Lügen und Wahrheiten über Schalkes Konzernbilanz 2023: Absteigen verboten!
21. März 2024Anfang der Woche veröffentlichte der FC Schalke 04 seinen Konzernbericht für das Jahr 2023 – und die Schlagzeilen dazu schöpfen die volle Bandbreite zwischen „Endlich schwarze Zahlen“ und „Absturz, Abstieg, Insolvenz“ aus. Juristin Susanne Hein-Reipen erklärt, was dahintersteckt…
Zahlen, Daten, Fakten
Die guten Nachrichten zuerst: Erstmals seit 2018 steht unter dem Strich ein Gewinn von 6,9 Mio., der Umsatz ist auf 168,3 Mio. Euro gestiegen, die Finanz- und Gesamtverbindlichkeiten sind gesunken, ebenso das negative Eigenkapital.
Nicht ganz so gut: Schalke musste rund 16 Mio. Euro alleine für Tilgung und Zinsen der Verbindlichkeiten aufbringen, das ist mehr Geld, als so mancher Zweitligakonkurrent insgesamt in die Mannschaft steckt – und dieses Geld steht natürlich nicht für sportliche Investitionen zur Verfügung. Und: Die Verbindlichkeiten und insbesondere das negative Eigenkapital sind immer noch verdammt hoch (103,3 Mio. Euro) und führen dazu, dass Schalke Gewinne schreiben und so das negative Eigenkapital um mindestens fünf Prozent (ca. 5,5 Mio. Euro) senken MUSS, um einen Punktabzug laut den verschärften DFL-Statuten abzuwenden.
Und gar nicht gut: Am Ende (S. 57 des Geschäftsberichts) steht lapidar: „Bei einem Abstieg in die 3. Liga nach der Saison 2023/2024 ergeben sich ausweislich der erstellten Unternehmensplanung des Vorstands (…) Liquiditätslücken. … Diese Ereignisse und Gegebenheiten zeigen, dass eine wesentliche Unsicherheit besteht, die bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit des Vereins zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen kann und die ein bestandsgefährdendes Risiko im Sinne des § 322 Abs. 2 Satz 3 HGB darstellt.“ Das heißt leider nichts anderes als „Bei einem Abstieg fehlen erhebliche Einnahmen und deshalb könnte die Lizenz und damit die Existenz des Vereins gefährdet sein.“
Keine Lizenz für Liga Drei?
Allen, die sich jetzt im Rhein-Herne-Kanal ertränken wollen, sei gesagt: Erstens ist Schalke noch nicht abgestiegen. Auch wenn der gruselige Auftritt bei der Berliner Hertha wenig Anlass zum Optimismus gibt, eröffnet das Restprogramm noch alle Möglichkeiten, aus eigener Kraft den Klassenerhalt zu schaffen.
Und zweitens: Es steht entgegen der Meinungen diverser Clickbaitjournalisten, Untergangspropheten und Internethools NICHT fest, dass Schalke im Falle des Falles keine Lizenz für Liga 3 bekommen würde – denn ein solches Szenario gab es noch NIE: Weder Schalke noch die dritte Liga musste sich bisher mit einem vergleichbaren Fall rumschlagen. Ein Verein mit auch nur annähernd den wirtschaftlichen Kennzahlen von Schalke ist noch nie in die dritte Liga abgestiegen. Der durchschnittliche Umsatz der Drittligisten beträgt 13 Mio. Euro im Jahr, die durchschnittliche Zuschauerzahl 8.200, da passt Schalke schlicht nicht ins Raster.
Nicht ins Raster passen aber leider auch die Verbindlichkeiten und die Eigenkapitalauflage, die zusammen bereits über 20 Mio. Euro aus dem Rennen nehmen würden, bevor auch nur ein einziges Spielerbein bezahlt ist – Grund genug, das Schicksal und den Lizensierungsausschuss nicht auf die Probe zu stellen und alles, aber auch wirklich alles für den Klassenerhalt zu tun! Dies gilt natürlich zunächst für die Spieler und sportlich Verantwortlichen, aber auch die Fans sollten mit ihrem Support unterstützen, auch wenn die Leistungen manchmal zum Verzweifeln sind.
Wettbewerbsfähigkeit in der zweiten Liga sieht gut aus
Für die zweite Liga sähe es hingegen im Falle des Klassenerhalts besser aus als befürchtet: Das Budget würde sich ungefähr auf dem Niveau der laufenden Saison in Höhe von ca. 20 Mio. Euro bewegen und wäre damit klar im oberen Drittel der Liga. An dieser Stelle ist unbedingt auch der Vorwurf, Christina Rühl-Hamers würde Schalke „kaputtsparen“ und nicht das notwendige Geld für sportliche Investitionen zur Verfügung stellen, ins Reich der Fabeln zu verweisen: Schalke hatte diese Saison den drittteuersten Kader der Liga, Schallenberg war sogar ligaweit der teuerste Transfer der Saison.
Es lag somit trotz der Verbindlichkeiten nicht an fehlendem Geld, sondern daran, dass die vorhandene Summe nicht gut genutzt wurde, um einen konkurrenz- oder gar aufstiegsfähigen Kader zusammenzustellen. Die für die Kaderplanung Verantwortlichen Peter Knäbel, André Hechelmann und Thomas Reis stehen denn auch alle nicht mehr in Schalker Diensten. Eine vernünftige Kaderplanung, wo der Ertrag mindestens zum Aufwand passt oder ihn besser noch übertrifft, ist daher absolut existenziell für die Zukunft.
Veltins-Arena als wichtige Einnahmequelle
Ebenfalls eminent wichtig sind unsere konstant guten Einnahmen in den Bereichen Spielbetrieb, Merchandising und Catering. Positive Chancen für die Ertragskraft bietet auch die Veltins-Arena als Veranstaltungsort mit mehreren Großevents wie Taylor Swift, AC/DC und diversen Schlagerpartys.
Sparen, sparen, sparen!
Alarmierend ist, dass trotz dieser für die zweite Liga weit überdurchschnittlichen Ertragskraft kaum operative Gewinne entstanden sind. Der Gesamtgewinn ist vor allem höheren Einnahmen in der ersten Bundesliga und den Transfererlösen im 2. Halbjahr (Bülter, Zalazar, Pieringer) zu verdanken. Ohne diese Transfererlöse hätte Schalke in der Hinrunde der zweiten Liga trotz Vollauslastung der Arena einen Verlust von ca. 20 Mio Euro schreiben müssen.
Damit steht fest: Die Kosten sind viel zu hoch. Extrem teuer sind insbesondere die nicht auf den Kader entfallenden Personalkosten -bei einer Gesamthöhe von 73 Mio. Euro entfallen zwei von drei eingesetzten Euro NICHT auf kickendes Personal. Auch die sonstigen betrieblichen Aufwendungen sind mit 57,8 Mio. Euro stark überdimensioniert. Auf gut Deutsch: Schalke leistet sich zumindest teilweise noch Strukturen auf Championsleague-Niveau, die aber (natürlich) mit Zweitligaeinnahmen, egal wie gut, nicht zu bezahlen sind.
Der von dem Vorstandsvorsitzenden Matthias Tillmann avisierte Personalabbau ist daher wirklich alternativlos. Natürlich ist das für jeden Betroffenen ein unschöner Weg und sollte so sozialverträglich wie möglich gestaltet werden, aber anders kann Schalke finanziell nicht auf einen grünen Zweig kommen. Je länger Schalke in der 2. Liga bleibt, desto mehr muss auch die Vereinsverwaltung geschrumpft werden, um das vorhandene Kapital für den relevanten sportlichen Bereich freizusetzen.
Woher soll das Geld kommen?
Neben den unumgänglichen Einsparungen ist auch jeder zusätzliche Euro an Einnahmen willkommen. Eine Möglichkeit dazu wären bessere Sponsoringverträge, allerdings fahren in der aktuellen wirtschaftlichen Situation viele Unternehmen ihre diesbezüglichen Ausgaben eher runter als rauf und auch die mit der Sponsorenfindung beauftragte Sportfive-Agentur kann vermutlich keinen Goldesel herbeizaubern.
Es ist deshalb leider nicht auszuschließen, dass Schalke auf Einmaleffekte wie den Verkauf von Rechten zurückgreifen muss. Das Problem dabei ist aber natürlich, dass dies zukünftige Erlöse schmälert und die Verhandlungsposition aktuell besch…eiden ist. Aus demselben Grund würde auch eine Ausgliederung aktuell absolut keinen Sinn machen, weil Schalke sich weit unter Wert verkaufen müsste.
Unpopulär wären auch Erhöhungen des Mitgliedsbeitrags, der Kartenpreise oder der Parkgebühren, nachdem bereits am Jahresanfang die Cateringpreise „angepasst“ wurden.
Der Königsweg wäre natürlich sportlicher Erfolg, idealerweise mit dem Aufstieg in die erste Liga und damit verbundenen deutlich höheren Fernseheinnahmen und/oder lukrativen Transfers selbst ausgebildeter Spieler. Dieser Weg wird allerdings kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer…