„Justice for George“
2. Juni 2020Es war vielleicht die beste Schalker Szene des Spiels gegen Werder Bremen. Die Armbinde von Weston McKennie. „Justice for George Floyd“ stand darauf, natürlich ein Verweis auf den Tod des US-Amerikaners George Floyd.
Floyd war von einem Polizisten so schwer verletzt worden, dass er später starb.
Der Protest, der sich in den USA (wieder einmal) als Reaktion auf Polizeigewalt formiert, ist ein anderes und vielschichtiges Thema. Einzustehen gegen Gewalt, gegen Rassismus und Unterdrückung oder Diskriminierung dagegen sind ziemlich einfach. Selbstverständlich.
KcKennie trug beim 0:1 gegen Bremen eine Armbinde, auf der „Justice for George Floyd“ zu lesen war. Auf Twitter teilte er mit, er habe sich verpflichtet gefühlt, auf den brutalen Tod von Floyd hinzuweisen. „Alle Augen sind auf die Bundesliga gerichtet, als dachte ich, es gebe keinen besseren Ort und Zeitpunkt.“ Er werde auch weiter für Floyd einstehen – und andere, die unter ähnlich sinnlosen Umständen getötet wurden.
McKennie war aber nicht der einzige Bundesliga-Profi, der sich am Wochenende zum Fall Floyd äußerte oder öffentlich machte. Gladbachs Marcus Thuram kniete nach seinem Tor zum 2:0 gegen Union nieder. Und auch beim BVB bezogen Jadon Sancho und Achraf Hakimi Stellung – mit der Botschaft „Justice for George Floyd“ auf dem T-Shirt.
Thurams Jubel ist unkritisch, weil keine „nachlesbare“ Botschaft enthalten war. Wegen der Shirt-Aktion der Dortmunder und McKennies Armbinde ermittelt nun der Kontrollausschuss des DFB, sozusagen von Amts wegen.
Politische Botschaften sind im Fußball nicht gern gesehen und werden in aller Regel geahndet. In den Regularien ist deutlich vermerkt, dass politische Botschaften auf Shirts o.ä. nicht erwünscht sind und Sanktionen nach sich ziehen können. Proteste dieser Art gibt es immer wieder. 2014 starb Eric Garner unter ähnlichen Umständen, und auch damals gab es schon ähnliche Botschaften (damals u.a. von Anthony Ujah, 1. FC Köln).
Nun wirft das zwei altbekannte Fragen auf: Wenn Menschen „politisch“ sind, weil sie auf das reagieren, was Politik tut, kann der Fußball dann wirklich unpolitisch sein?
Und viel wichtiger: Hat der Protest gegen Rassismus und Diskrimierung, schlichtweg gegen Unrecht, wirklich etwas mit dem zu tun, was FIFA oder DFB als Politik bezeichnen? Oder ist das nicht eher gesunder Menschenverstand und Moral? Die Antwort ist eigentlich simpel: Anstand und Haltung gegen Unrecht sollte selbstverständlich sein.
Gerade der DFB, der in den vergangenen Jahren so häufig Anti-Rassismus-Kampagnen fuhr, kann sich hier nicht plötzlich anders aufstellen. Der Kontrollausschuss sollte die Ermittlungen beenden und das Thema wäre durch. Allerdings betonte der DFB in einer ersten Stellungnahme, dass während des Spiels der Sport im Mittelpunkt stehen sollte. „Vor und nach dem Anpfiff gibt es selbstverständlich Möglichkeiten für entsprechende Aktionen“, so DFB-Vize Dr. Rainer Koch. Auf der anderen Seite: Was abseits des Spiels geschieht, erlangt nicht die gleiche Aufmerksamkeit – was in diesem oder ähnlichen Fällen von den Fußballverbänden wohl erwünscht ist. Und wenn man Fußballer denn nun mit einer Vorbildfunktion belegt, dann wäre ein sichtbares Verhalten gegen Rassismus und Unrecht sicher nicht das schlechteste Vorbild.
Es wäre schlichtweg unverständlich, wenn hier eine Formalie höher bewertet würde als gesunder Menschenverstand. Ganz nebenbei hatte DFB-Präsident Fritz Keller formuliert: „Ich habe großen Respekt vor Spielerinnen und Spielern, die Haltung haben und ihre Solidarität zeigen, solche mündigen Spielerinnen und Spieler wünsche ich mir, auf sie bin ich stolz. Moralisch kann ich die Aktionen am vergangenen Wochenende absolut verstehen.“
In diesem Zusammenhang kommt gelegentlich die Frage auf, was denn mit Solidaritätsadressen ans türkische Militär oder den türkischen Präsidenten sei? Nach gleicher Logik müsse das doch auch erlaubt sein. Oder? Tatsächlich ist das ein schwieriges Thema oder klare Antwort. Der Unterschied ist aber augenfällig: McKennies Protest richtet sich klar gegen eine Handlung, die nach jeder Regelauslegung strafbar war und zudem menschlich verdorben. Er hat weder ein Parteilogo gezeigt noch für eine Politik geworben. Er hat Haltung gezeigt gegen Unrecht, etwas, wofür jede/r einstehen sollte.
Es war das beste Schalker Zeichen.