Heißer Freundschaftsgipfel endet 1:1: Schalke 04 hat bei Twente Enschede offensiv noch viel Luft nach oben
24. Juli 2019Der Schweiß rinnt nicht nur bei den Spielern in Strömen und am Ende haben sich trotz eines über weite Strecken eher verhaltenen Spiels alle lieb: Das Testspiel anlässlich des 25jährigen Jubiläums der Fanfreundschaft zwischen Twente Enschede und Schalke 04 nimmt erst in der Schlussphase richtig Fahrt auf, doch das tut der herzlichen Stimmung in De Grolsch Veste keinen Abbruch. Susanne Hein-Reipen mit den Einzelheiten eines heißen Abends…
Ob Bus, ob Bahn, ob Auto, den rund 2.500 Schalkefans, die sich den Sommerkick bei den Tukkers nicht entgehen lassen wollen, wird bereits bei der Anreise richtig warm ums Herz: 33,5 Grad zeigt das Thermometer vor De Grolsch Veste an – im Schatten!
Doch Schalker sind bekanntlich hart im Nehmen und beachten von jeher das A und O bei Hitze: Ausreichend Flüssigkeit zuführen! Neben dem namensgebenden Gerstensaft laufen aber auch Wasser und erstaunlicherweise glutheiße Frietjes sehr gut. Die Stimmung vor dem „Supportershome Vak P“ ist prima, die Technomusik Geschmackssache. „So ein Fantreff direkt unter der Nordkurve hätte was“ seufzt ein Schalker.
25 Jahre Fanfreundschaft
Die anlässlich des 25jährigen Bestehens der Fanfreundschaft zwischen Knappen und Tukkers aufgelegten T-Shirts und Schals ziehen viele Besucher in den Fanshop – und wer einmal drin ist, will eigentlich gar nicht mehr raus, denn die Klimaanlage leistet dort volle Arbeit!
Wer sich trotzdem wieder ins Freie traut, entdeckt am Enscheder Pendant zur Tausend-Freunde-Mauer etliche Parallelen zur heimischen Arena: Was uns das „Einmal Schalker, immer Schalker!“ ist, heißt auf gut niederländisch „Eenmal tukker, altijd tukker“.
Der Einlass ist unproblematisch, nach einer kurzen Suche werden auch geöffnete Toiletten und Coins für die Getränkeversorgung gefunden. Auf den Sitzen zum Freundschaftspreis von 12,50 Euro finden sich zudem Werbeflyer aus fester Pappe, die nicht nur einen herauslösbaren Spielplan der Heimmannschaft beinhalten, sondern sich auch exzellent als Fächer verwenden lassen. So viel gewedelt wurde selten…
Überall auf der Welt scheint die Sonne: De Opstelling
Die Begrüßung durch den Stadionsprecher ist zweisprachig und sehr herzlich, einzig die Musikauswahl während des Aufwärmens verwundert: „Lass die Sonne in dein Herz“, „Katharine, Katharine“, „Immer wieder sonntags“ und „Überall auf der Welt scheint die Sonne“. Vielleicht sollte Schalke vor dem nächsten Gastspiel einmal eine CD mit den aktuellen Hits der Nordkurve spendieren…
Die Schalker Opstelling wird in allerbestem Huub-Deutsch durchgesagt und beklatscht: David Wagner hat sich für Nübel, Kenny, Stambouli, Nastasic, Oczipka, Mascarell, Mercan, Matondo, Harit, Raman und Kutucu als Startelf entschieden. Reese und Rudy müssen wegen eines Infekts passen, Skrzybski hat ebenfalls Pause. „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“ hebt das musikalische Niveau um mehrere Etagen an.
Auch die Aufstellung von Twente findet Applaus, danach kommen die Mannschaften zu den Klängen von „You’ll never walk alone“ aufs Feld. Als Kapitän fungiert wie bereits in den Testspielen zuvor Benjamin Stambouli, der damit ein sicherer Anwärter auf das Amt sein dürfte. Anschließend stellen sich beide Mannschaften für eine Gedenkminute für den in der vergangenen Woche im Alter von 66 Jahren verstorbenen Harry Bruggink, langjähriger Verteidiger bei Twente, auf.
Pure Liefde kent geen Divisie
Zum Anpfiff befinden sich rund 19.000 Zuschauer, darunter knapp 2.500 Schalker in De Grolsch Veste. Das Kräfteverhältnis spiegelt sich auch in der Geräuschkulisse wieder, die Heimkurve singt die vor sich hinchillenden Schalker glatt an die Wand, bis sich alle auf „Schaaaalke und der FCT!“ einigen.
Durchaus einigungsfähig ist auch das Motto „Pure Liefde kent geen divisie“ auf den Banden, kennt wahre Liebe doch keine Liga.
Auf dem Rasen passiert indes in der ersten Viertelstunde herzlich wenig, beide Abwehrreihen ersticken jeden Versuch der Vorwärtsbewegung bereits im Keim. Ein erster Schuss von Zekhnini trudelt am linken Pfosten vorbei, auf der Gegenseite holt Ahmed Kutucu zunächst eine Ecke heraus und bedient wenig später den mitgelaufenen Amine Harit, dessen Schuss jedoch kein Problem für Joel Drommel im Kasten von Twente darstellt.
Den Temperaturen geschuldet gibt es gleich zwei Trinkpausen, auch die Schlangen vor den Getränkeständen unterhalb der Blöcke reißen nicht ab. Gegen Mitte des ersten Durchgangs werden die Tukkers stärker, doch die Schüsse von Piet Bijen, Haris Vuckic und Lindon Selahi enden bei Alexander Nübel oder im Aus. Sobald Twente im Vorwärtsgang ist, ist sofort die Unterstützung von den Rängen da. Die letzte Chance der spielerisch eher dürftigen ersten Halbzeit geht dann auf das Konto von Bastian Oczipka, doch Drommel macht sich lang und lenkt den Ball noch um den Pfosten.
Schlagermusik und die Traditionsmannschaft als Stimmungskanonen
Auch die Pausenmusik ist äußerst schlagerlastig, „Atemlos durch die Nacht“ und „Hulapalu“ sind nicht jedes Fußballsfans Geschmack. Absolut ansteckende gute Laune verbreitet jedoch die All Stars-Traditionsmannschaft von Twente, denen der Schalker Fanbeauftragte Thomas „Kirsche“ Kirschner einen stattlichen Pokal überreicht. Zu den Klängen von „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ geht es auf eine Stadionrunde, bei der mehrfach die Welle inszeniert und vor der Schalker Kurve noch ein Schalketrikot enthüllt wird. Da lassen sich auch die Einlaufkids nicht lumpen, eine Welle geht immer noch. Nach „Du hast mich 1000mal belogen…“ schweigt der Lautsprecher gnädig.
Für Nübel darf nun Markus Schubert ran; Guido Burgstaller und Jason Ceka ersetzen Münir Mercan und Rabbi Matondo, der vom Platz humpelt und in der Kabine getackert werden muss. Enschede ist, angetrieben vom eigenen Anhang, das aktivere Team, doch Schubert kann einen ersten Warnschuss von Vuckic im Eins gegen Eins blocken. Auf der Gegenseite findet Jason Ceka bei einem beherzten Schuss aus 20 Metern Torentfernung seinen Meister in Drommel.
In der 60. Minute wechselt David Wagner erneut; für den sehr aktiven Kenny, Nastasic und Kutucu kommen Plechaty, Langer und Serdar ins Spiel, wenig später noch Can für Mascarell. Die Vak-P macht indes Stimmung und reißt alle mit dem niederländischen Pendant zu „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ von den Sitzen, dann folgt wieder „Schaaalke und der FCT“. Das Stadion liegt nunmehr im Schatten, heiß ist es trotzdem noch.
Das Beste kommt zum Schluss!
Fontein und Firat ersetzen Harit und Raman; im Mittelpunkt des Spiels steht in dieser Phase jedoch Markus Schubert, der mehrere heikle Situationen entschärfen kann. Ob Rettungstaten mit dem Fuß oder ein Superreflex gegen Selahi, Schubert ist gefühlt überall – nur nicht in der 79. Minute, als Joker Alexander Laukart aus spitzem Winkel an Schubert vorbei zum 1:0 für die Tukkers einnetzen kann.
Der Gegentreffer fungiert jedoch als Hallo-Wach-Mahnung für die Knappen – und keine 120 Sekunden später gelingt Berkan Firat aus der Schalker U 23 nach einem schönen Doppelpass mit dem wie immer bis in die Haarspitzen motivierten Guido Burgstaller der 1:1-Ausgleich. Die „asozialen Schalker“ branden auf, die Stimmung steigt sofort, weil nun tatsächlich offensiver Fußball gespielt und Chancen erarbeitet werden. Die Twenter Vak P intoniert „Schalke 04“, die blauen Fans revanchieren sich mit „Vamos Twente Enschede“ und „Schalke und der FCT“.
Wenig später hat Firat das 2:1 auf dem Fuß, sein Schuss wird aber abgeblockt. Auch zwei Attacken von Serdar und erneut Firat bringen den Ball nicht mehr über die Linie, es bleibt beim 1:1, mit dem alle Beteiligten prima leben können. Der Abschied ist herzlich, beide Mannschaften werden trotz der spielerisch durchaus ausbaufähigen Darbietung von beiden Kurven mit Applaus gefeiert und mit guten Wünschen für die kommende Liga-Saison überhäuft. Die Elf von Twente wird sogar ein zweites Mal für eine Welle zurückbeordert.
Auch Chefcoach David Wagner attestiert seiner Mannschaft, sich trotz der Hitze „richtig gewehrt“ zu haben. Für die Knappen geht es nunmehr direkt ins Haupttrainingslager im österreichischen Mittersill, wo drei weitere Testspiele gegen den AC Bologna, Alanyaspor und FC Villareal anstehen.