Bremen – Schalke 1:1: Königsblauer Angsthasenfußball in der zweiten Halbzeit
30. Januar 2021Schalke 04 kann trotz einer Pausenführung auch in Bremen nicht gewinnen und muss am Ende sogar noch froh sein, mit 1:1 (0:1) wenigstens einen Zähler von der Weser mitzunehmen. Susanne Hein-Reipen verzweifelt daran, dass Mut und Spielfluss in dieser Horrorsaison offenbar immer nur für eine Halbzeit reichen…
Die Bilanz des FC Schalke 04 im Bremer Weserstadion ist gar nicht übel: Schon 15mal konnten sich die Königsblauen, immer unterstützt von einem proppevollen Gästeblock, über einen Auswärtssieg freuen, 8 Spiele endeten Unentschieden. Werder-Trainer Florian Kohfeldt ließ es sich dann auch in der Pressekonferenz nicht nehmen, vor dem „richtig guten Kader mit richtig guten Individualisten“ zu warnen und selbst wenn man diese Aussage für höfliches Wir-reden-den-Gegner-stark hält, so ist ihm bei seiner weiteren Aussage „Mit Schalke verbindet man Fußball und Emotionen, ich wünsche ihnen den Klassenerhalt!“ uneingeschränkt zuzustimmen.
Kapitänsfrage geklärt – Huntelaar und William zunächst nur auf der Bank
Zuletzt ließ Chefcoach Christian Groß dreimal in Folge fast dieselbe Startelf ran, heute muss er umbauen: Serdar und Raman fehlen wegen eines grippalen Infekts, dafür ist Kolasinac fit. Hoffnungsträger Huntelaar steht zum ersten Mal nach seiner Rückkehr im Kader, sitzt aber ebenso wie der in dieser Woche ausgeliehene William zunächst nur auf der Bank. Die Startelf bilden somit Fährmann, Kolasinac, Nastasic, Kabak, Becker, Stambouli, Mascarell, Harit, Uth, Schöpf und Hoppe.
Bei der Seitenwahl wird dann deutlich, dass unbemerkt von der Öffentlichkeit – ja, auch so etwas gibt es auf Schalke – offenbar eine weitere Entscheidung gefallen ist: Obwohl Omar Mascarell zum ersten Mal nach seiner Verletzungspause wieder in der Startelf, trägt „Kola“ die Kapitänsbinde.
Viel Ballbesitz, wenig klare Chancen
Die erste Chance geht direkt an Schalke: Eine Rückgabe von Gebre Selassie misslingt und bietet eine Steilvorlage für Hoppe, der Pavlenka überläuft, dann aber aus spitzem Winkel verzieht (2.). Der erste Vorstoß für Bremen ist ein schöner Pass von Toprak auf Schmidt, der jedoch eine Fußlänge im Abseits steht (5.).
Toprak ist es auch, der zweite weitere Offensivaktionen unterbindet, indem er Uth und Harit an der Ballweitergabe hindert. Auf der Gegenseite schnappt sich Fährmann einen Distanzschuss von Sargent, ein weiterer von Schmid segelt über die Querlatte.
Schalke hat in dieser Phase des Spiels deutlich mehr Ballbesitz, in der Übertragung hört man Kohfeldt herumbrüllen. Ein schöner Schuss von Becker fliegt einige Zentimeter am linken Torpfosten vorbei, ein weiterer Versuch von Uth wird früh gestört. Fährmann klärt erneut gegen Sargent, Uth verzieht einen Fernschuss.
Mascarell trifft zum 1:0
Nach einer halben Stunde geht die erste Ecke des Spiels an Werder, bringt jedoch, kurz ausgeführt, keine Gefahr für das Schalker Tor. Etwas gefährlicher wird ein Kopfball von Nastasaic nach einer Freistoßflanke von Harit, doch der Ball landet auf statt im Tor.
Aber dann: Becker und Harit haben auf der linken Seite sehr viel Platz und der marokkanische Edeltechniker nutzt das für einen wunderschönen Pass zu Mascarell, der an der Strafraumgrenze ausholt und den Ball platziert ins rechte Toreck befördert: 1:0 für Schalke in der 38. Minute, jawoll!
Die Bremer werden nun noch passiver als vor dem Treffer, doch außer einer weiteren Ecke springt keine Schalker Aktion mehr heraus, so dass es mit der knappen, aber verdienten Führung in die Kabinen geht.
Bremen wird deutlich offensiver
Beide Trainer greifen zu Wechseln: Christian Gross tauscht Alessandro Schöpf gegen Nassim Boujellab, Kohfeldt bringt mit Augustinsson, Möhwald und Rashica für Agu, Mbom und Schmid gleich drei frische Spieler.
Und Bremen geht direkt in die Offensive: Ein Distanzschuss von Möhwald wird zur Ecke abgefälscht, diese wird von Augustinsson geschlagen und von Toprak Richtung Tor geköpft – daneben. Den nächsten Schuss von Eggestein schnappt sich Fährmann; eine weitere Ecke setzt Sargent über den Kasten. Anschließend blockt Kabak einen Schuss von Bittencourt – und der VAR schaltet sich ein und überprüft die Szene auf ein strafbares Handspiel: Es gibt KEINEN Strafstoß.
Mit Osako für Sargent kommt ein weiterer neuer Spieler in Grün-Weiß; Benjamin Stambouli grätscht herzhaft Rashica um und bekommt die erste gelbe Karte der Partie. Kurze Zeit später folgt Ralf Fährmann wegen angeblichen Zeitspiels.
Debüt für William – Tor für Werder
Christian Gross holt Harit, der darüber alles andere als begeistert ist und wütend seine Handschuhe auf den Boden pfeffert, vom Platz und William kommt zu seinem ersten Einsatz im Schalker Dress – offenbar soll die Führung um jeden Preis verteidigt werden. Eine Taktik, die auf Schalke schon oft genug schief ging…
Fährmann rettet gegen einen Schuss von Osako, aber beim nächsten Angriff ist auch er geschlagen: Rashica stürmt über die rechte Seite und legt platziert zurück zu Möhwald, der von der Strafraumgrenze flach in die rechte Ecke einschießt (77.), das leider verdiente 1:1.
Als Reaktion tauscht Gross Mascarell und Hoppe gegen Thiaw und Huntelaar, der damit nach 1.351 Tagen wieder für Schalke auf dem Rasen steht. Geht hier noch was?
Herzkasper in der Nachspielzeit
Es sieht nicht danach aus, Bremen bleibt mit Friedl, Toprak, Möhwald und Augustinsson im Vorwärtsgang; Fährmann lenkt einen Kopfball von Rashica über die Latte. Und Huntelaar ist dermaßen (über)motiviert, dass er nach einem Ballverlust an Toprak und haut den Bremer dann um –diesen gleich umhaut – Gelb.
Bremen schöpft das Wechselkontingent jetzt aus und bringt Moisander für den angeschlagenen Toprak, Thiaw kassiert für einen Tritt gegen Rashica auch noch Gelb – und dann stockt allen Schalkern der Atem, denn Gebre Selassie bedient in der 90+3. Minute Eggestein, der zum vermeintlichen 2:1 ins linke Eck einschiebt. Und während sämtliche Schalker frustriert auf ihre Sofas einprügeln und ihren Frust rausschreien, merkt es auch der VAR: Gebre Selassie stand eindeutig im Abseits, das Tor zählt nicht, die Partie endet 1:1.
Angsthasenfußball im Abstiegskampf
Keine Frage, nach dem Spielverlauf ist das 1:1 durchaus leistungsgerecht – aber Christian Gross muss sich fragen lassen, ob er mit der Auswechslung von Amine Harit gegen den deutlich defensiveren William nicht viel zu früh das Zeichen gesetzt hat, dass Schalke mehr an „Vorsprung über die Zeit retten“ als eigenen Offensivaktionen gelegen ist. Warum nicht mit Mercan oder Huntelaar eine Kampfansage machen?
…und natürlich muss sich auch die Mannschaft hinterfragen, warum sie es zum x.-ten Mal in dieser Saison nach einer passablen Halbzeit in den Angsthasenmodus verfällt und einen keinesfalls unbezwingbaren Gegner so wieder ins Spiel bringt. Wenn Schalke im zweiten Durchgang konsequent das Spiel aus der ersten Halbzeit fortgesetzt hätte, hätte es Bremen trotz der zahlreichen Wechsel deutlich schwieriger gehabt.
Tabellarisch hilft dieser Punkt im Abstiegskampf kaum weiter, Schalke bleibt abgeschlagen 18 – in den nächsten Begegnungen kann die Marschrichtung daher in Anlehnung an Oliver Kahns berühmten Spruch nur heißen „Eier, wir brauchen Eier!“ Glückauf!