Alle Ergebnisse und die besten Sprüche der Mitgliederversammlung auf Schalke

Alle Ergebnisse und die besten Sprüche der Mitgliederversammlung auf Schalke

1. Juli 2019 0 Von Susanne Hein-Reipen

Es gab schon längere, kürzere und turbulentere Mitgliederversammlungen auf Schalke, doch noch nie wurde mehr geschwitzt: Trotz tropischer Temperaturen arbeiten 9.808 Mitglieder in der Veltins-Arena bemerkenswert geduldig und konstruktiv die vergangene Saison auf. Susanne Hein-Reipen fasst alle Ergebnisse, die wichtigsten Aussagen und die kleinen Lacher rund um die Veranstaltung zusammen.

Einlass in die wie jedes Jahr in einen edlen blauen Versammlungsraum verwandelte Arena ist um 10 Uhr, ab 11 beginnt das Vorprogramm, das u. a. mit der Vorstellung der Mannschaftsbetreuer, einem Auftritt des „Radio Ruhrpott Ruhricals“ – „Bottroper Bier“ auf die Melodie von „Griechischer Wein“ erntet etliche Lacher – und dem Schalker E-Sports-Meister aufwartet.  Dann heißt es wieder großer Aufmarsch auf der Bühne: Nahezu die gesamte Traditionsmannschaft und einige weitere Schalker Legenden sind angetreten, um die Vereinsmitglieder, die dem Verein seit 25 Jahren die Treue halten, schon vor Beginn mit der silbernen Ehrennadel auszuzeichnen.

Mannschaft „leakt“ die neuen Trikots

Auch die Schalker Profis nehmen im Versammlungsraum Platz und werden sofort mit Autogramm- und Foto-Wünschen überschüttet. Besonders begehrt ist der sichtlich gutgelaunte Benjamin Stambouli, auch Ahmed Kutucu schreibt sich die Finger wund. Kurz vor dem offiziellen Gong werden die Trainingsshirts ausgezogen, darunter kommt das neue Heimtrikot zum Vorschein: Königsblau mit gemusterten Ärmeln, die an das alte R’Activ-Shirt erinnern.

Wagner: Die Schalker DNA soll wieder aufleben

Um 12.30 Uhr eröffnet Clemens Tönnies den offiziellen Teil der Versammlung und begrüßt neben den Mitgliedern auch die Medien – mit einem Dank für die „jederzeit faire Berichterstattung“, was nach den Schlagzeilen nicht nur der vergangenen 12 Monate für Gelächter sorgt. Dann steigt der neue Chefcoach David Wagner als Erster kurz in den Ring und verteilt artig Komplimente: Er sei „superfroh, wieder zurück zu sein“ und es sei beeindruckend, was Schalke in den letzten 25 Jahren alles geschafft habe. Er wolle mit harter Arbeit dafür sorgen, dass die Schalker DNA wiederauflebe.

„Marscherleichterung“

Tönnies bittet im Namen aller in ihren Schalker Ausgehanzügen leise vor sich hinschwitzenden Herren auf dem Podium um „Marscherleichterung“, dann fliegen die Sakkos und Krawatten in die Ecke. Der hemdsärmelige Aufzug tut der Ehrung der „Goldenen“ keinen Abbruch, schließlich sind wir hier beim Kumpel- und Malocherclub. weiter: Die Mitglieder, die auf 50 Jahre ununterbrochene Mitgliedschaft beim geilsten Club der Welt zurückblicken können, bekommen satten Applaus und blau-weiße Blumensträuße.

Die Tagesordnung wird geändert: Berichte und Aussprache nach vorn

Mit großer Mehrheit geht der Antrag eines Mitglieds auf Änderung der Tagesordnung durch: Die Berichte und die Aussprache werden VOR die Neuwahlen zum Aufsichtsrat gezogen, in der Hoffnung, dann schlauer zu sein, welche Lehren die Amtsinhaber aus der abgelaufenen Saison gezogen haben.

Standing Ovations für Bodo Menze

Anschließend wird Herbert Tegenthoff für seine langjährige Tätigkeit u. a. im Ehrenrat nahezu einstimmig in das Ehrenpräsidium gewählt, dann blickt Peter Knäbel („Gehe davon aus, dass wir alle per Du sind“) kurz auf die erfolgreiche Saison der Knappenschmiede zurück und betont, wie sehr sich alle freuen, die Heimspiele bald wieder im Parkstadion austragen zu können. Als Belohnung für den Regionalliga-Aufstieg und die westdeutsche Meisterschaft gibt es für die nahezu vollzählig angetretene U 23 und U 19 silberne Ehrennadeln.

Die goldene Nadel und langanhaltende Standing Ovations für seine langjährigen Verdienste und den Aufbau der Knappenschmiede bekommt Bodo Menze, der sich in den wohlverdienten Ruhestand zurückzieht. Sein Dank ist ebenso kurz wie aufrichtig.

Gänsehaut beim Gedenken an die Toten des Jahres: Assauer, Eichberg und viele andere

Die Erinnerung an die in den vergangenen 12 Monaten verstorbenen Vereinsmitglieder sorgt regelmäßig für einen dicken Kloß im Hals, dieses Mal greifen noch mehr Schalker zu den Taschentüchern, steht doch mit Rudi Assauer einer ganz vorne, ohne den es Schalke nicht in der heutigen Form geben würde. Beide Töchter der verstorbenen Managerlegende sind in der Arena dabei.

Auch „Sonnenkönig“ Günter Eichberg und viele andere werden mit einer Schweigeminute geehrt.

Satzungsänderung geht glatt durch – und Mannschaft flüchtet

Der einzige zugelassene Satzungsänderungsantrag für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass sich nur zwei Bewerber für zwei Plätze im Aufsichtsrat finden, wird unter der Leitung von Dr. Jens Buchta per Handzeichen mit deutlicher Mehrheit angenommen. Währenddessen verlassen sowohl die Profis als auch die Spieler der U 19 und der U 23 schon „unauffällig“ die Arena, was nicht bei allen Zuschauern gut ankommt („die sollen sich ruhig anhören, was sie mit ihrem Gegurke angerichtet haben!“).

Peter Peters: Geld schießt nicht immer Tore, aber Tore erzielen immer Geld

Den ersten Bericht legt traditionell Finanzvorstand Peter Peters vor. Er verweist darauf, dass die Floskel „Geld schießt Tore“ nicht immer stimme, da Schalke sehr viel investiert habe und trotzdem zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren vorsorglich die Lizenz für 2. Liga beantragen musste. Umgekehrt gelte hingegen: Tore erzielen IMMER Geld, die Rekordbilanz sei ganz maßgeblich auf die tolle Vizemeistersaison zurückzuführen. Und: Am 1. Juli sei ein historischer Tag, denn dann sei die Arena vollständig abbezahlt! Bei der Bilanz 2019 hingegen müsse Schalke mit Verlust rechnen.

„Ich wollte nur noch kotzen“

Großen Applaus gibt es dann für Peters‘ deutliche Ansage, er habe „nur noch kotzen“ wollen bei dem Banner für BVB-Attentäter Sergej W. Auch rassistische Pöbeleien oder Sieg heil-Rufe dürften in unserer Kurve keinen Platz haben. Die so etwas von sich geben seien „bestenfalls dumm, schlimmstenfalls Antisemiten oder Rassisten, aber KEINE Schalker!“ Abschließend verweist er darauf, wie mutig sein Freund Rudi Assauer immer gehandelt habe, diesen Mut wünsche er sich auch in Zukunft. Und: Die Arena steht künftig am Rudi-Assauer-Platz 1.

Alexander Jobst: Wir drohen den Anschluss zu verlieren

Marketingvorstand Alexander Jobst verweist darauf, dass er in den 7 Jahren seiner Amtszeit immer Steigerungen vermelden konnte; die jetzigen Vermarktungserlöse von 96 Mio. Euro seien „Championsleague-Niveau“. Dennoch sei er nicht zufrieden, denn er mache sich Sorgen, weil Schalke 2019 wohl nicht weiterkomme. Sein Team habe viel kompensiert, aber ewig gehe das nicht, „wir drohen wegen des sportlichen Misserfolgs den Anschluss zu verlieren.“

„Das Verhältnis zwischen Vergangenheit und Zukunft stimmt nicht“

Sorgen mache ihm insbesondere die Resignation und emotionale Leere, die Entfremdung vom Verein, die sich in Äußerungen wie „ist doch egal, wer Trainer wird, ist ja ohnehin bald wieder weg“ zeige. Auf Schalke stimme das Verhältnis zwischen Vergangenheit und Zukunft nicht; die Mitgliederumfrage habe gezeigt, dass die überwältigende Mehrheit Schalke mit Tradition, nicht aber Fortschritt oder Innovation assoziiere. Tradition sei „wie eine Laterne, manche halten sich daran fest, anderen leuchtet sie den Weg.“ Schalke müsse dringend klären, wofür es in Zukunft stehen wolle. Er schließt mit dem Appell „Schalke braucht Euch, Eure Leidenschaft, Euren Mut, dann haben wir auch wieder eine Zukunft!“ Die Reaktionen im Publikum sind gemischt.

Jochen Schneider: Um Tedesco tat es mir extrem leid

Für einen Lacher sorgt Tönnies, als er „jetzt kommt die wichtigste Rede – Peter Schneider!“ ankündigt, schließlich heißt der gute Mann Jochen. Der kontert elegant „Das ist ja fast wie bei Rolf Rangnick!“ und betont anschließend, wie „überwältigt“ er von Schalke sei. Als der Anruf kam, habe er „keine Sekunde gezögert“, denn Schalke habe eine „gewaltige Anziehungskraft“. Einer der Helden seiner Kindheit sei Rolf Rüßmann.

Die ersten Spiele seiner Amtszeit seien das 0:4 gegen Düsseldorf, das 2:4 in Bremen und das 0:7 in Manchester gewesen („Toller Einstand, ich weiß“), danach hätten sie sich von Tedesco trennen müssen, was ihm „extrem leid“ getan habe. Er sei sicher, Tedesco werde „noch eine große Trainerkarriere hinlegen.“

„Jeder muss jeden Tag 100 Prozent für Schalke geben!“

Schneider dankt dem Trainerteam, das Schalke vor dem Abstieg bewahrte, was Huub Stevens Standing Ovations einträgt. Auch den Fans gelte ein Dankeschön für ihr „tolles Gespür“: In Nürnberg gab es nach einer indiskutablen Leistung trotz des Punktgewinns Pfiffe, nach der unglücklichen Niederlage gegen Frankfurt hingegen aufbauenden Applaus. Das „größte Spiel“ sei für ihn nicht das Derby („okay, war nicht schlecht“), sondern der Auftritt in Hannover gewesen, wo 15.000 Schalker an einem Sonntagnachmittag gegen den Abstieg kämpften.

Er und sein Team müssten nun „alles umdrehen“. Die wichtigste Personalie sei Wagner, dessen Persönlichkeit und Erfolgshunger ihn überzeugt habe, aber Schalke habe noch großen Nachholbedarf, weswegen auch zu dem bereits vorgestellten Personalien Reschke und Riether weitere Mitarbeiterhinzukämen. Der Verein müsse Verantwortung insbesondere für neue Spieler übernehmen und ein verlässlicher Partner sein, der 100 Prozent perfekte Rahmenbedingungen biete. Im Gegenzug erwarte er, dass jeder Spieler jeden Tag 100 Prozent für Schalke gebe, was in der vergangenen Saison leider oft gefehlt habe.

Ozan Kaban kommt, Weston McKennie verlängert

Schneider habe sich bei der Auswahl von Reschke „nicht nur ein halbes Jahr Stuttgart, sondern jahrzehntelange Arbeit“ betrachtet. Die Knappenschmiede sei das Fundament des Vereins und müsse künftig finanziell besser ausgestattet werden. „Wir können stolz darauf sein, den besten Nachwuchstrainer Deutschlands in unseren Reihen zu wissen!“, zudem haben mit Kutucu, Boujellab und Carls wieder drei Spieler den Sprung in die Profimannschaft geschafft.

Dann die Frage, die viele brennend interessiert: Er werde alles versuchen, um Alexander Nübel zu halten, doch er könne nichts versprechen. Situationen wie bei ihm, Matip, Kolasinac und Goretzka sollen künftig durch rechtzeitige Gespräche und frühzeitige Bindung vermieden werden. Dann – ENDLICH! – ein Neuzugang: Ozan Kabak hat einen Vertrag bis 2024 unterschrieben! Der Jubel steigert sich noch, als Weston McKennie in die Kamera strahlt: Auch der beliebte Allrounder hat bis 2024 verlängert, zwei langfristige Planungen! Nahezu einhellige Meinung im Publikum: Schneider hat die „Feuertaufe“ gut bestanden und macht einen sehr bodenständigen Eindruck.

Clemens Tönnies: Ich übernehme die Verantwortung

Sehr kurz fällt der Bericht von Tönnies für den Aufsichtsrat aus: Auch er dankt Tedesco („vielleicht sehen wir ihn noch mal wieder“ und übernimmt die Verantwortung, mit dem Aufsichtsrat „die eine oder andere falsche Entscheidung getroffen zu haben“. Sein besonderer Dank geht an Huub Stevens („er hat die sportliche Fachkompetenz, die ich nicht habe“). Der Aufsichtsrat habe eine Klausur auf Mallorca („nicht auf der Bierstraße!“ – Stevens lacht sich scheckig) gemacht und um die künftige Ausrichtung gerungen.

Er sei zuversichtlich, dass die neue Truppe den Verein nach schlaflosen Nächten wieder nach vorne führt. Er werde „alles dafür tun, was ich kann!“ Wenn er in der Pressekonferenz zu oft „ich“ gesagt habe, dann habe er zeigen wollen, dass er die Verantwortung übernehme.

Aussprache: Bier und Rauchen, Tickets und Statuen

Danach geht es in die Aussprache, 26 Wortmeldungen erbringen einen bunten Strauß zwischen sehr guten Fragen und Anregungen u. a. zur Reduzierung der Verkaufsphasen, den Versandkosten, der Einführung von Mehrwegbechern, einer Statue für Rudi Assauer und der Berufung von Benni Höwedes in die Ehrenkabine bis hin zu Beschwerden über das alkoholfreie Bier, Rauchen in der Arena und gegen den Spielplan der DFL. Peter Wendt darf natürlich nicht fehlen und wird – jährlich grüßt das Murmeltier – herzlich von der Bühne gepfiffen.

Auffällig sind, dass nur sehr wenig konkrete Kritik an der letzten Saison geübt wird. Und bei einigen Fragen kann Peters nach Ende der Aussprache direkt für Abhilfe sorgen: Die Frage der Mehrwertbecher wird noch ausgewertet, über die Statue („wenn alles fertig, wollen wir nicht nur mit dem Straßenschild an Rudi erinnern“) könne man reden, außerdem habe man sich bei Applerbeck für die Vorkommnisse beim letzten U 23 Spiel entschuldigt. Jobst ergänzt, das kritisierte giftgrüne Ausweichtrikot sei „kein reines Marketing gewesen, die Leuchtfarbe war auch sportlich gewünscht“, mindestens die nächsten zwei Saisons werde es aber keine Neonfarben mehr geben.  Zu den Verkaufsphasen komme eine Umfrage, der Instagram-Account werde künftig auch deutschsprachig geführt und die Gültigkeit der Geburtstagsgutschein auf 6 Monate erhöht. Den Vogel schießt Schneider ab: Der Verein wird den Fans, die bereits Flüge zum Testspiel nach Liverpool –gebucht haben, die Kosten erstatten.

Aufsichtsrat: Tönnies und Lange bestätigt

Die Wahl zum Aufsichtsrat wird von Dr. Buchta geleitet, die vier Kandidaten dürfen in alphabetischer Reihenfolge eine Vorstellungsrede halten. Peter Lange legt den Schwerpunkt auf Erfahrung und Verlässlichkeit, Ingolf Müller fragt, wo der Aufsichtsrat bei Heidels „Transferwahnsinn“ war – Schalke habe „kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem“ und darauf müsse der Aufsichtsrat das Augenmerk legen. Matthias Rüter plädiert dafür, für eine ausgewogene Zusammensetzung des Aufsichtsrates möglichst unterschiedliche Qualifikationen und Generationen einzubinden und Tönnies macht es kurz und schmerzlos: „Die letzte Saison war scheiße und dafür stehe ich ein. Wir haben daraus gelernt und werden es besser machen. Ich bin nicht derjenige, der wegläuft.“

Nach 5.04 Minuten elektronischer Abstimmung steht fest: Tönnies (5.599 Stimmen) und Lange (4.043) bleiben im Aufsichtsrat, Rüter (3.647) und Müller (1.341) kommen nicht zum Zuge. Beide nehmen die Wahl an.

Der Ehrenrat wird in Sekundenschnelle per Blockwahl per Handzeichen berufen: Künftig gehören ihm Prof. Dr. Bernsmann, Götz Bock, Jochen Dohm, Bernhard Terhorst und Kornelia Toporzysek an.

Wahlausschuss: Schipper und Altfeld wiedergewählt

Auch bei der Wahl zum Wahlausschuss setzen sich die Amtsinhaber durch: Matthias Schipper (6.084 Stimmen) und Thorsten Altfeld (3.326) liegen nach Abschluss der Abstimmung vor Judith Neuwald-Tasbach (2.397) und Wolfgang Bone (1.565).

Entlastungen – und Freibier!

Der Vorstand wird bei nur wenigen Gegenstimmen entlastet, das Gleiche geschieht auf Antrag von Ehrenpräsident Gerd Rehberg auch mit dem Aufsichtsrat, dann ist es geschafft: Tönnies dankt allen Erschienenen („ich habe hier oben noch nie so geschwitzt!“), dann wird das Vereinslied geschmettert, Vorstand und Aufsichtsrat geschlossen Arm in Arm, hoffentlich ein gutes Omen. Über so viel Einigkeit wird fast das Freibier vergessen…

Breite Mehrheit für die Entlastung der Gremien