Bremen – Schalke 2:1: Klare Leistungssteigerung wird nur von den Fans belohnt
6. November 2022Der FC Schalke 04 präsentiert sich beim Auswärtsspiel bei Werder Bremen spielerisch und kämpferisch verbessert, muss sich aber dem Mitaufsteiger trotzdem mit 2:1 (1:0) geschlagen geben. Die über 6.000 mitgereisten königsblauen Fans zollen der Mannschaft nach dem Spiel lautstark Applaus für den Mut machenden Auftritt. Susanne Hein-Reipen ist dabei…
Auswärts in Bremen, das heißt Shuttlebusse und Fischbrötchen. Anders als in den Vorjahren werden die anreisenden Heim- und Gästefans jedoch bereits im Hemelinger Hafengebiet auf unterschiedliche Straßen verwiesen und in den kostenlosen Bussen getrennt, die Busse fahren auch unterschiedliche Routen zum Weserstadion.
Gästefanfreundlich ist anders!
Nichts geändert hat sich hingegen daran, dass das Stadion erst 90 Minuten vor Spielbeginn die Tore öffnet statt wie in allen zivilisierten Erstligastädten zwei Stunden vorher. Offenbar soll die ohnehin durch zahlreiche unsortierte Gitter und Wellenbrecher ätzende Einlassprozedur am Gästeeingang durch aufreizende Langsamkeit weiter verzögert werden.
Für die Posse mit dem nur in den Toilettenvorräumen vorhandenen Toilettenpapier haben erfahrene Auswärtsfahrer nur noch ein müdes Grinsen über, auch das käfigartige Netz vor den Gästeblöcken ist bereits bekannt. Die Kurve singt sich mit „Auf geht‘s Blau-Weiß, holt euch den Sieg für uns“ warm, die heimische Nordkurve titelt „Werder-Fanatismus statt WM-Patriotismus: 26.11. alle ins Weserstadion“.
Die Schalker Aufstellung läuft kurz und trocken unter „Besuch“. Chefcoach Thomas Reis setzt auf Schwolow, Mohr, Matriciani, Yoshida, Brunner, Krauß, Kral, Bülter, Mollet, Karaman und Terodde.
Die Lautsprecheranlage plärrt „Der Meiiiiiister von der Weser“ und „Lebenslang Grün-Weiß“, dazu gibt es die Aufstellung des „Teams“, von den Gästefans natürlich alle verbal in die Familie der Enddarmausgänge einsortiert.
Und spieltäglich grüßt das Murmeltier aus dem Kölner Keller
Zum Einlaufen der Mannschaften geht das obligatorische „Weserstadion unantastbar“-Banner nach oben und die große Gästekurve sowie die mit Schalkern durchsetzen angrenzenden Blöcke auf der Gegengeraden legen lautstark mit „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“ Und „Schalke, ich bin für dich geboren“ los.
Die Schalker auf dem Rasen setzen das „Kämpfen“ getreulich um, bereits in der 3. Minute muss Pavlenka im Tor der Bremer sein ganzes Können zeigen, um einen harten Schuss von Bülter per Fußabwehr zu klären. Terodde setzt einen Schuss knapp neben den Kasten (7.), Schalke befindet sich insgesamt im Vorwärtsgang – und darf kurz jubeln, denn Kral setzt nach Vorarbeit von Karaman einen noch leicht abgefälschten Schuss zum 0:1 in die Maschen (16.). Leider meldet sich in dieser Saison bei Schalker Führungstoren schon fast traditionell der VAR, um den Treffer zu annullieren, dieses Mal stand Karaman im Abseits.
Für fangerechte Spielansetzungen
In der 22. Minute taucht die hochgelobte Bremer Offensive das erste Mal gefährlich vor dem Schalker Tor auf, aber Yoshida blockt den Abschluss von Füllkrug. Die Heimkurve zeigt derweil mehrere Banner gegen die Terminierungen: „Freitags Hoffenheim 1156 km/Dienstags München 1476 km/Sonntags Stuttgart 1250 km/Nur machbar mit Urlaub oder Krankenschein/für fangerechte Spielansetzungen“ finden auch auf Schalker Seite Beifall, Berlin am Sonntagabend lässt grüßen.
Das Spiel auf dem Feld wogt nun hin und her, lautstark unterstützt von den mitgereisten Schalkern mit „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“. „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n“ und „Wir kommen aus Gelsenkirchen“. Leider überrennt Weiser Mohr und legt mit der Hacke zurück auf Füllkrug, der eiskalt mit rechts zum 1:0 einschießt (30.). Sch…ade.
Weder die Schalker Spieler noch die Fans lassen sich von dem Gegentreffer entmutigen, weiter geht es mit „Wir lieben alle nur den FC Schalke“, Mollet, Bülter, Kral und einem Pfostentreffer von Terodde (38.). Bei den Bremern verdient sich Weiser gute Noten; Mohr hat auf der ungewohnten Position Mühe, den agilen Flügelflitzer einzufangen. Die Heimfans stimmen einen Werder! – Bremen!-Wechselgesang an; ein Banner besagt „Unser Gästeblock? Untragbar“. Tja.
Für Verärgerung und Beschimpfungen sorgt im Gästeblock Friedl, dessen Sperre erst kürzlich reduziert wurde: Nach einem Zweikampf von Terodde und Gruev fordert der Kapitän lautstark Gelb für Terodde. Sportlich sieht anders aus.
Es geht mit dem 1:0 in die Kabinen, die Schalker Fans sind dennoch positiv überrascht vom Auftritt ihrer Mannschaft. „Da geht noch was“ und „wir hätten Reis eher holen sollen!“ sind die Aussagen der Stunde.
Bülter muss raus
Zum Wiederbeginn titeln die Bremer Fans „Wer Katar 2022 schaut, macht sich mitschuldig“, die Gästekurve schickt verbale Grüße an die Freunde aus Enschede und fordert „Auf geht‘s Schalke schieß‘ ein Tor“ und „Eine Stadt erstrahlt in Blau“.
Die erste nennenswerte Aktion ist eine Ecke für Bremen, Schalke kommt nach einigen Versuchen von Bülter mit Karaman und Kral gefährlich nach vorne, Veljkovic wirft sich mit Fuß und Hand dazwischen. Für ihn gibt es Gelb, aber der VAR befindet „kein Elfer“, da sich das Geschehen kurz vor der Strafraumgrenze abgespielt hat. Den fälligen Freistoß setzt Mohr in die Mauer (56). Burke ersetzt den leicht angeschlagenen Füllkrug.
Kurz darauf scheitert Terodde mit einem strammen Schuss an einer starken Parade von Pavlenka, hätte aber wohl auch im Abseits gestanden. Der Gästeblock supportet unermüdlich mit „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“ und „Immer wieder S 04“ weiter und schickt aufmunternden Applaus für Bülter, der angeschlagen gegen Larsson ausgewechselt werden muss.
Klasse Kampf, aber kein Spielglück
In der 66. Minute können sich die Hausherren erneut bei Pavlenka bedanken, der einen satten Schuss von Kral zur Seite lenken kann. Groß und Jung ersetzen Gruev und Friedl, Bittencourt sieht Gelb. Matriciani, der sich in den letzten Spielen in der Innenverteidigung deutlich verbessert zeigt, bremst zweimal gekonnt Burke aus.
Schalke hat nun mehrere Chancen, kann sie aber leider nicht nutzen. Karaman und Terodde werden nach schönem Rückpass von Joker Larsson von der Bremer Defensive gestoppt (72.), Pavlenka klärt gegen Mollet (74.) – stattdessen trifft Werder Bremen! Weiser bereitet mit einer Bilderbuchflanke in den Rücken der Schalker Abwehr den Boden für Ducksch, der den herausstürzenden Schwolow zum 2:0 überlupft, auch Yoshida erwischt den Ball erst hinter der Linie (76.).
Jetzt haben natürlich die ansonsten kaum zu hörenden Heimfans Oberwasser und stimmen „Nur der, nur der SVW an“, die mitgereisten Schalker schieben kurz Frust, besinnen sich aber schnell wieder auf „Auf geht‘s Schalke Kämpfen und Siegen“, „Königsblauer S 04“ und „Blau und Weiß ein Leben lang“.
Der verdiente Anschlusstreffer kommt zu spät
Beide Trainer wechseln erneut, Drexler kommt für Krauß, Stage ersetzt Bittencourt. Schwolow klärt zweimal gegen Ducksch, dann bildet sich im Nachgang zu einem harten Zweikampf zwischen Pieper und Karaman ein Rudel vor den Trainerbänken zum erbosten Austausch einiger „Komplimente“, für die beiden Haupt-Streithähne gibt es jeweils Gelb.
Polter ersetzt Mollet, die mitgereisten Schalker beteuern „Wir sind da, jedes Spiel, ist doch klar“ und Bremen verlegt sich zunehmend aufs Zeitspiel. Schalke rennt weiter an und kommt durch Joker Drexler nach Kopfball-Vorarbeit von Polter zum hochverdienten 2:1-Anschlusstreffer (89.). Es gibt vier Minuten obendrauf, geht hier noch etwas…?
Die Kurve supportet sich die Seele aus dem Leib, auf dem Feld rennt die Mannschaft in einem Sturmlauf an, doch weder Karaman (90+2.) noch Brunner und Polter (90+3.) kommen durch. Bei der folgenden Ecke ist auch Keeper Schwolow mit vorne, aber Pavlenka ist dazwischen. Noch ein Freistoß für Bremen, dann haben die Hausherren den knappen Heimsieg über die Zeit gerettet.
Schalke ist ebenbürtig, bleibt aber tief unten drin
Den Schalkern ist der Frust auf den Gesichtern abzulesen, dass die klare Leistungssteigerung nicht mit mindestens einem Punkt belohnt wurde. Terodde, der mit dem Pfostentreffer besonderes Pech hatte, schlägt mehrmals wütend auf den Rasen. Die nunmehr siebte Bundesliga-Niederlage in Folge lässt Schalke natürlich auf Platz 18 feststecken, damit wurde der bisherige Negativrekord des Karlsruher SC eingestellt. Außerdem ist Schalke nun seit drei Jahren und 35 Partien ohne Bundesliga-Auswärtserfolg.
Doch allen Negativrekorden zum Trotz: Die Mannschaft zeigt sich unter Reis nicht nur kämpferisch klar verbessert und wird von der Kurve gefeiert und aufgebaut. Dieser erneute Schulterschluss nach den „Nichtleistungen“ in Leverkusen und Hoffenheim wird in der Zukunft noch sehr wichtig werden! Schalke muss nun die beiden verbleibenden Heimspiele gegen Mainz und Bayern vor der WM-Pause „überstehen“ und dann unter Reis und mit den genesenen Stammspielern wie Zalazar, van den Berg, Greiml, Kaminski, Ouwejan und Latza und hoffentlich zwei oder drei gezielten Verstärkungen in der Rückrunde eine Aufholjagd starten. Das wird unstreitig schwer, aber nicht unmöglich! Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen!!!
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