Kaiserslautern – Schalke 4:1: „Wir ham die Schnauze voll“ – Grottenkick bringt Fans in Rage

Kaiserslautern – Schalke 4:1: „Wir ham die Schnauze voll“ – Grottenkick bringt Fans in Rage

27. Januar 2024 0 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 verliert das Auswärtsspiel beim 1. FC Kaiserslautern trotz eines Treffers von Rückkehrer Darko Churlinov aufgrund desaströsen Defensivverhaltens mit 1:4 (0:1) und muss sich nach dem Schlusspfiff von den gut 5.000 mitgereisten Fans etliche Beschimpfungen anhören. Susanne Hein-Reipen berichtet vom Betzenberg…

Freitagabend, Auswärtsspiel, 350 km Entfernung und Bahnstreik: Was bei manch anderem Verein für einen halbleeren Gästeblock sorgen würde, kann die königsblaue Auswärtsmeute nicht schrecken und so rollen bereits ab dem Vormittag zahlreiche Autos und Busse die A 61 und A 3 hinunter. In Kaiserslautern angekommen, nutzen die meisten den riesigen P & R-Parkplatz KL-Ost/Schweinsdell und freuen sich über den kostenlosen und reibungslos organisierten Shuttle-Service.

Fütterung der Raubtiere

Sowohl in den Bussen als auch bei der leckeren Wurst am „Servus“ und dem anschließenden „Aufstieg“ Richtung Betzenberg mischen sich rote Teufel und blaue Knappen komplett problemlos; auch die zahlreich vertretene Polizei heißt die Fans willkommen. Zahllose kreative Sticker beider Vereine säumen den Weg zum Gästeeingang am Werner-Liebrich-Tor, wo zwei Dixie-Klos dazu einladen, das Fahrbierchen nicht in der Botanik zu entsorgen. An der Ostfassade des Stadions ist die Trophäensammlung des FCK zu erkennen.

Die Einlasskontrollen fallen sehr gründlich, aber fair aus; für Erstaunen sorgen allerdings die rundum vergitterten Cateringstände. „Ist ja wie im Zoo!“ witzelt ein Schalker, als sein Bier im Otto-Rehhagel-Gedächtnisbecher durch das kleine Fensterchen gereicht wird. „Jedes Gitter hat seine Geschichte“ grinst sein Kumpel.

Betzenberg ist eine Reise wert

Im Stadioninneren dann Einigkeit: Der traditionsreiche „Betze“ mit den steilen Rängen ist ein ziemlich geiles Fußballstadion. Der Gästeblock begrüßt die Keeper Fährmann und Müller; bei den Gastgebern wird Weltmeister Erik Durm mit Applaus in die Fußballrente verabschiedet. Vor der heimischen Westkurve hängt ein langes Banner mit der Aufschrift „Gemeinsam zum Klassenerhalt, gemeinsam unzerstörbar“.

Als die Schalker Feldspieler zum Warmmachen auf den Platz kommen, sprintet Rückkehrer Darko Churlinov erst einmal vor die Kurve und feiert seine Heimkehr. Er muss allerdings zunächst mit einem Bankplatz vorlieb nehmen; als Startelf schickt Chefcoach Karel Geraerts Fährmann, Brunner, Kalas, Baumgartl, Murkin, Seguin, Tempelmann, Mohr, Karaman, Topp und Terodde ins Rennen.

FC Schalke 04, Deine Kurve steht stolz und treu zu Dir

Im Gästeblock laufen derweil die Vorbereitungen für eine Auswärts-Choreo auf Hochtouren. Tausende blauer und weißer Einmal-Regenponchos sowie große Bahnen vor dem Block sorgen für ein makelloses blau-weißes Bild.

Zunächst gilt es noch, einige Lauterer Lieder und die Aufstellung des FCK sowie das Vereinslied abzuwarten, dann kommen die Mannschaften auf das Feld und der Gästeblock entrollt einen riesigen Wimpel mit der Inschrift FC Schalke 04/Deine Kurve steht stolz und treu zu Dir/Blau und Weiß, wie lieb‘ ich Dich“. Gänsehaut pur! Auch die Heimkurve gefällt mit abertausenden Wunderkerzen und der lautstarken Ansage „Hier regiert der FCK!“. Mit 49.327 Zuschauern ist die Hütte voll.

Frühe Gegentore als Seuche der Saison

Schalke hat, angefeuert mit „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen“ und „Eine Stadt erstrahlt in Blau“ Anstoß; die ersten Aktionen gehen jedoch mit Ritter, Puchacz und Tachie an den FCK. Brunner sieht im Zweikampf mit Tachie seine 5. Gelbe Karte und muss im nächsten Heimspiel gegen Braunschweig zuschauen (9.). Doch es kommt noch schlimmer: Ritter schlenzt den fälligen Freistoß an der Mauer vorbei aufs Tor, wo Fährmann den Ball genau vor Aches Füße abklatschen lässt. Der Stürmer staubt dankbar zum 1:0 für die zuletzt siebenmal in Folge geschlagenen roten Teufel ab (10.), der VAR bestätigt das Tor trotz der passiven Abseitsstellung einige Lauterer.

Der Gästeblock ist über das erneute dumme und frühe Gegentor frustriert, setzt den Support aber unvermindert mit „Hurra, hurra, die Schalker die sind da“ und „Wir komm‘n vom Berger Feld“ fort. Die Westkurve zeigt ein großes Banner „Es bleibt dabei: Nein zu Investoren in der DFL!“, woraus sich ein schwungvoller „Scheixx DFL!“-Wechselgesang beider Fanlager entwickelt.

Terodde im Abseits

Schalke bemüht sich derweil, angeführt von Kapitän Terodde, um den Ausgleich. Einmal kann Toure vor dem Rekordtorjäger der zweiten Liga klären (12.), dann zappelt der Ball im Netz (20.), doch die Fahne ist bereits oben, denn Terodde stand beim schönen Zuspiel von Topp hauchdünn mit dem Knie im Abseits.

In der Folgezeit hat Schalke zwar deutlich mehr Ballbesitz, aber keine zwingenden Offensivaktionen, von Lautern ist außer einem Entlastungsangriff über Tachie wenig zu sehen. Anlässlich einer kurzen Behandlungspause von Elvedi nach Zusammstoß mit Terodde pöbeln sich die Fanblöcke einmal kurz an und widmen sich dann wieder der Unterstützung des jeweils eigenen Teams. Um die halbe Welt sind wir gefaaaahr’n, immer wieder feuern wir euch aaaan…

In der 44. Minute schickt Tempelmann aus knapp 20 Metern Torentfernung einen schönen Rechtsschuss Richtung Lauterer Tor, doch der Ball segelt knapp über die Latte. Die fünfminütige Nachspielzeit bringt zu „Geh‘n mit dir auf jede Reise“ und „S! 0! 4!“ einen Dropkick von Seguin genau in die Arme von Krahl, dann ist Pause.

So beginnen eigentlich Fußballmärchen…

Die meisten mitgereisten Schalker sind optimistisch, dass das Ruder im zweiten Durchgang noch herumgerissen werden kann, zumal unter lautstarkem Applaus Churlinov für Tempelmann eingewechselt wird. Die Regenponchos werden nun als Fahnen geschwenkt und untermalen den „Königsblauen S 04“ und „Olé Blau-Weiß“ optisch.

Und Churlinov tut, was Churlinov tun muss: Nach einem Traumpass von Karaman genau in den Lauf des Rückkehrers bleibt er cool wie ein Eiswürfel und schiebt den Ball per Flachschuss zum umjubelten 1:1-Ausgleich ins Tor (51.). JaaaaaaaaAAAAAAA! Der Schütze stürmt überglücklich vor dem Gästeblock und wird frenetisch abgefeiert. Eigentlich der perfekte Beginn, um das Spiel zu drehen und ein Fußballmärchen zu schreiben…

…aber uneigentlich ist das Schalke 2024 – und zwei gelbe Karten für Churlinov und Niehues und eine vergebene Chance für Karaman (57.) später steht es plötzlich 2:1 für die Hausherren, weil Tachie unbedrängt zu Ache flanken darf, der wiederum im Zentrum inmitten der Schalker Abwehr zur erneuten Führung für den FCK einnicken darf (59.).

Schalke lässt sich abschießen

Der Gästeblock ist sauer, dass es den gegnerischen Stürmern einmal mehr sehr leicht gemacht wird, supportet aber weiter mit „Für deine Farben leben und sterben wir“. Nach Geraerts (Lasme für Topp) schickt jetzt auch Ex-Schalke-Coach Grammozis an der Linie der Pfälzer mit Opoku, Simakala und Debütant Stojilkovic für Ache, Tachie und Ritter drei frische Offensive aufs Feld.

Lautern befindet sich nun wieder im Vorwärtsgang und hat durch die Joker Stojilkovic (63.) und Simakala (67.) zwei Torannäherungen, die dritte sitzt dann: Freistoßflanke Tomiak, Stojilkovic hat rechts im Fünfmeterraum viel zu viel Platz und köpft mit Aufsetzer zum 3:1 ein (67.). Und als wäre das nicht bereits bitter genug, darf nur drei Minuten später mit Opoku der nächste Joker unter freundlichem Geleitschutz der Schalker Abwehr frei aufs Tor schlenzen, wo Fährmann den Ball nicht mehr entscheidend ablenken kann. 4:1 in der 70. Minute.

Schalkefans stellen den Support ein

Der Frust im Gästeblock ist angesichts des desaströsen Abwehrverhaltens riesig, die Fahnen sinken, jeglicher optischer und akustischer Support wird eingestellt. Die Westkurve feiert die sichere Führung fröhlich mit „Nur der FCK“ und zeigt ein Banner „Danke und Chapeau, Erik Durm – einmal Lautrer, immer Lautrer“.

Geaerts schöpft nun auch das Wechselkontingent aus und ersetzt Brunner, Mohr und den sichtlich frustrierten Terodde durch Matriciani, Latza und Kabadayi, am Spielverlauf ändert das aber nichts mehr. Seguin (79.) und Murkin (81.) probieren zwar noch Abschlüsse, doch Schalke muss noch dankbar sein, dass Stojilkovic (84.) und Simakala (86.) knapp das Tor verfehlen. Unter FCK-Wechselgesang und „Sieg!“-Rufen der Westkurve kommen noch Zimmer und Redondo für Ronstadt und Puchacz; Seguin sieht Gelb. Die fünfminütige Nachspielzeit erbringt nur Totenstille im Gästeblock und einen abgerutschten Schussversuch von Kabadayi (90+3.), dann erlöst der Schlusspfiff die Schalkefans. Müsste man nicht ohnehin auf die Shuttlebusse warten, wären die Reihen wohl bereits deutlich gelichtet.

WIR HAM DIE SCHNAUZE VOLL

So aber ist der Block noch voll, als die Mannschaft mit hängenden Köpfen Richtung Kurve schleicht und mit etlichen Beschimpfungen hochgereckten Mittelfingern und der deutlichen Ansage „WIR HAM DIE SCHNAUZE VOLL“ begrüßt wird. Mit betretenen Gesichtern starren die Spieler eine Minute lang auf die aufgebrachte Menge und wenden sich dann unter gellenden Pfiffen ab.

Kaiserslautern zieht durch den Dreier mit nunmehr 21 Punkten an Schalke vorbei auf Rang 14, Braunschweig könnte mit einem Heimsieg gegen Magdeburg zu Schalke auf Platz 15 mit 20 Punkten aufschließen – und die nächste Partie ist Schalke – Braunschweig, Abstiegskampf pur…

Geraerts und Karaman zeigen sich im sky-Interview nach dem Spiel zwar einsichtig „Für die Fans habe ich absolutes Verständnis. Die reisen hier fünf, sechs Stunden aus Gelsenkirchen an und wir liefern dann so einen Dreck ab.“, doch wenn die Spieler den zahlreichen Lippenbekenntnissen nicht wirklich bald Taten und ein anderes Auftreten folgen lassen, brennt der Baum bald noch stärker als ohnehin schon. Schalkefans verzeihen Vieles, aber nicht mangelnden Einsatz und stures Festhalten an falschen Spielern.