Schalke – Hoffenheim 0:3: Heftiger Frust auf Schalke
15. Oktober 2022Der FC Schalke 04 verliert auch das Heimspiel gegen die TSG 1899 deutlich mit 0:3. Die vierte Niederlage in Folge verschlechtert trotz sichtbaren Bemühens der Mannschaft die bereits angespannte Stimmung sogar in der Nordkurve deutlich. Susanne Hein-Reipen über einen maximal unglücklich laufenden Abend auf Schalke…
Freitagabendspiel, das heißt: Ein Sieg kann die Stimmung für’s Wochenende retten. Und weil die Hoffnung ja bekanntlich zuletzt stirbt, kämpfen sich 59.811 Zuschauer durch die mehr als reichlich vorhandenen Staus nach Gelsenkirchen. Auch Petrus hat ein Einsehen, Anreise und Vorglühen bleiben trotz dicker dunkler Wolken über dem Berger Feld trocken.
Mannschaft freundlich empfangen
Trotz der frustrierenden Leistung bei der 0:4-Auswärtsklatsche in Leverkusen werden Torhüter und Mannschaft mit aufmunterndem Applaus empfangen, als sie zum Aufwärmen auf den Platz kommen. Im Vorprogramm hat Jörg Seveneick unter anderem das Führungstrio der zur Zeit sehr erfolgreichen U 23 und drei Vertreterinnen der Björn Steiger Stiftung, die zusammen mit Schalke hilft! traumatisierten ukrainischen Kindern hilft, zu Gast. Auf den Rängen dominiert die bange Frage, wie die Mannschaft wohl heute auftritt.
Hurra, das ganze Dorf ist da
Quatscher Dirk begrüßt auch die Gästekurve, mit exakt 355 aus Hoffenheim abgerufenen Tickets sehr überschaubar gefüllt. Immerhin: Mit dem Banner „Dorfverein“ zeigen die Fans, dass sie über sich selbst lachen können.
Chefcoach der TSG Hoffenheim ist André Breitenreiter, der sich im Vorfeld bemühte, den reißerischen „Rache für den unnötigen Rauswurf“-Presseartikeln den Wind aus den Segeln zu nehmen und betonte, dass er noch gute Kontakte rund um Schalke pflege. Mit Ozan Kabak steht ein weiterer Ex-Schalker in der Startformation; Sebastian Rudy muss zunächst auf der Bank Platz nehmen. Die Heimbilanz gegen die Kraichgauer ist bislang durchaus erfreulich, wird das so bleiben…?
Endlich wieder das echte Steiger-Gefühl
Über zweieinhalb Jahre mussten die königsblauen Fans warten, jetzt ist es der ersehnte Moment da: Schmettern des Steigerlieds in der vollbesetzten und abgedunkelten Arena, immer wieder ein wunderschöner Gänsehautmoment.
Das Vereinslied „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“ folgt auf dem Fuße, dann wird passend zum Einlauf der beiden Mannschaften die Aufstellung verlesen. Chefcoach Frank Kramer, dessen Bild auf dem Würfel mit Gemurre, Abschiedswinken und einzelnen Pfiffen bedacht wird, schickt heute Schwolow, Ouwejan, Yoshida, Greiml, Brunner, Kral, Krauß, Mollet, Bülter, Drexler und Terodde ins Rennen.
VAR, Elfmeter, früher Rückstand
Die Nordkurve empfängt die in blassgelb gedressten Gäste mit einem charmanten „Ihr seid nur ein *****sohnverein“, verlegt sich dann aber sofort auf lautstarken Support des eigenen Teams. „Auf geht‘s Schalke schieß‘ ein Tor“, „Wir komm‘n vom Berger Feld“ und „Hier regiert der S 04“ sind angesagt. Leider bewahrheitet sich das Letztere auf dem Rasen nicht; die Gäste sind von Beginn an im Vorwärtsgang, holen bereits nach acht Sekunden die erste Ecke heraus und kommen durch Baumgartner, Rutter und Prömel zu ersten Torszenen.
Baumgartner wird dabei im Getümmel im Schalker Strafraum von Greiml am Schienbein getroffen, kommt zu Fall und muss kurz behandelt werden. Die Kurve quittiert das mit dem üblichen „Steh auf Du S**“, aber Schiedsrichter Badstübner erhält von Dankert – mit dem Schalke bereits einige ungute Erfahrungen machen musste – im Kölner Keller die Aufforderung, sich die Szene noch einmal anzuschauen und trabt unter gellenden „Scheiß DFB“-Rufen zum Monitor. Die wohl richtige Entscheidung lautet Foulelfmeter für Hoffenheim und Gelb für Greiml; Skov verwandelt den Strafstoß souverän und unhaltbar hoch ins rechte Eck. 0:1 in der 12. Minute, fängt ja mal wieder super an. Nicht. Der Frust der Kurve über den Rückstand und die demonstrativ jubelnden Hoffenheimer entlädt sich leider auch in fliegenden Bierbechern und Feuerzeugen, eine Unsitte, die Schalke Geld und Punkte kosten kann.
Schalke sehr bemüht, aber glücklos
Die Schalker Elf bemüht sich in der Folgezeit sichtbar um den Ausgleich, doch Terodde, Krauß und Bülter fehlt das Zielwasser. Vogt bekommt für einen regelwidrigen Ellbogeneinsatz gegen Terodde seine fünfte gelbe Karte, den fälligen Freistoß von Ouwejan schnappt sich Baumann, zudem hätte der lauernde Terodde im Abseits gestanden.
Die Nordkurve honoriert die Anstrengungen mit dröhnend lautem Schalke!-Nullvier!-Wechselgesang, „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n“ und „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“. Im I-Block erscheint das traditionelle Banner „Auch im 15. Bundesligajahr gilt: Keine Akzeptanz für Hopp und seinen ****sohnverein“. Besagter Verein hat allerdings in der 23. Spielminute eine Riesenchance auf das 0:2, aber Rutter setzt das Leder nach Vorarbeit von Baumgartner unbedrängt und freistehend über die Latte.
Kurz darauf dann auch eine Doppelchance für Schalke: Zunächst knallt Mollet einen satten Distanzschuss an den rechten Pfosten, dann steht Baumann beim Nachschuss von Ouwejan goldrichtig und kann gerade noch per Fußabwehr klären (30.). Schade! Ein weiterer Fernschuss von Ouwejan zischt über den Kasten (34.).
Schock in der Nachspielzeit
Prömel setzt zu einer Blutgrätsche gegen Drexler an, der gerade noch rechtzeitig hochspringen kann, Gelb gibt es trotzdem. Bei „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“ stockt den Schalkern kurz Atem und Stimme, denn Schwolow erwischt einen Schuss von Baumgartner erst im Nachfassen haarscharf vor der Linie.
Es gibt zwei Minuten Nachspielzeit; eine Ecke für Schalke bringt nichts ein, ebenso ein Kopfball von Terodde – und dann wird es richtig bitter: Baumann leitet umgehend den Gegenangriff über Rutter ein, der rennt Freund und Feind und der Schalker Abwehr davon und bedient den aufrückenden Dabbur, der mit dem Pausenpfiff zum 0:2 vollstreckt.
Der Frust über das erneute Gegentor zur Unzeit und in eine Schalker Drangphase hinein ist groß, die ersten Pfiffe klingen auf, an den Bierständen herrscht Katzenjammerstimmung. Können wir mit dieser „Schneckenabwehr“ die Klasse halten?!? Die Fanbox und der Talk mit Thomas Kirschner für das Fanbelange-Team geraten trotz interessanter Themen wie dem ersten Mitgliederkongress am 3.12. und die Auswärtstour nach Berlin etwas ins Hintertreffen.
Nochmal VAR, nochmal Elfmeter
Zum Wiederanpfiff kommt Aydin für Brunner, die ersten Minuten verlaufen ohne nennenswerte Aktionen. Die Nordkurve schickt Grüße nach Enschede und beschwört „Wir lieben alle nur den FC Schalke“.
Nach rund zehn Spielminuten traut sich Schalke mal wieder nach vorne, Kral erobert das Leder von Baumgartner und schaltet sofort um zu Drexler, dessen Flanke Vogt nur zur Ecke klären kann. Diese zirkelt Ouwejan zielgenau auf den Kopf von Bülter und der trifft – den Pfosten (56.). Über die spielerischen Unzulänglichkeiten hinaus hat Schalke leider auch noch Pech!
Nicht unbedingt Pech, aber doch das Gefühl, dass der Kölner Keller zu Schalkes Ungunsten bei der kleinsten Unregelmäßigkeit zuckt, über Fouls gegen Schalke jedoch freundlich hinwegdöst, dann in der nächsten Situation: Ouwejan blockt einen Schuss von Skov, das Spiel läuft bereits wieder Richtung Mittellinie weiter als sich erneut der VAR meldet und Badstübner in die Review-Arena zitiert: Handelfmeter, Skov, 0:3 (59.).
Frust pur
Der Frust ist groß; allen ist klar, dass auch dieses Spiel in die Binsen geht. Die Nordkurve pöbelt lautstark gegen den bekannt dünnhäutigen Hoffenheimer Mäzen – „Dietmar Hopp Du Sohn einer **** „- und Rudy holt sich bei seiner Einwechslung ein gellendes Pfeifkonzert vom Feinsten ab. Bei kaum einem Spieler bilden die auf Schalke gezeigte Leistung, der finanzielle Schaden für den Verein und verbales Nachtreten ein schlechteres Gesamtpaket als bei ihm.
Auch auf dem Feld ist die Luft raus, Schwolow verhindert gegen Angelino einen weiteren Treffer, dann ist Schichtende für Drexler und Karaman, für sie kommen Larsson und Karaman auf den Rasen. Kurz darauf kommt Polter für Mollet, der mit einigem Applaus verabschiedet wird. Allgemeiner Tenor: „Der kann watt, wieso hat Kramer ihn bisher nicht rangelassen?“ Auch Hoffenheim wechselt.
Die Nordkurve intoniert wie schon in Leverkusen lautstark „1.000 Trainer schon verschlissen, Spieler kommen, Spieler geh’n“, auf den anderen Tribünen ist die Abwanderung bereits in vollem Gange. Schalke versucht es noch einmal über Kral (78.), Schwolow klärt reaktionsschnell gegen Rutter (83.), zwei weitere Wechsel bei den Gästen und dann ist es vorbei.
Wie soll es bloß weitergehen?!?
Durch diese vierte Niederlage in Folge bleibt Schalke zunächst mit sechs Punkten aus zehn Partien auf Rang 16, kann aber vom Sieger der Partie Stuttgart gegen Bochum überholt werden und wäre dann auf einem direkten Abstiegsplatz. Noch beängstigender als diese Tabellensituation ist die Tatsache, dass selbst, wenn die Mannschaft sich nach Kräften bemüht nichts Zählbares dabei herumkommt, weil die Abwehr zu langsam und die Offensive zu harmlos ist.
Die Fans reden sich die Köpfe heiß, ob ein Trainerwechsel Hoffnung auf Besserung bietet – ja, sagen die einen, Kramer ist zu mutlos und stellt falsch auf, indem er oft auf die wenigen technisch beschlagenen Spieler verzichtet; nein die anderen, die den Kader schlicht als zu schwach für die erste Liga ansehen und das Geld für eine Abfindung lieber in einen gestandenen Defensivmann stecken möchten.
Die Nordkurve hat jedenfalls die Pappe auf und zeigt der bedröppelten Mannschaft mit von Pfiffen und Kramer raus!-Rufen durchsetztem Schweigen die kalte Schulter. Sportchef Rouven Schröder zeigt sich im Interview nach dem Spiel ungewohnt schmallippig und attestiert der Mannschaft „eine Reaktion“ und kündigt an „Wir werden das Spiel analysieren und unsere Schlüsse daraus ziehen. Es steht aber gar nichts fest. Frank Kramer ist unser Trainer, aber dennoch werden wir dieses Spiel analysieren.“
Frank Kramer seinerseits spricht von „unglücklichen Gegentoren zum falschen Zeitpunkt“ und einem „enttäuschenden“ Ergebnis, aber spielerisch sei es „die richtige Reaktion auf das Leverkusen-Spiel“ gewesen.
Bereits am Dienstag steht das Pokalspiel in Hoffenheim an, ob er dann noch an der Seitenlinie steht…?