Braunschweig – Schalke 0:0: Schade, da war mehr drin!

Braunschweig – Schalke 0:0: Schade, da war mehr drin!

19. Januar 2025 0 Von Susanne Hein-Reipen

Der BTSV Eintracht Braunschweig und der FC Schalke 04 trennen sich im ersten Pflichtspiel des Jahres 2025 mit 0:0, obwohl die Löwen nach einer verdienten roten Karte gegen Nikolaou in der 67. Minute in Unterzahl sind. Die 4.000 mitgereisten Schalker Fans hatten sich mehr erhofft, spenden aber Applaus für den Punkt – der Arbeitsauftrag lautet „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen!“

Bei der Anreise aus dem Pott Richtung Braunschweig wechseln sich dichte Nebelfelder und Wintermärchen-Szenarios mit rauhreifweißen Bäumen vor königsblauem Himmel mehrfach ab. In der Löwenstadt folgt die Reisegruppe aus Gelsenkirchen mit großer Mehrheit brav den Empfehlungen aus der Auswärtsinfo des Teams Fanbelange und steuert den Gästeparkplatz an, der angekündigte Shuttleservice klappt reibungslos und befördert die Schalkefans in wenigen Minuten hinter den Gästeblock, wo wegen der Auseinandersetzungen beim letzten Aufeinandertreffen bereits ein riesiges Polizeiaufgebot wartet.

Viel Polizei, wenig Stress

Etliche Schalker haben sich über Braunschweiger Bekannte und den Zweitmarkt mit Tickets in anderen Blöcken eingedeckt und schleichen gaaaanz unauffällig und weitgehend ohne Fanutensilien zu ihren Plätzen. Für leichte Verwunderung sorgen der späte Stadioneinlass – erst kurz nach halb 12 öffnen sich die Tore – und die „Kuschelkontrollen“: Ein kurzes Streicheln über die Kopfbedeckungen und hie und da ein Blick in die mitgebrachten Handtaschen, schon ist man drin. Das sieht im Gästeblock bekanntlich ganz anders aus, zudem wird dort nur alkoholfreies Bier ausgeschenkt.

Zusätzlich kommen die getarnten Schalker in den Genuss, hinter der Südkurve ohne Stress die „Hall of Fans“ und die „Wall of Fans“ zu betrachten – und die äußerst leckere Pizza zu probieren. Insbesondere von der Thunfischpizza können sich die Pizzabäcker in der Arena eine dicke Scheibe abschneiden.

Auf dem Spielfeld liegt noch Raureif, als die beiden Torhüterteams zum Warmmachen einlaufen. Am Rand knuddelt sich derweil Ron-Thorben Hoffmann, der qua Leihklausel noch nicht mitwirken darf, durch alte Bekannte und betont später am Mikro des Stadionsprechers, wie FROOOOH er doch sei, wieder zuhause zu sein. In die Herzen der Schalker bringt ihn das nur sehr bedingt…

Reim Dich oder ich fress‘ Dich

Gitter zwischen Block und Spielfeld bzw. Laufbahn gibt es nur vor den Gästeblöcken, alle anderen könnten mit einem kleinen Hüpfer einen Platzsturm starten. Der Sprecher begrüßt die mitgereisten Schalkefans durchaus freundlich und zollt bei „Gäste im Porträt“ insbesondere den Rekordspielern Fichtel und Fischer Respekt, das Hinspielergebnis und die Schalker Aufstellung fallen demgegenüber sehr kurz aus. Trainer Kees van Wonderen beginnt mit Heekeren, Murkin, Kaminski, Schallenberg, Bulut, Seguin, Grüger, Antwi-Adjej, Karaman, Aydin und Sylla.

Aus der Braunschweiger Kurve schallt zur Begrüßung „Hier regiert der BTV“ und „Scheixxe 04“ herüber, was der Gästeblock, der noch auf die Ultras wartet, elegant an sich abperlen lässt. Dann folgen mehrere Braunschweiger Lieder vom Band, darunter ein gruselig-pathetisches mit viel Blut, Not und Tod (das sich im Nachhinein als die erste Hymne aus dem Jahr 1899 entpuppt) und „Zwischen Harz und Heideland“. Zwischen so vielen bemühten Reimen ist die Aufstellung der Hausherren schon fast Erholung für Gästeohren.  

Als die Mannschaften auf den Rasen kommen, legt der mittlerweile vollzählige Gästeblock akustisch los: „Wir kämpfen zusammen für den Club den wir so lieben…“ ist angesagt. Auf dem Feld gehen die ersten Aktionen ebenfalls an Schalke, Murkin setzt einen Querpass von Karaman neben den Kasten (2.). Nach ungefähr zehn Spielminuten haben sich die Hausherren ein wenig freigeschwommen und kommen durch einen Kopfball von Szabo zu ihrem ersten Abschluss. Passend dazu meldet sich die Heimkurve mit „Schalalalalaa Ein-tracht Braun-schweig“ zu Wort, sofort lautstark gekontert mit „Hurra hurra, die Schalker die sind da“ und „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n“.

Tempelmann on fire

In der Folgezeit beharken sich beide Mannschaften mit ordentlichem kämpferischem Einsatz und sehr wenig spielerischen Ideen.Am engagiertesten geht Schalke-Leihgabe Lino Tempelmann zur Sache, der offenbar darauf brennt, seinem alten und neuen Verein zu zeigen, wo der Hammer hängt.  

Die weitgehende Ereignislosigkeit auf dem grünen Rasen gibt beiden Fanlagern Zeit, ihr Liedgut zu präsentieren. Der Gästeblock legt vor mit „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“, Attacke und „FC Schalke Neunzehnhundertvier, deine Kurve steht immer wieder treu zu Dir“, da lassen sich auch die Löwen mit „Eintracht Braunschweig, kämpfen und siegen“ und „Oh BTV, schieß‘ ein Tor für uns“ nicht lange bitten. Das königsblaue Gesangsbuch ist jedoch eindeutig besser gefüllt und so folgen „Immer wenn du spielst“, „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“ und „Schalke, ich bin für Dich geboren“.

Ein Distanzschuss von Karaman fliegt über die Latte (28.), dann beschließt Schiedsrichter Florian Lechner offenbar, etwas Farbe ins Spiel zu bringen und dekoriert Seguin (Foul an Kaufmann, 31.), Köhler (Weiterspielen trotz Pfiff, 34.), Kaminski (Tritt gegen Nikolaou, 37.), sowie Ivanov und Antwi-Adjej für ein kleines Scharmützel jeweils mit Gelb. Zwischendurch versuchen sich Aydin und Tempelmann noch an Torschüssen, jedoch ohne Erfolg. Nach zwei Minuten Nachspielzeit erlöst der Pausenpfiff Spieler und Zuschauer zumindest für eine Viertelstunde.

Hoffnung auf die zweite Halbzeit

Beide Fanlager sind sich einig, dass das Spiel noch viiiiel Luft nach oben hat. Eine Spielerin der Braunschweiger Damenmannschaft wirbt für das anstehende Spiel gegen Turbine Potsdam, dann folgt die „Ehrenwand der Geburtstagskinder“ mit einigen Glückwünschen. Die Sonne hat nun endlich den Nebel verdrängt und es herrscht wunderschönes Winter-Fußballwetter.

Beide Mannschaften kommen personell unverändert wieder auf den Platz, ebenso unverändert gibt der Gästeblock mit dem „Königsblauen S 04“ musikalisch den Ton an. Und auch die Schalker Spieler haben offenbar gute Vorsätze gefasst (oder wurden von van Wonderen eingenordet), denn die Offensivbemühungen werden sichtlich mehr, aber Sylla steht nach schöner Vorarbeit von Karaman im Abseits (50.), die erste Ecke verpufft (52.) und ein etwas überhasteter Schuss von Bulut aus dem Rückraum geht knapp links vorbei (53.). Johansson im Kasten der Eintracht klärt einen weiteren Schuss von Aydin.

Als erster Wechsel kommt Marie für Rittmüller (59.), bei Schalke ersetzt wenig später Mohr Antwi-Adjej. Begleitet wird diese Phase mit „Eine Stadt erstrahlt in Blau“ und „Wir komm‘n vom Berger Feld“ hüben und „Auf geht’s Eintracht kämpfen und siegen“ drüben.

Braunschweig in Unterzahl – die Chance für Schalke?

Dann wird es spannend: Nach einem Steilpass von Mohr läuft Sylla frei auf Johansson zu und wird von Nikolaou per Notbremse umgelegt – das bedeutet natürlich glatt Rot und so muss der Deutsch-Grieche unter höhnischen „Auf Wiedersehn!“- und „Ihr seid nur ein H*rensohnverein“-Rufen des Gästeanhangs vorzeitig duschen gehen. Weil die Aktion aber kurz VOR der Strafraumgrenze stattfand, gibt es „nur“ einen Freistoß, den Seguin zum Ärger der Schalkefans trotz reichlich Zeit bei der Ausführung deutlich über das Tor chippt, statt „mit Schmackes“ draufzuhalten (70.).

Löwen-Coach Scherning reagiert sofort und ersetzt Szabo und Köhler durch Ehlers und Gomez; der Stadionsprecher verkündet derweil ein mit 22.389 Zuschauern ausverkauftes Haus. Sylla köpft eine Flanke von Mohr knapp neben das Tor (75.), dann lässt sich Johansson behandeln und darf sich wegen vermuteten Zeitspiels diverse Nettigkeiten des Gästeblocks anhören. Als die Partie weitergeht, klärt der Keeper direkt gegen Murkin (78.), anschließend muss Bicakcic in höchster Not einen Abschluss von seinem Kapitänskollegen Karaman aus der Gefahrenzone grätschen (79.). Der Gästeblock unterstützt die Schalker Vorwärtsbemühungen unermüdlich mit „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“ und „Immer wieder S 04“.

In einer der raren Braunschweiger Entlastungsaktionen versucht Philippe, den weit vor dem Tor stehenden Heekeren per Heber zu überlisten, aber der Ball geht deutlich links daneben (80.). Kurz darauf bringen beide Trainer mit Krauße für Philippe, Jaeckel für Ivanov und Hamache für Aydin noch einmal frische Spieler.

Das Runde will nicht in das Eckige

Die Schalker hoffen immer noch auf den Lucky Punch, aber Sylla köpft direkt zweimal (85., 87.) vorbei, eine Schlussphase zum Haareraufen. Schallenberg kassiert wegen eines taktischen Fouls Gelb; wegen diverser Unterbrechungen und Braunschweiger Zeitspiels gibt es sechs Minuten Nachspielzeit obendrauf. Direkt zu Beginn verpasst Karman haarscharf eine Flanke von Murkin (90+1.), dann sehen Marie und Kaufmann Gelb – letzterer wegen eines fiesen Fouls an Murkin, der daraufhin verletzt gegen den Ex-Braunschweiger Donkor ausgetauscht werden muss.

Beim folgenden Freistoß trifft  Seguin Di Michele Sanchez, aber nicht das Tor. Eine fruchtlose Ecke und einen Schlenzer von Hamache über das Tor später ist nach rund 98 Minuten Schluss, es bleibt beim 0:0.

Durch das torlose Unentschieden bleibt Schalke mit nunmehr 21 Punkten auf Rang 13, Braunschweig bleibt mit 14 Zählern Siebzehnter. Den Schalker Spielern ist anzusehen, dass sie enttäuscht sind, auch die Fans hatten sich nach den guten Auftritten vor der Winterpause mehr erhofft, spenden aber dennoch Applaus und die obligatorische Aufforderung „Auf geht’s Schalke und Siegen“. In den anstehenden zwei Heimspielen gegen Nürnberg und Magdeburg hat Schalke die Möglichkeit, weiteren Boden in der Tabelle gutzumachen, dazu bedarf es aber mehr Konzentration von Beginn an.