Bayern – Schalke 6:0: Böse Klatsche im Kampf um den Klassenerhalt
14. Mai 2023Der FC Bayern München putzt Schalke auch in dieser Höhe verdient mit 6:0 (2:0) von der Platte und versetzt den königsblauen Träumen vom direkten Klassenerhalt einen fiesen Dämpfer. Fast 10.000 Schalker halten trotzdem unverbrüchlich zu ihrer Mannschaft. Susanne Hein-Reipen über eine tolle Fete und ein gruseliges Fußballspiel…
Same procedure as every year? Auswärtstour nach München hieß in den Vor-Corona-Jahren regelmäßig eine geniale Fete bei den Isar-Schalkern, um dann in der Arena böse die Hucke voll zu bekommen – zumindest Letzteres sollte dieses Mal, getragen von einer Euphoriewelle nach dem Last-Minute-Erfolg in Mainz, eigentlich anders werden…
Die Isar-Schalker bieten mit dem Biergarten des Hofbräukellers wieder eine geniale Location auf und werden trotz durchwachsenen Wetters von über 3.000 durstigen und feierfreudigen Schalkern überrannt. Die Stimmung ist blendend, der Getränkeausschank perfekt durchorganisiert und die Blaskapelle kann sogar das Steigerlied. Die friedlich feiernde blaue Meute verblüfft neben einigen „unbeteiligten“ Gästen auch drei Polizisten, die einmal kurz staunend um die Ecke schauen. Die blauen Rauchtöpfe werden zum Glück erst nach ihrem Abgang gezündet…
Ein Schlauchboot auf der grünen Wiese
Kurz nach Mittag löst sich der königsblaue Mob langsam auf und strebt der U 6 Richtung Fröttmaning zu. Die Züge sind natürlich pickepackevoll, aber die anwesenden Roten ertragen die „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“-Gesänge ganz routiniert und ohne mit der Wimper zu zucken.
Wer schon einmal im „Schlauchboot“ alias Allianz-Arena war, weiß: Laufen ist angesagt, insbesondere, wenn man zum Gästeeingang möchte. Immerhin: Entlang des Weges an den Gleisen gibt es Toiletten, Pissoirs und wässerungsbedürftige Natur. Neben einigen Hektolitern Flüssigkeit bleiben auch Hunderte kreativer Schalker Sticker und Leergut im Gegenwert eines Kleinwagens zurück.
Getränkeverbot
Die Kontrollen am Gästeeingang gestalten sich gründlich, aber entspannt; danach heißt es Treppensteigen. „Wie herrlich komfortabel ist doch unsere Arena“ japst ein etwas stabiler gebauter Schalker. Im Oberrang angekommen wartet auf die Gäste aus dem Pott das nach wie vor bestehende Getränke- und Speisenverbot im Block, während Heimfans wenige Meter weiter teilweise vier oder fünf Becher vor sich haben. Fair geht anders.
Der „Stern des Südens“ mit der Zeile „weil wir in guten wie in schlechten Zeiten zueinander steh’n“ sorgt für Hohngelächter bei den Schalkern, denn Bayernfans müssen bekanntlich nicht einmal ein Prozent der „schlechten Zeiten“ anderer Vereine ertragen. Es wäre ein interessantes Experiment, wie viele der erfolgsverwöhnten Bayernkunden auch nach einem Abstieg noch zu „ihrer“ Mannschaft halten würden…
Nach einem kurzen Talk mit einem Vertreter des Basketballteams begrüßt der Stadionsprecher auch die Gästefans durchaus freundlich und verliest die Aufstellung: Thomas Reis setzt auf Schwolow, Brunner, van den Berg, Kaminski, Uronen, Kral, Latza, Krauß, Karaman, Bülter und Frey. „Fußballgott“ Matriciani muss passen, die gelbgefährdeten Terodde, Zalazar und Yoshida sitzen zunächst nur auf der Bank.
Mia san mia
Weiter geht es dann mit dem üblichen Mia san mia-Gebrüll, in der Südkurve mit den entsprechenden rot-weißen Bannern untermalt. Ja, Mia san mia, Mia san die Bayern, Forever Number One – mia nerven! Nach Verlesung der Startelf der Bayern kommen beide Mannschaften aufs Feld. Im Gästeblock werden derweil die Ultras Gelsenkirchen vermisst.
Zum Leidwesen der übrigen Schalker lassen die Bayern von Beginn an keinerlei Zweifel aufkommen, dass sie diese Partie gewinnen wollen. Gnabry, Müller und Mazraoui gehen sofort konzentriert in den Vorwärtsgang. Den ersten echten Abschluss von Gnabry kann Schwolow klären (7.), in der 10. Minute muss van den Berg in höchster Not einen Schuss von Coman von der Linie kloppen. Musiala, de Ligt und erneut Musiala versuchen es als Nächstes, doch noch hält die Schalker Abwehr dagegen.
Supporttechnisch ist die erste Viertelstunde sehr unspektakulär, der Hintertorblock der Bayern versucht sich an ein paar rhythmischen Klatschern, die Schalker stimmen „Immer wieder S 04“ an, was aber ohne Trommeln und Koordination relativ schnell wieder versandet – und der Löwenanteil der Zuschauer in der mit 75.000 Menschen ausverkauften Arena macht einfach nichts. Garnichts.
Entsprechend groß ist die Erleichterung im Gästeblock, als die Ultras, die sich einmal mehr einer „Sonderbehandlung“ der Polizei „erfreuen“ durften, endlich eintreffen und das große „Nordkurve Gelsenkirchen“-Banner entrollen. Hurra, hurra, die Schalker die sind da! Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen!
Müller und Kimmich bringen Bayern in Führung
Weniger erfolgreich läuft es leider auf dem Rasen: Krauß sieht Gelb für einen herzhaften Griff an Musialas Trikot – und kurz darauf schlägt die Kugel erstmals hinter Schwolow ein (21.). Torschütze des 1:0 ist Müller nach Doppelpass mit dem Ex-Schalker Sané.
Der Gästeblock schüttelt sich einmal kurz und macht dann weiter im Text „Schalke, ich bin für Dich geboren…“; die Bayern-Steher texten derweil auf mehrreihigen Bannern „Mc Donald‘s Achim-Ost dankt für Rekordumsatz/All Cheeseburgers Are Beautiful/Sicherheitspolitischer Aktionismus in Bremen/Bullen Abwählen – ACAB!“ Auch „Polizei Bremen – brennt euch der Helm?“ und „Polizei Bremen – das V steht für Verhältnismäßigkeit“ giften gegen die überzogenen Kontrollen der bayern-Fans nach dem Auswärtssieg am letzten Samstag.
Ein Entlastungsangriff über Kral wird geblockt (23.), dann sind wieder die Bayern am Drücker und Musiala geht im Strafraum im Zweikampf mit Brunner zu Boden und mimt den sterbenden Schwan. Die Aktion ruft VAR Dingert, bei den Schalker Fans ohnehin maximal unbeliebt, auf den Plan. Nach Betrachtung der Fernsehbilder befindet auch Schiedsrichter Schröder auf Foul von Brunner und damit Gelb und Elfmeter – vertretbar, aber nicht zwingend. Kimmich verwandelt den Strafstoß sicher in die rechte untere Ecke zum 2:0 (29.).
Eine sehr schmerzhafte Gelbe
Der Bayernblock ist kurz mit „Deutscher Meister wird nur der FCB“ zu vernehmen, wird aber schnell von „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und „Auf geht‘s Schalke schieß ein Tor“ übertönt. Mit „Scheixxe 04“ und „Bayernschweine“ werden gegenseitige Nettigkeiten ausgetauscht; die Schickeria gratuliert mit einem weiteren Banner „AS Rom bis Halberstadt/120 Jahre Fußballgeschichte/Alles Gute FCC“ den Freunden vom FC Carl Zeiss Jena zum 120. Gründungstag am 13.5.1903.
Auf dem Rasen bleiben die Hausherren spielbestimmend; Bülter weiß sich in der 36. Minute nicht anders zu helfen, als den durchbrechenden Mazraoui umzureißen – die folgende gelbe Karte ist seine Fünfte und der Schalker Torschütze der letzten Wochen damit leider im womöglich alles entscheidenden Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt gesperrt. Sch….ade!
In den verbleibenden Minuten plus vier Minuten Nachspielzeit schafft es Schalke zwar untermalt vom „Königsblauen S04“ aus dem Oberrang einige Male in die Bayern-Hälfte, aber es geht mit 0:2 aus Schalker Sicht in die Kabinen. Auf die vom Stadionsprecher lautstark angekündigten „Highlights der ersten Halbzeit“ würde der Gästeanhang gerne verzichten, denn letztlich ist die Führung der Bayern verdient.
Schalke geht unter
Zum Wiederanpfiff ersetzt Reis den gelbbelasteten und angeschlagenen Brunner durch Yoshida, die Gästekurve skandiert „Schalke und der FCN“, „Seht Ihr die Fahnen weh’n?“, „Wer nicht hüpft, der ist ein Münchner“ und „Wir lieben alle nur den FC Schalke“, der Bayernblock setzt weiter aufs Schreiben: „25 years struggle for freedom – Chapeau Karawane München!“
Die Spieler in Rot setzen derweil weiter auf Offensive, Cancelo lässt Karman aussteigen und bedient Gnabry, der Yoshida vernascht und zum 3:0 vollendet (50.). Erstaunlich: Auch diese sichere Führung reißt Großteile des Publikums nicht vom Hocker, während die Schalker trotzig auf „Schalke, nur Du alleine“ umschwenken.
Schwolow rettet gegen Coman (63.), dann setzen beide Trainer auf frisches Personal: Drexler, Skarke, und Polter kommen positionsgetreu für Krauß, Bülter und Frey, Gravenberch ersetzt Coman. Die Neuen sind jedoch noch nicht ganz auf dem Platz, als Gnabry einen misslungenen Pass von Yoshida abfängt und alleine auf Schwolow zuläuft und sein Solomit dem 4:0 krönt (65.). Das höhnische „Scheixxe 04“ der Schickeria wird sofort mit „Warum seid ihr Huren so leise?!“ und den „Asozialen Schalkern“ niedergebrüllt.
Bitter für das Torverhältnis
Tel und der Ex-Schalker Goretzka kommen unter lautstarken Pfiffen für Gnabry und Kimmich, der Gästeblock fügt sich in die unvermeidliche Niederlage und stimmt „Wir sind da, jedes Spiel“ an, während in der Südkurve mit den Mia san mia-Fetzchen und einem „Auch mit Stadionverbot bleibt diese Freundschaft ewig bestehen“-Banner gewedelt wird.
Doch es kommt noch bitterer für Schalke, obwohl die Bayern bereits in den Schongang geschaltet haben: Fehlpass Kral, Musiala schaltet am schnellsten und bedient Joker Tel, der zum 5:0 ins lange Eck vollstreckt (80.). Damit schmilzt auch das bisher bessere Torverhältnis gegenüber dem zeitgleich gegen Augsburg führenden Rivalen aus Bochum gefährlich zusammen.
Bayern-Coach Tuchel schenkt auch Mané (für Musiala) und Upamecano (für de Ligt) noch einige Einsatzminuten, Ouwejan kommt für Uronen und darf direkt eine Schalker Ecke ausführen, die jedoch nichts einbringt (86.). Den sportlichen Schlusspunkt setzt zu „Schalke 04 für jetzt und alle Zeit“ nach einem Abseitstor von Goretzka (87.) dann Mazraoui mit seinem ersten Bundesligator zum 6:0 (90+2.), dann ist das Spiel aus Schalker Sicht ENDLICH zu Ende.
Wunden lecken und volle Kraft Richtung Frankfurt
Während der „Stern des Südens“ erneut vom Band plärrt, leert sich die Arena verblüffend schnell, nur der Stehblock spendet den Siegern kurz Applaus. Der Gästeblock würgt die eigene Enttäuschung herunter – mit einer Niederlage in Bayern muss man leider immer rechnen, aber das Zustandekommen, die Höhe und die fünfte Gelbe für Bülter sind zweifellos Tiefschläge – und begrüßt die Mannschaft beim Gang vor die Kurve mit aufmunterndem Beifall und „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen!“ Das große gemeinsame Ziel steht über allen insbesondere in den sozialen Medien reichlich vorhandenen Mißfallensbekundungen!
Durch die Niederlage und den gleichzeitigen Sieg des VfL Bochum rutscht Schalke auf den Relegationsplatz 16 ab und muss hoffen, dass Leverkusen zumindest Stuttgart auf Distanz hält. Am nächsten Samstag muss Reis, der an der Seitenlinie verzweifelt herumgetobt ist, dann ein deutlich besseres Rezept gegen Frankfurt finden – leider ohne Bülter, aber natürlich mit voller Unterstützung der Fans. Nicht vergessen: Oberrang alle in Blau, Unterrang alle in Weiß!