Schalke – Bremen 2:1: Im Keller brennt noch Licht – und wie!!!
30. April 2023Der FC Schalke 04 besiegt den SV Werder Bremen nach langem Rückstand dank einer starken kämpferischen Leistung in der zweiten Halbzeit verdient mit 2:1 (0:1). Die Schalkefans in der mit 61.981 Zuschauern ausverkauften Arena haben am Ende weder Nerven noch Stimme, aber die Gewissheit: Schalke lebt noch! Susanne Hein-Reipen berichtet…
Schalke ist top, das weiß offenbar auch die DFL: Keine andere Mannschaft hat mehr Samstagabendspiele als der S 04! Der späte Anstoßtermin lässt viel Zeit für die gemeinsame mentale Spielvorbereitung der Fans, wo der Blick natürlich auch zu den Nachmittagspartien geht. Der Sieg der Stuttgarter über die „die wahre Borussia“ macht klar: Heute ist Verlieren verboten!
Beim Fanspiel verliert der bekannte Fanclub „Der auf Schalke tanzt“ knapp gegen den „Schalker Erftkreisel“, einen satten Applaus gibt es trotzdem für die von der Truppe um Reinhold Palm geleistete tolle Hilfe für die Opfer der Flut im Ahrtal.
Gegen FFM Oberrang in Blau, Unterrang in Weiß – alle!
Ein Banner in der Nordkurve und zahlreiche Plakate an den Eingängen fordern „Gegen FFM: Oberrang in Blau, Unterrang in Weiß – alle!“ – man darf also gespannt sein, was sich die für besondere Choreographien bekannten Ultras Gelsenkirchen für das letzte Heimspiel der Saison vorgenommen haben.
Im Vorprogramm gibt’s unter der Überschrift „Schalke ist mehr als Fußball“ Interviews mit Jugendlichen aus der Leichtathletik- und Basketball-Abteilung; der Punkt „Statistik“ fällt dieses Mal ein wenig kürzer aus, weil die Bilanz gegen die „Fischköppe“ in den letzten Jahren alle andere als erfreulich war. Sehr freundlich begrüßt werden hingegen Heiko Westermann und Marco van Hoogdalem, die mit vielen anderen am jährlichen Ehemaligentreffen teilnehmen. Sie sind sich einig: In der Arena auf dem Rasen stehen zu dürfen ist etwas ganz Besonderes!
Auf geht’s Blau-Weiß, holt Euch den Sieg für uns…
Wie bereits beim furiosen Heimsieg über Hertha wird das Steigerlied bereits gesungen, während sich die Mannschaft noch warmmacht, dann ölt die Nordkurve mit „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen!“ und „Auf geht’s Blau-Weiß, holt Euch den Sieg für uns“ die Kehlen. Zum Vereinslied „Blau- und Weiß, wie lieb‘ ich Dich“ gibt es dann wieder vollen Schal- und Fahneneinsatz, gefolgt vom Wechselgesang Schalke! – Nullvier!
Die Mannschaften kommen auf das Spielfeld, Schalke in Königsblau-Weiß, Werder in – tja, wie soll man diese Farbe nennen? – halbverdautem Lachs mit grünen Hosen. Beim Verlesen der Schalker Aufstellung bekommt Matriciani von der Kurve ein Fuß-ball-gott angehängt; da Jenz leider kurzfristig ausfällt sollen zunächst Schwolow, Matriciani, Yoshida, Kaminski, Uronen, Krauß, Kral, Karaman, Zalazar, Bülter und Terodde ran.
Ducksch trifft und provoziert
Zum Anpfiff erstrahlt die Stadt sehr lautstark in Blau, dann folgen „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und „Schalke nur Du alleine“. Auf dem Rasen rasseln direkt in der ersten Minute Bülter und Stark aneinander, doch beide können weitermachen. Auch in den Folgeminuten gehen beide Mannschaften sehr engagiert und mit ersten Vorstößen über Karaman (4.) und Bittencourt (6.) zu Werke.
Bülter, Zalazar und einem Eckball ist kein Erfolg vergönnt, während sich Ducksch, der bereits im Vorfeld des Spiels mit Pro-BVB-Sprüchen provozierte, mit Lamentieren und Hakeleien zunehmend unbeliebt macht. Logische Konsequenz: Ein Pfeifkonzert, als er die erste Ecke für die Gäste ausführt (11.).
Die erste große Möglichkeit geht zu den Klängen von „Geh’n mit Dir auf jede Reise“ an Königsblau, aber Karaman wird von der Bremer Defensive bedrängt und kann den vorausgegangenen Zuckerpass von Zalazar nicht versenken (12.); ein weiterer Abschluss von Uronen landet genau in den Armen von Werder-Schlussmann Pavlenka (15.) – und dann trifft ausgerechnet Ducksch zum 0:1 (18.). Vorausgegangen war ein Ballverlust von Zalazar und eine Stafette über Philipp und Weiser, der die Schalker Abwehr nichts entgegenzusetzen hatte. Der Torschütze jubelt sehr provozierend Richtung Kurve, prompt fliegen einige Bierbecher, aber Philipp zieht ihn schnell weg.
Der Ausgleich will nicht fallen
Die Nordkurve macht sofort die Ansage „Steht auf“, die Mannschaft folgt und hat mit zwei Freistößen nach Fouls von Stark und Stage jeweils an Karaman weitere Möglichkeiten. Der Däne zieht sich dabei nicht nur die erste gelbe Karte der Partie, sondern auch einen Cut zu und macht nach kurzer Behandlung mit Kopfverband weiter (25.).
Schalke ist durchaus bemüht, kann die Bremer Abwehr jedoch zunächst nicht wirklich in Nöte bringen. Die beste Chance hat Terodde nach einer schönen Flanke von Uronen, doch sein Flugkopfball wird Beute von Pavlenka (34.). Philipp simuliert derweil ein Nahtoderlebnis, hüpft danach jedoch wie ein junges Reh davon – die Nordkurve stuft das als frühes Zeitspiel ein und schickt ein herzhaftes „Werder-Schweine“ Richtung Gäste, bevor es mit „Wir lieben alle nur den FC Schalke“ weitergeht.
Pavlenka klärt erneut vor Terodde (39.), Zalazar setzt einen weiteren Freistoß über das Tor (44.), es gibt satte 6 Minuten Nachspielzeit mit einer weiteren Chance für Ducksch, der von Matriciani ausgebremst wird und wieder rumjammert (45+5.). Mit 0:1 und „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen“ geht es in die Kabinen.
Reis verzweifelt an der Linie
Die Beiträge in der Fanbox sind deutlich optimistischer als die Pausenstimmung: Wird Schalke noch eine zündende offensive Idee entwickeln können? Nur „hoch und weit“ ist offensichtlich kein Patentrezept.
Beim Talk mit Thomas Kirschner vom Team Fanbelange geht es heute unter anderem um die neugeschaffene Möglichkeit, Schalke hilft! per paypal zu unterstützen; am 22.8.2023 gibt es bei b2run einen Extrapreis für Schalkemitglieder, die beliebte Party der Isar-Schalker vor dem Spiel in München findet an neuer Stelle im Biergarten „Hofbräukeller“ statt. Auch Kirsche verweist darauf, dass gegen Frankfurt der „Dresscode“ Oberrang blau, Unterrang weiß gilt.
Beide Mannschaften kehren personell unverändert auf den Rasen zurück, die Nordkurve grüßt die zahlreich vertretenen Freunde aus Enschede. Einen Fernschuss von Bülter (47.) faustet Pavlenka über den Kasten, Karaman erreicht einen Vorstoß von Zalazar nicht (49.), Friedl stört ein Zusammenspiel von Bülter und Terodde (55.) und der Torjäger köpft auf das Netz, so dass sich der wie immer höchst engagierte Thomas Reis an der Linie zunehmend die Haare raufen muss.
Läuft Schalke die Zeit davon?
Die Nordkurve unterstützt weiter lautstark mit „Gelsenkirchen-Schalke“, „Immer wieder S 04“ und „Steht auf“, aber alle Bemühungen der Spieler enden spätestens bei Pavlenka; Veljkovic sieht Gelb für ein Foul an Bülter. In der 64. Minute dann kollektives Fruststöhnen: Eine Eckballflanke von Zalazar setzt Krauß mit viel Schmackes an die Querlatte, es ist zum Mäusemelken!
Krauß sieht ebenfalls Gelb für ein Foul an der Nervensäge Ducksch (65.), was die Nordkurve erneut auf die Palme bringt. Pieper ersetzt den angeschlagenen Stark, dann sieht auch Ducksch die überfällige Gelbe wegen Dauermeckerns. Pavlenka klärt gegen Karaman (73.), auf der Gegenseite schlenzt Bittencourt am Tor vorbei – und dann setzt Reis zu den Klängen der „Asozialen Schalker“ auf einen Dreifachwechsel (75.): Drexler, Polter und Frey kommen für Uronen, Terodde und Karaman.
Yoshida sieht ebenfalls Gelb, beide Trainer bringen weiteres frisches Personal, für Bittencourt und Philipp dürfen Gruev und Schmidt ran, van den Berg ersetzt Matriciani. Eine Kopfballmöglichkeit von Polter und eine Zalazar-Flanke später wird der lange verletzte junge Niederländer zum heißersehnten Dosenöffner: Weiter Einwurf Kaminski, Pieper will per Kopf klären, doch der Ball landet genau vor den Schlappen von van den Berg, der sofort mit links abzieht und präzise zwischen Pavlenka und dem Pfosten in die Ecke trifft. 1:1 (81.), weiter, weiter!
Drexler mit dem erlösenden Treffer
Der Treffer reißt auch die anderen Tribünen von den Sitzen, gemeinsam wird die Mannschaft nach vorne getrieben, doch zunächst ist wieder Werder mit Ducksch am Drücker, aber die Kugel landet am Außennetz (83.). Van den Berg sieht Gelb wegen zu hohen Beins gegen Jung (85.). Jung setzt einen Freistoß knapp über das von Schwolow bewachte Schalker Tor (86.), Ouwejan ersetzt Bülter (87.), immer wieder, immer wieder, immer wieder S 04…
Das Schalker Publikum peitscht das Team nach vorne, Pavlenka macht sich mit Zeitspiel unbeliebt, es gibt 5 Minuten Nachspielzeit obendrauf, der durchschnittliche Blutdruck im Publikum dürfte über 200 liegen. Drexler rettet gegen Ducksch (90+1.) – und wird kurz darauf von Zalazar mit einem weiteren Zauberpass in den Rücken der Abwehr frei vor dem Tor in Szene gesetzt: Der Fighter bleibt cool wie ein Eiswürfel und hebt die Kugel am herausstürzenden Pavlenka vorbei zum 2:1 rechts ins Eck. JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA! Blau und Weiß ein Leben laaaaaang! Ganz Schalke ist in Ekstase! Mbom ersetzt noch Groß, dann erlöst der Schlusspfiff alle Schalker. Wir leben noch!!!
Im Keller brennt noch Licht!
Auf den Tribünen liegen sich Wildfremde in den Armen und schreien sich ins Gesicht, dass sie es ja immer gewusst haben, diese Dramaturgie war mal wieder typisch Schalke, einmal Hölle und zurück auf Wolke 7.
Tabellarisch bleibt Schalke mit nunmehr 27 Punkten auf Platz 17 – noch ist der Abstieg nicht abgewendet, aber mit einem Punkt hinter den Plätzen 15 und 16 und zwei Punkten hinter Hoffenheim auf Rang darf weiter gehofft werden, während eine Niederlage angesichts des Restprogramms wohl den Abstieg nahezu besiegelt hätte.
Entsprechend begeistert wird die Mannschaft von der erleichterten Nordkurve empfangen: SIEG! SIEG! SIEG! Zalazar führt seine Mannschaftskameraden umgehend hinter das Tor in direkte Tuchfühlung zu den Fans. Die Ultras danken für den Einsatz, dann gehen alle Schals hoch und mit einer dicken Gänsehaut und nicht wenigen Tränen in den Augen werden „Eine Stadt erstrahlt in Blau“ und der „Mythos vom Schalker Markt“ gemeinsam rausgebrüllt. Datt ist Schalke, für solche Abende lebt man als Fußballfan! La ola olé!
Auf die Ehrenrunde geht es dann mal nicht zum „Königsblauen S 04“, stattdessen haut die Stadionregie mit viel Fingerspitzengefühl „Schalke ist die Macht“ raus. Star dieser Runde ist das Töchterchen von Yoshida, die mit Schalketrikot und Faltenröckchen begeistert hüpfend ihren erschöpften Papa zum Mittanzen bewegen will. Allen, Mannschaft und Fans, steht die pure Erleichterung ins Gesicht geschrieben – geilster Club der Welt halt!