Schalke – St. Pauli 3:2: Der S 04 ist wieder daaaa – und wie!!!
8. Mai 2022Der pure königsblaue Wahnsinn ist zurück in der ersten Bundesliga! Mit einem 3:2-Heimsieg über den FC St. Pauli nach 0:2-Rückstand schafft Schalke 04 vorzeitig den direkten Wiederaufstieg in die erste Bundesliga. Nach dem Schlusspfiff brechen alle Dämme, der Platz wird gestürmt, die Tore zerlegt, der Rasen gerupft und Mannschaft und Fans feiern bis in die Morgenstunden. Susanne Hein-Reipen über ein typisches Schalke-Drama mit Happy End…
Es ist angerichtet: Durch den Erfolg der Düsseldorfer Fortuna gegen Darmstadt 98 ist klar, dass Schalke mit einem Heimsieg bereits am 33. Spieltag die vor Saisonbeginn so schnell nicht erwartete Rückkehr ins Fußball-Oberhaus klarmachen kann. Dennoch ist die Nervosität bei allen Königsblauen riesig, denn wir kennen ja unser Schalke…
Alte Helden
Der Tag will einfach nicht rumgehen, der Uhrzeiger scheint festgeklebt. Bei allerbestem Fußballwetter fließt an den einschlägigen Treffpunkten und in diversen Planwagen („Ihr hupt, wir saufen – alles für Schalke!“) das Bier bereits in Strömen, bevor die Arena die Tore öffnet und der Mannschaftsbus vorfährt. Wenn es Adrenalin-Kraftwerke gäbe, wäre die Energieversorgung des königsblauen Tempels auf Jahre gesichert.
Zum 25. Jubiläum des UEFA-Cup-Triumphs haben auch zahlreiche Eurofighter den Weg nach Gelsenkirchen gefunden und sich lassen sich mit dem Cup vor der Nordkurve kräftig feiern. Wir schlugen Roda, wir schlugen Trabzon, wir schlugen Brüüüüüügge sowieso… Auch weitere königsblaue Größen wie Benni Höwedes, Kevin Kuranyi, Klaus Täuber und Emile Mpenza drücken ihren Nachfolgern die Daumen – einmal Schalker, immer Schalker!
Brennen für den Aufstieg!
Die Luft flirrt förmlich vor Anspannung; als die Mannschaft zum Aufwärmen vor die Nordkurve tritt, erscheint ein großes Banner „Heute Abend brennt die Sehnsucht“ aus dem Ibo-Klassiker „Die Farben von ganz oben“. Daneben titelt eine Gruppe „Wir danken Buyo & Rouven“, das unterschreiben wohl alle gerne.
Das Steiger- und Vereinslied werden inbrünstig rausgebrüllt, auch die mitgereisten Fans von St. Pauli haben alle Schals oben. Als Startelf betreten Fraisl, Ouwejan, Kaminski, Itakura, Vindheim, Latza, Flick, Churlinov, Bülter, Drexler und Terodde den Rasen – und wie aus dem Nichts explodiert die Nordkurve in einem gewaltigen Meer aus Bengalos und blauen Rauchtöpfen. Brennen für den Aufstieg!
Ohne Drama geht es nicht
Nach einigen Minuten hat sich der Nebel so weit gelichtet, dass die Partie angepfiffen werden kann – und die Schalker gehen sowohl auf dem Rasen als auch auf den Rängen mit viel Schwung zu Werke. „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ will sich Terodde offenbar nicht zweimal sagen lassen und taucht bereits in der ersten Minute frei vor Smarsch auf, doch dieser kann retten. Auch zwei Vorstöße von Bülter und ein Abschluss von Churlinov landen beim Keeper.
Doch Schalke wäre irgendwie nicht Schalke, wenn alles glatt liefe – und so steht es in der 8. Minute plötzlich 0:1. Vorangegangen war der erste Vorstoß der Kiez-Kicker über Paqarada und Irvine, den Matanovic mit einem gekonnten Drehschuss unhaltbar für Fraisl ins Netz befördert.
Die Kurve schüttelt sich kurz und macht dann lautstark mit „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“ weiter; auch auf dem Rasen bleiben die Knappen im Vorwärtsgang, doch weder Churlinov (10.) noch eine „eigentlich Hundertprozentige“ von Terodde (12.) treffen ins Schwarze. Aremu sieht die erste Gelbe des Spiels, die Regie sorgt mit einer verfrühten Durchsage zur Böklunder Fanbox für einen Lacher, doch der bleibt allen Schalkern kurz darauf im Hals stecken, denn statt einer Ecke für Schalke fällt das 0:2 für St. Pauli. Fraisl verschätzt sich bei einem seiner „Ausflüge“ und schießt Irvine an, der das Leder an Matanovic weiterleitet, der Kaminski stehenlässt und mit rechts auf 0:2 erhöht (17.).
Chancenverwertung aus der Hölle
Die Kurve würde ob des Spielverlaufs am liebsten im Strahl k*tzen, stimmt aber dennoch schnell wieder „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ an. Ein Schuss von Bülter landet am Außennetz (21.), dann taucht Itakura vor Smarsch auf – und der Ball zappelt im Netz, aber die Fahne ist oben, weil der japanische Publikumsliebling den Ball an den Unterarm bekommen hat. Das vermeintliche 1:2 wird folgerichtig vom VAR einkassiert (23.).
Die Chancenverwertung, sonst dank des Duos Terodde und Bülter ein Plus der Mannschaft, sorgt heute für einiges Haareraufen. In der 33. Minute lässt will Drexler einen schönen Heber von Bülter an Terodde weitergeben, statt es selber zu versuchen, so kann Medic sich in höchster Not dazwischenwerfen. Kollektives Aufstöhnen, solche Dinger lässt sich Simon normalerweise nicht nehmen.
Auch eine Bilderbuchflanke von Ouwejan (39.) findet keinen Abnehmer. Kapitän Latza sieht für ein Foul an Zander Gelb und muss beim Saisonfinale in Nürnberg zuschauen (41.). In der zweiminütigen Nachspielzeit gibt es noch eine Chance für Drexler, doch Smarsch kann klären, dann geht es mit dem mehr als unglücklichen 0:2-Rückstand in die Kabinen.
Während die Fanbox und die Infos aus der Abteilung Fanbelange – „Kirsche“ plaudert im chicen Alurad-Retro-Trikot unter anderem über das „Blaue Band“ an der Schalker Meile, die Gedenkstätte am Wildenbruchplatz, die Erlöse der Trikotversteigerung für die Ukraine-Hilfe und rät allen Nürnberg-Fahrern zur Briefwahl für die Landtagswahl in NRW – gibt es natürlich nur EIN Thema: Geht hier heute noch etwas? Oder möchte der Fußballgott die Schalker noch eine Woche zittern lassen?
Simon Terodde Fußballgott
Bereits eine Minute nach Wiederanpfiff flammt die Hoffnung wieder auf: Medic zerrt im Strafraum an Terodde rum, Schiedsrichter Fritz entscheidet unverzüglich auf Elfer und Terodde persönlich verlädt Smarsch und verwandelt zum 1:2-Anschluss (46.). JAAAAAA! In der Nordkurve flackern sofort wieder etliche Bengalos auf, der Stimmeinsatz wird verdoppelt. Olé-olé…
Vindheim sieht Gelb und muss kurz danach für Aydin Platz machen (55.), bei St. Pauli weicht der ebenfalls vorbelastete Aremu für Ritzka. Das Spiel wogt, frenetisch unterstützt von beiden Kurven, hin und her. Auf geht’s Schalke schieß ein Tor…!
Auch Kyereh sieht seine 5. Gelbe Karte und ist damit im Saisonfinale nur Zuschauer, dafür darf Zalazar endlich ran, für ihn macht Drexler Platz. Der Ball liegt im Tor, doch die Fahne ist oben! Zalazar führt sich direkt mit einer schönen Vorlage zu Churlinov ein, doch dessen Abschluss ins Tor zählt leider nicht, weil sich Churlinov bei der Ballabgabe im Abseits befand (68.).
Also muss es der Rekordtorjäger der zweiten Liga wieder persönlich richten: Untermalt von lautstarkem „Immer wieder, immer wieder, immer wiiiieder S 04“ jagt Terodde eine Kopfballvorlage von Churlinov durch die Beine von Smarsch zum 2:2-Ausgleich in Netz (71.). Die Arena eskaliert!
Der Wahnsinn nimmt seinen Lauf
In der Nordkurve brennt es erneut, die Warnung folgt auf dem Fuße: Bei der nächsten Fackel droht ein Spielabbruch! Trotz dieses Horrorszenarios zünden beide Fanlager weitere Bengalos und ernten dafür erstmals Pfiffe von den anderen Tribünen.
Nach einer Ecke von Paqarada macht Fraisl einige seiner nervenzerreißenden „Ausflüge“ der letzten Wochen wieder gut und klärt mit einem bockstarken Reflex gegen Beifus‘ Volley (76.) – und dann ist es so weit: Latza erobert den Ball, Bülter hat Platz, aber keinen Anspielpartner – bis links Zalazar durchstartet und den Ball eiskalt an die Unterkante der Latte und ins Tor knallt (78.)! 3:2, Spiel gedreht, Schalke wäre damit wieder erstklassig, die Arena ist ein Tollhaus, Churlinov wälzt sich mit Büskens über den Rasen.
Die neuerliche Eskalation ruft natürlich auch wieder einige Bengalos auf den Plan, wieder wird mit Spielabbruch gedroht. Gerald Asamoah rennt von der Bank zur Kurve und bittet darum, den Traum nicht durch Zündelei zu zerstören…
Auch auf dem Platz ist die Hölle los, beide Trainer wechseln kräftig weiter (Daschner und Makienok für Benatelli und Paquarada und idrizi und Palsson für Churlinov und Latza), Beifus sieht glatt Rot für einen üblen Tritt gegen Flick, der minutenlang behandelt werden muss. Niemand sitzt mehr, „Gelsenkirchen-Schalke-Neunzehnhundertvier“ und „Ein Leben laaaaaaang“ werden rausgebrüllt, Zalazar drüber, Fraisl am Ball, Gelb Matanovic, Kaminski muss behandelt werden, es gibt fünf Minuten Nachspielzeit – Matanovic sieht noch Gelb-Rot, Idrizi gelb, Terodde vergibt eine letzte Chance (90+7.) UND DANN IST DAS SPIEL AUS, SCHALKE IST WIEDER ERSTKLASSIG!!!!
Oooooh, wie ist das schööööön…
Jetzt brechen alle Dämme, der Platz wird gestürmt, obwohl der Quatscher verzweifelt bittet, nicht in die Gräben zu springen. Spieler und Fans drehen gemeinsam durch und schreien die Erlösung nach einer irren Saison mit einem noch irreren Finale heraus. Das war mal wieder eine typische Schalke-Dramaturgie, via Hölle direkt in den königsblauen Fußballhimmel!
„Nie mehr zweite Liga“, „Der S 04 ist wieder daaaa“, „Oh, wie ist das schöööön“ und sämtliches anderes königsblaues Liedgut wird überglücklich zelebriert. Die Tore werden kurzerhand zerlegt, Rasenstücke fliegen in die Menge und Mike Büskens zeigt sich in der Pressekonferenz völlig losgelöst, bevor er eine kräftige Bierdusche abbekommt. Danke für alles, Buyo!
Auch das Steigerlied, der Platz in der Kurve und „Schalke ist die Macht“ dürfen natürlich nicht fehlen, die restlichen Bengalos werden mit einem Gruß an die Nürnberger Freunde abgefackelt, sogar ein Feuerwerk steigt in den Gelsenkirchener Nachthimmel. SCHALKE IST UND BLEIBT DER GEILSTE CLUB DER WELT!!!