner aussortieren!“ Noch drastischer drücken es die „Marler Jungs“ aus dem I-Block aus. „Haare schön, Fußball scheiße – fickt Euch“ lautet ihre Botschaft nach dem Besuch des Starfriseurs vor dem Horrorkick in Manchester.
Zumindest die Einschätzung bezüglich des Fußballs ist auch bei besonnenen Gemütern absolut mehrheitsfähig… Die vierte Bundesliganiederlage in Folge und der gleichzeitige Sieg des FC Augsburg führt Schalke auf Platz 15, drei Punkte vor dem Relegationsplatz. Und den Fans gefällt das trotz der erkennbaren Leistungssteigerung nur sehr bedingt, so schnell sind die vergangenen Wochen nicht vergessen, die den Verein in diese brenzlige Lage gebracht haben. Als die Mannschaft nach Abpfiff in die Kurve kommt, warten dort bereits die neu formierten Banner-Teile „Danke Domenico“ und „Söldner aussortieren“ vom Spielbeginn, dazu gibt es weitgehend eisiges Schweigen, das die Mannschaft schnell betreten beidrehen lässt. Sebastian Rudy nimmt das später zum Anlass, sich über die Fans zu beklagen und befördert seinen verwöhnten Münchner Hintern so dauerhaft auf die schwarze Liste.
In der folgenden Länderspielpause ist Wundenlecken und Teambuilding angesagt; zudem erscheint die Konzernbilanz 2018, die dank der CL-Einnahmen und des lukrativen Verkaufs von Thilo Kehrer mit Rekordumsatz und –gewinn aufwarten kann und das Eigenkapital nach langen Jahren tiefroter Zahlen wieder in den positiven Bereich bringt. Bei der „Trofeo Antonio Puerta“ in Sevilla verliert Schalke mit 0:2 gegen die Gastgeber; Huub Stevens testet dabei ausgiebig die Reservisten.
Das nächste Pflichtspiel hingegen ist Abstiegskampf pur: Trotz des Frustes der letzten Wochen pilgern über 10.000 königsblaue Fans nach Hannover dabei und schreien die Mannschaft zu drei superwichtigen Punkten. Der Kick ist grausam, aber es war von vorneherein klar, dass es nicht um Schönheitspreise geht – und dank eines Krachers von Serdar und einiger Glanztaten von Nübel gewinnt Schalke mit 1:0. Auswärtssieg!!!
Morgen geht es mit April bis Juni weiter – freut Euch auf den Derbysieg, tolle Choreographien undund und!
Bzgl des letzten Absatzes : Mendyl sollte lt Tedesco “ die Tiefe attackieren “ . Ein unvergessenes Bonmot
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