Hertha BSC – Schalke 04 3:0: Auch Christian Gross kann den Schalter nicht umlegen – sorry, Tasmania!
2. Januar 2021Neues Jahr, neuer Trainer, alte Probleme: Nach ein paar Minuten mit verbesserter defensiver Grundordnung fängt sich Schalke 04 ein Gegentor und geht sang- und klanglos mit 3:0 (1:0) unter. Nach nunmehr 30 sieglosen Spielen ist der Rekord von Tasmania in ernster Gefahr…
Auch wenn das letzte Ligaspiel gerade einmal zwei Wochen her ist: Bei Schalke ging es wieder einmal hoch her. Das Pokalspiel gegen Ulm wurde unter dem Interims-Trainergespann Huub Stevens und Mike Büskens mit 3:1 gewonnen, dann heuerte Christian Gross für ein halbes Jahr als Cheftrainer an, Publikumsliebling und „Kampfschwein“ Sead Kolasinac kehrt zunächst leihweise zu Königsblau zurück und einen neuen Co-Trainer gab es mit Rainer Widmayer auch noch.
Tasmania möchte den Rekord gerne behalten
Vor dem Olympiastadion demonstrieren einige treue Tasmania-Fans dafür, ihren „Sieglos-Rekord“ behalten zu dürfen. „Schalke, gib Dir gefälligst Mühe! Wenigstens Hertha solltest Du doch schlagen können!“ und „Das ist unser Rekord! Ra Ra Ra Tasmania (Das Original)“ steht auf den Plakaten. Die Schalkefans würden nur allzu gerne helfen…
Bei der Aufstellung gibt’s direkt einen kleinen Aha-Effekt: Obwohl Rönnow wieder fit ist, steht Ralf Fährmann im Kasten. Vor ihm agiert eine Viererkette mit Stambouli, Kabak, Nastasic und Oczipka, Mascarell und Serdar bilden das defensive Mittelfeld, Schöpf, Uth und Harit das offensive, einziger Stürmer ist Hoppe. Raman, zuletzt Matchwinner und Doppeltorschütze gegen Ulm, muss mit Knöchelproblemen genauso passen wie Sané (Kniebeschwerden) und Boujellab (Entzündung am Kiefer).
Defensiv stabil
Da die Hausherren blau-weiß gestreift und erstmals mit dem neuen Trikotsponsor Homeday auf der Brust antreten, tragen die Königsblauen heute das blass-gelsenkirchengrüne Ausweichtrikot.
Die erste nennenswerte Aktion geht auf das Konto der „alten Dame“, aber Fährmann lenkt Plattenhardts Freistoß um den Pfosten; die anschließende Ecke köpft Nastasic aus der Gefahrenzone. Auf der Gegenseite bleibt ein Uth-Freistoß in der Mauer der Berliner hängen. Erneut Uth schickt in der 11. Minute einen Flachschuss Richtung Berliner Tor, kein Problem für Schwolow.
Auch die erste gelbe Karte geht an die Hausherren, Tousart ist der Adressat nach einem Foul an Harit, die beiden tauschen auf Französisch einige Liebenswürdigkeiten aus. Die folgende Schalker Ecke sorgt für leichte Verwirrung im Berliner Strafraum, aber Schwolow hat das bessere Ende für sich. Kurze Zeit später muss sich der Berliner Keeper erneut mächtig strecken, um eine kuriose Bogenlampe von Hoppe über die Latte zu pritschen.
Beim Gegenangriff über Cunha und Lukebakio stockt den Schalkefans kurz der Atem, denn der Deutsch-Kongolese rennt völlig frei auf Fährmann zu, aber neben Elfern sind solche 1-zu-1-Situationen „Ralles“ Spezialität: Er macht sich breit und breiter und wird von Lukebakio angeschossen. Puh! Insgesamt kann man Schalke in diesen Anfangsminuten aber eine deutlich stabilere defensive Grundordnung attestieren als zuletzt.
Führung für Hertha BSC
Und offensiv? Mark Uth ist gewohnt fleißig unterwegs und schnappt sich einen Fehlpass der Herthaner, verzieht aber leider knapp am Tor vorbei, während Schwolow wütend Guendozi langmacht. Auch der Konter der Hertha misslingt, ebenso der folgende Zweikampf von Uth gegen Stark.
Beide Teams bemühen sich, offensiv gefährlicher zu werden. Ein Abschluss von Plattenhardt verfehlt das Tor nur knapp, einen Schuss von Lukebakio kann Oczipka auf der Linie klären. Auf der Gegenseite trifft Schöpf aus spitzem Winkel das Außennetz.
Dann ist es passiert: Allgemeines Getümmel im Schalker Strafraum, Cunha schießt Nastasic an, der Abpraller landet vor den Füßen von Guendozi, der ihn sehr gefühlvoll genau in die Lücke zwischen dem fliegenden Fährmann und den Pfosten setzt – das 1:0 für Hertha in der 36. Minute.
Kurz darauf sieht Hoppe Gelb, weil er gegen den Schützen zu herzhaft hingelangt hat, Guendozi muss kurz behandelt werden, kann aber weiterspielen. Anschließend ist Schalke wieder im Vorwärtsgang, jedoch erfolglos. Gross beobachtet alles nachdenklich von der Linie aus und plant offenbar im Geiste bereits die Halbzeitansprache. Jochen Schneider sitzt mit verkniffenem Gesicht auf der Tribüne, der ansonsten bei königsblauen Gastspielen in der Hauptstadt knüppelvolle Gästeblock ist leer. Vor knapp einem Jahr lieferten die Schalkefans an gleicher Stelle noch eine große Pyroshow unter der Flagge des „Eingetragenen Vereins“ ab.
Hertha setzt nach und erhöht
Doch die Hoffnung der königsblauen Fans auf die zweite Halbzeit schmilzt schnell dahin: Hertha kommt deutlich aggressiver und fokussierter aus der Kabine und hat durch Tousart und Cunha zwei Einschussmöglichkeiten. Guendozi sieht Geld wegen Ellbogeneinsatzes gegen Schöpf – und dann kommt Serdar gegen Cunha den entscheidenden Schritt zu spät. Cunha bedient Darida, dieser flankt flach in den Strafraum zu Cordoba, der nur noch den Fuß hinhalten muss: 2:0 (52.).
Die Sorgenfalten in Gross‘ Gesicht nehmen zu und er reagiert prompt: Für Harit und Mascarell, die beide nicht den allerbesten Tag erwischt hatten, kommen Skrzybski und Becker. Becker übernimmt Stamboulis Platz als Rechtsverteidiger, der Franzose und „Asoziale Schalker“ rückt auf Mascarells Platz in der Doppelsechs vor. Die Körpersprache der Schalker lässt allerdings zumindest in diesen Minuten nix Gutes erahnen.
Verletzungspech für Skrzybski
Das Spiel flacht jetzt deutlich ab, außer gelegentlichen halbherzigen Vorstößen der Hausherren über Plattenhardt und Tousart passiert nicht mehr viel; Nastasic lenkt fast noch eine Grätsche ins eigene Netz. Kurz darauf muss Skrzybski mit Beschwerden am rechten Knie schon wieder passen, für ihn kommt Can Bozdogan.
Das Spiel verändert sich dadurch nicht mehr; Hertha verwaltet die Führung, Schalke beschränkt sich darauf, die wenigen Aktionen der Berliner zu stören. Fährmann schnappt sich eine Ecke von Plattenhardt, ist aber in der 80. Minute machtlos, als die Abwehr Darida und den eingewechselten Piatek ziehen lässt und der Pole völlig frei vor ihm auftaucht. 3:0, 80. Spielminute.
Beide Trainer wechseln noch mal (Kutucu für Hoppe, Zeefuik für Pekarik, Ngankam für Cunha), aber das Spiel ist entschieden. Mark Uth hat noch Pech, dass sein schöner Schuss von der Strafraumgrenze haarscharf am rechten Pfosten vorbeigeht. Kurz darauf ballert er noch einmal über das Tor.
Bruno Labbadia nimmt mit zwei weiteren Wechseln (Mittelstädt für Lukebakio, Debütant Netz für Plattenhardt) noch etwas Zeit von der Uhr, dann gibt es noch ein Abseitstor von Piatek und einen Vorstoß von Darida, dann werden die Schalker durch den Schlusspfiff von ihrem Leiden erlöst.
Schalke braucht dringend weitere Mentalitätsspieler!
Die Herthaner, bislang angesichts des enormen finanziellen Einsatzes auch unter den Erwartungen geblieben, feiern ausgelassen, die Gesichter der nach dem 30. Spiel ohne Dreier vom Platz schleichenden Schalker sprechen Bände: Frustriert, hoffnungslos, mutlos. Becker scheint den Tränen nahe, Uth liefert sich auf der Auswechselbank ein enttäuschtes Wortgefecht mit Fitness-Guru Leuthard.
An Uth hat es einmal mehr nicht gelegen, er war nahezu der Einzige, der den Abschluss gesucht hat. Hoffentlich hat Jochen Schneider auf der Tribüne gesehen, dass allein Sead Kolasinac bei aller mentalen und spielerischen Stärke nicht die Wende bringen kann: Damit Schalke noch eine Chance hat, müssen mindestens noch ein Rechtsverteidiger und ein Stürmer her, idealerweise beide erfahrene und selbstbewusste Haudegen, die nicht nach dem ersten Gegentor die Köpfe hängenlassen und ängstlich erstarren.
Die nächste – und letzte – Chance, Tasmania den alleinigen Rekord zu retten, hat Schalke am kommenden Samstag in der heimischen Arena gegen die TSG Hoffenheim…