Gladbach – Schalke 0:0: Schalke lebt noch, bleibt aber offensiv zu harmlos
5. Februar 2023Der FC Schalke 04 erzielt dank einer kämpferisch und defensiv guten Leistung mit einem 0:0 bei Borussia Mönchengladbach einen verdienten Auswärtspunkt und wird trotz einiger offensiver Haareraufer von den rund 8.000 mitgereisten Fans gefeiert. Susanne Hein-Reipen berichtet direkt aus einem sehr stimmgewaltigen Gästeblock.
Wanted: Biergarten
Kurze Anreise, großes Stadion, Traditionsduell: Nach Mönchengladbach macht sich regelmäßig ein großer königsblauer Auswärtsmob auf die Reise. Die letzten Stunden bis zum Anpfiff des „Topspiels“ überbrücken Schalker und Gladbacher friedlich Seite an Seite im Borussia-Biergarten hinter der Nordkurve. Einhelliger Tenor der königsblauen Fans: So ein stadionnaher Treffpunkt mit flüssiger und fester Verpflegung von Pizza über Crêpe und Würstchen bis Fischbrötchen und Burger, in dem man auf der Großleinwand die Konferenz der Nachmittagsbegegnungen verfolgen kann, würde dem Berger Feld auch gut stehen.
Die Stimmung ist erwartungsvoll und friedlich, es sind viele „farbgemischte“ Trupps unterwegs, schließlich sind die jeweiligen Erzfeinde andere. Was den Schalkern ihre Tausend-Freunde-Mauer, ist den Fans der „Wahren Borussia“ eine riesige Raute mit ebenfalls rautenförmigen Metallschildchen, in welche die Namen von Freunden und Förderern eingraviert sind. An dieser vorbei geht es zum Gästeeingang, wo sich Anwesenheits- und Einlasskontrollen gründlich, aber unkompliziert gestalten.
Stolzer Blick zurück, volle Kraft nach vorn
Im Stadioninnern prangt groß der Slogan „Stolzer Blick zurück – Volle Kraft nach vorn“, der auch gut auf Schalke passen würde. Außerdem gibt es die leckerste Pizza der ganzen Liga.
Die Schalker Mannschaft erfreut sich nach der starken kämpferischen Leistung gegen Köln einer ausgesprochen lauten Begrüßung. Der Mittelkreis ist als riesiges Peace-Zeichen gestaltet, das gefällt wie das Gladbacher Engagement für #niewieder auch dem Gästeblock – im Gegensatz zu einer ziemlich nervigen Werbung mit Mickie Krause. Aus der Nordkurve weht „Auf geht’s Gladbach kämpfen und siegen“ hinüber, dann gibt es die Schalker Aufstellung:
Thomas Reis vertraut mit Fährmann, Brunner, Yoshida, Jenz, Uronen, Balanta, Kral, Krauß, Skarke und Terodde bis auf zwei Änderungen (Balanta und Kral statt Latza und Bülter) der Startelf des Köln-Spiels. Der Gästeblock feiert die Mannschaft frenetisch.
Bei der Verlesung der Aufstellung der heimischen Fohlen gibt’s auch von den Schalker deutlichen Applaus für Aufstiegsheld Itakura, der Rest bekommt akustisch einen einheitlichen neuen Nachnamen verpasst, der mit A beginnt. Auch das Gladbacher Vereinslied „Wir schwören Stein und Bein auf die Elf vom Niederrhein“ wird traditionell zu „Wir schmeißen Stein und Stein auf…“ umgedichtet.
Steht auf, wenn Ihr Schalker seid
Nach dem Einmarsch der Mannschaften und dem üblichen Shakehands pfeift Schiedsrichter Deniz Aytekin das Spiel pünktlich an. Auf dem Rasen legen beide Mannschaften schwungvoll los, es gibt erste Scharmützel zwischen Balanta und Kramer und Koné und Kozuki; die Kurven schenken sich ebenfalls nix mit „Hurra, hurra, die Schalker die sind da“ und „Um die halbe Welt sind wir gefaaaahrn, immer wieder feuern wir Euch aaaan“ hüben und „Booooorussia“ drüben. Bereits in der 6. Minute bekommt Debütant Balanta Gelb für einen regelwidrigen Griff gegen Hofmann.
Der Gästeblock intoniert „Eine Stadt erstrahlt in Blau“, auf dem Rasen gibt es die erste folgenlose Ecke für die Fohlen. Im allgemeinen Getümmel steigt Jenz, dessen Debüt gegen Köln die Schalker zum Schwärmen brachte, Thuram sehr unsanft auf den Fuß und wird ebenfalls gelbverwarnt.
Als „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ ertönt und auch große Teile von Gegengerade und Südkürve aufspringen, wird deutlich: Verdammt viele Königsblaue hier heute. Wir lieben alle nur den FC Schalke, unsern Kumpel- und Malocherclub…
Kozuki bemüht sich sehr, den Ball nach vorne zu treiben und schickt in der 19. Minute einen sehenswerten Fallrückzieher Richtung Kasten und bekommt prompt Szenenapplaus. Der Gästeblock hat ohnehin prima Laune und bejubelt jede gelungene Aktion, auch Fährmann wird für eine direkt gefangene Ecke gefeiert.
Der Mannschaftsgeist ist intakt
Mit „Geh’n mit Dir auf jede Reise“ und „Schalke, ich bin für Dich geboren“ geht es lautstark weiter, auf dem Feld ist aktuell Gladbach mit Itakura und Koné im Vorwärtsgang. Die erste Schalker Ecke bringt nichts ein.
Der Gästeblock gibt weiter königsblaues Liedgut zum Besten, zunächst den Wechselgesang zwischen Unter- und Oberrang, dann folgen „Wir kommen aus Gelsenkirchen“ und „Wir kommen vom Berger Feld“. Doch nicht nur die Fans stehen hinter der Mannschaft, auch die sich warmlaufenden Ersatzspieler feuern ihre Kameraden bei einem Vorstoß der Gladbacher engagiert an!
Fährmann schnappt sich einen Distanzschuss von Koné; Terodde und Scally geraten aneinander, den anschließenden Freistoß von Hofmann befördert Weigl neben den Kasten. Königsblaue Entlastungsangriffe von Skarke und Kozuki ebenfalls nicht zum ersehnten Treffer, stattdessen wird es im eigenen Strafraum noch einmal kurz brenzlig, aber Jenz klärt gegen Thuram. Bei der anschließenden Ecke rettet Fährmann mit einer bärenstarken Fußabwehr gegen Itakura, den Nachschuss köpft Yoshida aus der Gefahrenzone. Mit dem 0:0 und Applaus geht es in die Kabinen.
Immer wieder, immer wieder, immer wiiiiieder S 04
Im Gästeblock ist man sich einig: Kämpferisch wieder eine Top-Leistung, offensiv darf gerne noch mehr kommen, am liebsten mit Rodrigo Zalazar.
Beide Mannschaften kommen personell unverändert wieder auf den Rasen; und Schalke hat offenbar gute Vorsätze. Ein Kopfball des erneut starken Krauß‘ geht nur knapp über das Tor (49.), kurz darauf muss Omlin gegen Terodde retten (52.). Der Gästeblock honoriert die Bemühungen mit dem „Königsblauen S 04“.
Nach einer Stunde bringen beide Trainer mit Drexler für Balanta und Plea für Weigl erstmals frisches Personal. Der Stadionsprecher verkündet mit 54.042 ausverkauftes Haus, der Gästeblock stimmt „Für deine Farben“ und eine Dauerschleife von „Immer wieder S 04“ an. Kozuki bekommt Gelb für ein Foul an Fohlenkapitän Stindl; kurz darauf muss er für Bülter weichen, Frey kommt für Terodde und hat prompt eine gute Chance, einen Rückpass von Elvedi abzufangen, aber Omlin stürzt gerade noch rechtzeitig herbei.
Das Runde will partout nicht ins Eckige
Das Spiel ist nunmehr ausgesprochen spannend, aber keine Mannschaft kann den wohl entscheidenden Treffer setzen. Stindl jagt das Leder aus kurzer Distanz über die Latte (73.), auf der Gegenseite setzt Bülter eine Flanke von Drexler knapp links vorbei (74.).
Hofmann sieht Gelb wegen eines Fouls an Skarke, der an der Seitenlinie behandelt werden muss. Mit Aydin für Uronen und Rückkehrer Ouwejan für Brunner (beide 78.) schöpft Thomas Reis das Wechselkontingent aus, zum Leidwesen des Gästeblocks heute ohne Zalazar.
Ein Kopfball von Frey wird Beute von Omlin (85.), ebenso ein Distanzschuss des fleißigen Skarke (88.). Fohlen-Trainer Farke nimmt mit einem Doppelwechsel (Neuhaus und Wolf für Koné und Thuram) weitere Sekunden von der Uhr, doch es gibt fünf Minuten obendrauf.
Fällt hier noch ein Treffer?! Schalke versucht es tapfer weiter, natürlich unterstützt von den Fans. Und da wäre es fast passiert, aber Omlin kratzt Skarkes Fernschuss noch aus der linken Ecke (90+3.). Frey köpft drüber (90+4.) und den Schlusspunkt setzt Bülter, leider nicht in das Tor, sondern links daneben (90+5.). damit bleibt es beim 0:0.
Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig – aber eigentlich spielt so kein Absteiger!
Wie bereits in der Vorwoche herrschen bei den Königsblauen und ihrem Anhang sehr gemischte Gefühle: Die kämpferische Leistung war erneut vorbildlich, aber ein Punkt ist eigentlich zu wenig für die erhoffte tabellarische Aufholjagd…
Der Gästeblock schluckt die Enttäuschung über die fehlende offensive Durchschlagskraft – Schalke hat mit nur 14 Treffern aus nunmehr 19 Partien den harmlosesten Sturm der Liga – runter und versichert der ebenfalls enttäuschten Mannschaft einmal mehr das Mantra „Wir sind da, jedes Spiel, ist doch klar…!“ Es ist, wie UGE-Capo Dennis bei der Einweihung des restaurierten Mastes gesagt hat: Solange die Mannschaft sich bemüht und alles gibt, stehen die Fans bedingungslos hinter ihr!
Wohl alle eint die Hoffnung, dass der Knoten bald platzt. Mut machen die kämpferische Leistung und der sichtbare Zusammenhalt. So sieht es auch Thomas Reis in der Pressekonferenz: „Die Jungs auf dem Platz haben 90 Minuten lang gezeigt, dass wir als Mannschaft leben. Da wächst etwas zusammen. Wichtig ist, dass wir uns für unseren Aufwand endlich auch einmal belohnen. Möglichst schon im kommenden Spiel gegen den VfL Wolfsburg. Positiv ist neben dem erneut guten Auftritt auch das zweite Spiel in Folge ohne Gegentor. Auf die beiden Spiele zuletzt können wir aufbauen. Nun müssen noch die Tore her. Ein großer Dank gilt wieder einmal unseren Fans. Sie haben uns fantastisch unterstützt, phasenweise hat es sich angefühlt wie ein Heimspiel.“
In diesem Sinne: Beim Abendspiel gegen Wolfsburg am kommenden Freitag heißt es wieder „Wir sind da, jedes Spiel, ist doch klar, ob ganz unten oder oben, wir sind da!“