Aalen – Schalke 0:2: Pflichtsieg der Spieler, Galaauftritt der Fans
18. August 2024Der FC Schalke 04 setzt sich beim tapferen Fünftligisten VfR Aalen so ungefährdet wie unspektakulär mit 0:2 (0:1) durch und zieht in die zweite Hauptrunde des DFB-Pokals ein. Weitaus mehr Glanz als die königsblauen Kicker verbreiten an diesem Sommernachmittag die ungefähr 5.000 Fans mit einer riesigen „Schalke, ich bin für Dich geboren“-Choreo. Susanne Hein-Reipen ist dabei und berichtet…
Das Schwabenländle ist schön und an Aalen hat Schalke nur gute Erinnerungen – nach dem einzigen bisherigen Duell in der ersten Pokalrunde 2010/2011 gewann Schalke am Ende den Pokal -, daher machen sich bereits am Freitag zahlreiche Knappen auf den Weg nach Süden. Sie finden ländliche Idylle und in der Vesperstube Schättere nicht nur sehr leckeres Essen, sondern auch herzliche Aufnahme, denn Pächter Joachim ist Mitglied im Aufsichtsrat des Gastgebers, der sich sehr über den attraktiven Gegner und die für die ebenfalls finanziell gebeutelten Aalener hohen Einnahmen freut.
Anwesenheitskontrolle im Unterholz
Die Centus Arena ist schnell gefunden, der riesige Bierpilz vor dem Hotel Eichenhof versorgt schwarzweiße wie blauweiße durstige Kehlen, als die Aalener Szene, angeführt von Mannschaftswagen und berittener Polizei, einmarschiert und dabei selbst auf eigene Fans losgeht, die ein Foto von dem Marsch machen wollen.
Die „normalen“ Aalener Fans und die Polizei sind wesentlich entspannter und zeigen den Gästen gerne den Weg zu den Gästeeingängen. Am Tor des Sitzplatzblocks suchen die zur Anwesenheitskontrolle geladenen Schalker allerdings vergebens nach den charakteristischen grünen Westen, auch hinter der Stehtribüne ist auf Anhieb nix zu sehen. Aber siehe da, halb im Unterholz des angrenzenden Walds wird kontrolliert – die Notebooks hatten die Überhitzung durch die pralle Sonne nicht vertragen und so wurde die Kontrolle kurzerhand verlegt. An dieser Stelle einmal herzlichen Dank für Euren Einsatz!
Die Sicherheitskontrollen an den eigentlichen Eingängen sind seeeehr moderat und so können schnell die Verpflegungsstände angesteuert werden, wo lauter ehrenamtliche (!) Helfer zugunsten der Aalener Jugendabteilung schuften. Respekt!
Blau und Weiß, wie lieb ich Dich
Das Stadioninnere ist sehr idyllisch, allerdings wird die nicht überdachte Gäste-Stehplatztribüne von der Mittagssonne gebraten. Auch der Rasen weist schon einige Löcher auf, als die Mannschaften zum Warmmachen rauskommen – und Toiletten hat man im Gästesitzblock I irgendwie vergessen.
Die Begrüßung der Fans durch den Stadionsprecher ist hingegen sehr freundlich; zur Freude des königsblauen Anhangs wird auch das Vereinslied „Blau und Weiß, wie lieb‘ ich Dich“ in voller Länge und ohne Störfeuer gespielt, dann folgt die Schalker Aufstellung: Chefcoach Karel Geraerts ist mutig und setzt auf die „Babyabwehr“: Hoffmann, Murkin, Sanchez, Wasinski, Bulut, Bachmann, Schallenberg, Mohr, Karaman, Aydin und Sylla sollen es richten.
Die Aufstellung und das Vereinslied der Gastgeber dürfen natürlich auch nicht fehlen, dann warten beide Fanlager gespannt auf das Einlaufen der Mannschaften. In beiden Kurven wurden bereits große Banner zurechtgelegt…
Schalke, ich bin für Dich geboren
Als die Spieler angeführt vom Schiedsrichterteam um Dr. Felix Brych aus den Kabinen kommen, gibt es dann auch prompt Choreos inklusive Rauch- und Pyrotechnik auf beiden Seiten. Während Aalen auf ein riesiges Vereinslogo und das Motto „Mit uns einer mehr“ setzt, zeigt die Gästekurve zunächst ein wimmelndes blau-weißes Fahnenmeer hinter dem überdimensionalen NORDKURVE GELSENKIRCHEN-Banner, dann wird nahezu über die gesamte Breite der Tribüne eine gigantische Blockfahne aufgezogen, auf der das Nordkurvenlogo und das Stadtwappen das Vereinswappen einrahmen, dazu gibt’s blauen Rauch satt und es erklingt „Schalke, ich bin für Dich geboren!“ aus vielen tausend Kehlen. Stark – das ist der Vorteil, wenn es kein Problemfenster gibt…
Mit dem Anpfiff tauchen einige Wolken auf, dankbar begrüßt von allen, die kein schattenspendendes Dach über dem Kopf haben. Der Beginn auf dem Rasen gestaltet sich erwartungsgemäß zäh, erst nach 11 Minuten gibt es den ersten Torschuss durch Aydin, der aber um einiges zu hoch liegt.
Der Gästeblock supportet lautstark mit „S! 0! 4!“ und „Wenn wir uns‘re Stimme heben, sollst Du immer alles geben“, als Aalen plötzlich einen Elfmeter fordert, nachdem Kindsvater Sanchez im Strafraum den Ball an den rechten Arm geschossen hat. Brych winkt jedoch sofort ab (13.).
Viel Ballbesitz, wenig Ertrag
In der Folgezeit hat Schalke zwar deutlich mehr Ballbesitz als die Hausherren, doch weder die Offensivabteilung noch der sehr agile Bulut (17., 21., 29.) bringen das Leder über die Linie, von Aalen ist offensiv wenig bis nichts zu sehen, Hoffmann kann ungefährdet mehrfach bis zur Mittellinie aufrücken. Die Gästekurve überbrückt die spielerische Armut mit dem kompletten Liedgut von „Steht auf, wenn ihr Schalker seid“ und „Gelsenkirchen ist‘ne schöne Stadt, da muss man sich benehmen“ über „Hurra,Hurra, die Schalker die sind da“ und „Um die halbe Welt sind wir gefahrn“ bis zu „Auf geht’s Schalke, kämpfen und siegen“, Attacke und „Auf geht‘s Blau-Weiß, holt euch den Sieg für uns“. Auf den Rängen ist in dieser Phase deutlich mehr los als auf dem Feld!
Aber dann melden sich die Kicker mit Nachdruck zurück im Geschehen: Einen Freistoß von Mohr köpft Kapitän Karaman aus stark abseitsverdächtiger Position zum 0:1 in die Maschen (31.). Gut, dass es in der ersten Pokalrunde keinen VAR gibt…
Kurz darauf hat Sylla sogar nach einer schönen Vorlage von Aydin das 2:0 auf dem Fuß, er schießt jedoch Keeper Wick an (33.). Die Gäste aus dem Ruhrpott feuern ihr Team weiterhin unverdrossen und lautstark mit „S04 nur mit Dir“, „Schalke nur Du alleine“ und „Wir kommen aus Gelsenkirchen“ an. Etwas Verwertbares springt jedoch bis zur Pause nicht mehr heraus.
Die Achtziger haben angerufen…
In der Pause ist man sich im Gästeblock einig, dass da gerne mehr und schnellere Aktionen kommen dürfen. Aalen-Coach Kosturkov nutzt den Pausentee, um Rapp durch Fofanah zu ersetzen.
Durch den Seitenwechsel steht nunmehr Aalens Keeper Wick vor der Gästetribüne. Sein grellrosa Dress sorgt für einige Erheiterungen wie „Oh, Tim-Wiese-Gedächtnistrikot“ und „Pretty in Pink“. Bezüglich seiner Frisur scheiden sich die Geister, ob er Toni Schuhmacher, Eike Immel oder Wolle Petry nacheifert, aber egal: Die Achtziger haben angerufen und wollen ihren Torwart zurück! Der Retro-Keeper erweist sich allerdings in der Folgezeit als mit Abstand bester Mann seines Teams.
Aalen sieht durch Campagna (Foul an Aydin, 52.) und Szabo (Trikotziehen gegen Aydin, 54.) zwei frühe gelbe Karten; ansonsten zeigt sich unverändert das Bild des ersten Durchgangs: Schalke hat alles im Griff, offensiv passiert zu wenig, die Fleißigsten sind die Fans, die „Unsere Fahnen weh‘n im Wind“, „Für deine Farben leben und sterben wir“ und „Geh’n mit dir auf jede Reise“ performen.
Mohr macht den Deckel drauf
Der Stadionsprecher freut sich über 10.800 Zuschauer, die Gäste wundern sich, wo noch 3.700 Menschen hinpassen sollen. Sylla verpasst das 2:0, als er eine unverhoffte Vorlage von Dembelé aus fünf Metern genau in die Arme von Wick köpft (61.).
Bachmann (61.) und Torres (63.) erhalten wegen taktischer Fouls jeweils Gelb, dann erlöst Mohr die Schalker: Er schnappt sich einen missglückten Rückpass von Fofanah und startet Richtung Tor durch, dort bleibt er im Eins-gegen-Eins cool und tunnelt Wick zum 0:2 (68.). Alle Beteiligten ahnen, dass dies angesichts der galoppierenden Harmlosigkeit des Aalener Angriffs bereits die Entscheidung war; die Gästekurve freut sich, der bis dahin unermüdlich klatschende Heimblock und die drei Herren, die das Spiel vom Dach der Geschäftsstelle verfolgen, sind weniger begeistert.
Kindsvater und Hoffmann rasseln zusammen und der Schalker Keeper muss kurz behandelt werden, kann dann aber weitermachen. Aalen nutzt die Pause für einen Doppelwechsel – für Kienle und Schaupp kommen Sauerborn und Döringer, Geraerts tauscht Mohr gegen Donkor (72.). Kurz darauf ersetzt Schlotterbeck Szabo.
Schalke ist ein gutes Pferd
Die Gästekurve zelebriert jetzt „Unser Traum von Schalke wird niemals untergeh’n“ und feiert Murkin, der sich beim Warten auf das Ausführen zweier Ecken kurzerhand für die grandiose Unterstützung bedankt. Eine dieser Ecken landet von Murkin flach bei Karaman und wird von diesem mit reichlich Schwung an die Latte befördert (81.). Schade!
Bachmann köpft eine weitere Eckballflanke von Murkin knapp neben den Kasten (83.), Wick fischt einen Schlenzer von Schallenberg raus (86.) und Schallenberg schießt Odabas statt das Tor ab (87.). Aalens Trainer bekommt ebenfalls noch Gelb wegen Meckerns (90+1) – und das vermeintliche 3:0 durch Bachmann nach Murkin-Freistoß zählt nicht, weil Sanchez zuvor einen Aalener von den Beinen geholt hatte (90+2.).
Nach dem Abpfiff grient ein Schalker „wenn ein gutes Pferd nur so hoch springt, wie es muss, war Schalke heute ein verdammt gutes Pferd!“
Hauptsache weiter!
Und tatsächlich: Der Sieg war verdient und ungefährdet – und glanzlos, aber danach fragt im Pokal keiner mehr. Für die Liga muss Karel Geraerts jedoch unbedingt weiter am Offensivtempo und der Chancenverwertung arbeiten.
Für die Spieler gibt es trotzdem reichlich Applaus, als sie vor die Kurve treten und gemeinsam gefeiert wird. Heekeren macht noch einige junge Fans mit seinen Handschuhen und einer kurzen sympathischen Plauderrunde glücklich, dann streben die Schalker mehrheitlich ihren Bussen und Autos zu oder halten Ausschau nach einem der vielen guten schwäbischen Restaurants. Wir kommen gerne wieder!