Schalke – Stuttgart 1:1: Schalke kann auch im 22. Spiel einfach nicht gewinnen
30. Oktober 2020Chefcoach Manuel Baum hatte sich erhofft, dass sich wie bei einer verstopften Ketchup-Flasche die Blockade löst und alles auf einmal rauskommt, doch es wurde nur ein kleiner Klecks: Trotz einer 1:0-Pausenführung durch den starken Malick Thiaw muss sich Schalke gegen Aufsteiger Stuttgart mit einem 1:1 zufriedengeben. Susanne Hein-Reipen zieht ein Fazit.
Fans sind im Geiste immer dabei
Aufgrund der hohen Infektionszahlen in Gelsenkirchen und den nordrhein-westfälischen Corona-Schutzvorschriften muss auch dieses Spiel wieder als Geisterspiel ohne Fans stattfinden. Doch Schalker sind auch dann geistig bei ihrem heißgeliebten Verein, wenn sie körperlich nicht anwesend sein dürfen – bereits am Morgen prangt nach den kritischen Bannern der letzten Tage ein großes Transparent mit der Aufschrift „Wir stehen zu Euch! Auf Geht’s – Kämpfen & Siegen!“ an einem Gitter vor der Tausend-Freunde Mauer. Vor der gähnend leeren Nordkurve ist von den Ultras Gelsenkirchen „Wir tragen Gelsenkirchen durch die Krise – www.help-gelsen.de“ zu lesen; bei dieser großangelegten Solidaritätsaktion für bedürftige in der Stadt der tausend Feuer sind nunmehr auch die begehrten Nordkurvenkalender 2021 zu bestellen.
Mutige Aufstellung & ein Stoßgebet
Die Aufstellung ist durchaus mutig: Mit Rönnow, Thiaw, Sané, Nastasic, Ludewig, Mascarell, Oczipka, Bozdogan, Harit, Paciencia und Uth stehen immerhin vier echte Offensivkräfte vor Kapitän Mascarell. Ist das der Schlüssel zu heißersehnten Erfolgserlebnis gegen die schwarze Serie…? Die Heimspielstatistik gegen die als Aufsteiger durchaus gut in die Saison gestarteten Schwaben ist erfreulich.
Kurz vor dem Anpfiff schwenken die Kameras zu Rabbi Matondo, der bereits auf der Ersatzbank sitzt und dort offenbar betet….
Vielleicht hat es geholfen, denn bereits nach zwei Spielminuten bleibt ein verunglückter Befreiungsschlag von Rönnow ohne Folgen; kurze Zeit später zischt ein strammer Schuss von Klimowicz nur knapp am linken Pfosten vorbei. Puh!
Die Pfeife bleibt stumm
Auf der Gegenseite fasst sich Uth ein Herz und holt gegen Karazor immerhin eine Ecke heraus, die jedoch von Mascarell zu kurz geschlagen wird. Stenzel packt derweil im Strafraum an Paciencias Händchen, woraufhin die Frankfurter Leihgabe einigermaßen dramatisch zu Boden geht und Elfmeter fordert, Schiedsrichter Brand winkt ab. Den musste man wirklich nicht pfeifen. Gleiches gilt einige Minuten später für Coulibaly, der offenbar zu seiner Überraschung am Schalker Strafraum feststellen muss, dass Nastasic nicht feinstofflich ist.
Immerhin: Gelegentlich trauen sich die Schalker nach vorne, doch weder Bozdogan nach Vorarbeit von Harit (18.) noch Uth nach einer zu schlappen Faustabwehr von Kobel (20.) treffen ins Tor. Als Nächster geht Sosa im Zweikampf mit Sané zu Boden, die Pfeife bleibt auch hier zu Recht stumm.
Ein allgemeines Gegurke im Schalker Strafraum bleibt ohne Konsequenzen, ebenso wie zwei weitere Vorstöße von Klimowicz.
Thiaw zur 1:0-Führung!!!
Nach einer halben Stunde dann ein kollektiver Aufschrei in den königsblauen Wohnzimmern der Republik: Ein schöner Freistoß von Harit findet am langen Pfosten Thiaw und dieser köpft das Leder in seinem zweiten Bundesligaspiel von Beginn an schulbuchmäßig und schwungvoll zum 1:0 in die Maschen. JAAAAAAAAAAAAAAGOTTSEIDANKDAISTDASVERDAMMTEDING! Endlich einmal wieder eine Führung für Schalke…
Prompt tauchen in Schalker Kreisen in den sozialen Netzwerken viele, viele Bilder von auslaufenden Ketchup-Flaschen auf, eine kleine Anspielung auf den kuriosen Vergleich von Manuel Baum, „wir sind wie eine Ketchup-Flasche. Man muss von oben ganz fest drauf klopfen, bis irgendwann mal alles rauskommt. Wir sind gerade noch am Klopfen!“
Der Blubb gibt den Schalkern jedenfalls Auftrieb, das Spiel ist jetzt ausgeglichener. Castro wird wegen Meckerns verwarnt, es gibt viele Zweikämpfe und Ballverluste im Mittelfeld, aber die Abwehrreihen sind auf dem Posten. Eine letzte Konterchance für Uth, bei der Paciencia leider im Abseits steht, dann geht es pünktlich in die Kabinen.
Hand nein, Hand ja…
Eine Pausenführung, das durften die Schalkefans in einem Pflichtspiel schon länger nicht mehr genießen… Stuttgarts Chefcoach Matarazzo reagiert und bringt mit Gonzalez für Kalajdzic einen frischen Stürmer. Die erste Aktion geht trotzdem an die königsblauen Hausherren, aber Stenzel fälscht einen Sané-Kopfball mit der Hand zur erneuten Ecke ab, kein Pfiff – den Handelfmeter gibt es dafür nach Videobeweis auf der Gegenseite, als Sanés Arm einem Kopfball von Joker Gonzalez im Weg ist. Gonzalez übernimmt dann auch die Ausführung und verwandelt den Strafstoß mit verzögertem Anlauf sicher zum 1:1 (56.).
Wie reagiert die Schalker Mannschaft jetzt? Mascarell will Gonzalez den Schneid abkaufen, sein rustikales „Ausrufezeichen“ trägt ihm prompt eine gelbe Karte ein. Kurze Zeit später hat Uth Glück, dass er bei einer Rettungsaktion gegen Coulibaly den Ball nicht ins eigene Netz befördert, die Kugel zischt haarscharf am rechten Pfosten vorbei.
Dann eine Schrecksekunde: Rönnow bleibt am Boden liegen und muss behandelt werden, das fehlte noch, wo Fährmann auch nicht zur Verfügung steht! Aber nach kurzer Zeit signalisiert der Däne, dass er weiterspielen kann.
Stuttgart ist mindestens ebenbürtig
Bei einem Vorstoß steht Harit allein auf weiter Flur, dann ist wieder der VfB am Drücker, aber auch Gonzalez‘ Kopfball trifft das Tor nicht. Manuel Baum ersetzt Nastasic durch Bentaleb; beim VfB kommen Wamangituka und Klement für Sosa und Klimowicz, kurz darauf Churlinov für den von Krämpfen geplagten Coulibaly. Harit startet ein schönes Solo, wird aber sehr unsanft von Gonzalez ausgebremst, was dem Argentinier eine gelbe Karte und Schalke einen Freistoß einbringt. Uth zieht den Ball Richtung Thiaw, dieser überspringt auch Churlinow, aber Kobel ist zur Stelle.
Mit Schöpf für Bozdogan und Raman für Uth wirft auch Baum noch einmal zwei frische Spieler ins Geschehen, aber Stuttgart lässt sich nicht einschüchtern. Ein Kopfball von Gonzalez ist kein Problem für Rönnow (85.), dann aber muss er sein ganzes Können zeigen, als Castro mit sehr viel Gefühl die linke Ecke anvisiert. Rönnow macht sich lang und kann den Ball noch um den Pfosten lenken. Puh!
Kurze Zeit später dann das Haareraufen auf der Gegenseite: Freistoßflanke Harit, Kopfball Sané und Schuss raman, Kobel pariert per Fußabwehr nach vorne. Der Ball bleibt im Spiel und ermöglicht Thiaw noch einen weiteren Kopfball, aber Endo kann den Ball wegschlagen. Das Spiel ist aus.
Die Serie geht weiter, Thiaw und Uth als Hoffnungsträger
Schalke bleibt damit saisonübergreifend auch im 22. Ligaspiel in Folge ohne Dreier und belegt damit in der Tabelle den alleinigen zweiten Platz hinter Allzeit-Flop Tasmania Berlin. Wie schon in den Spielen gegen Union Berlin und der ersten Halbzeit des Revierderbys erkennbar, ist die Abwehr über weite Strecken stabil, spielerisch und offensiv aber bleibt noch sehr viel Luft nach oben. Etwas Hoffnung machen Uth und Thiaw, der stark an den jungen Joel Matip erinnert: Defensiv gut, schnell und insbesondere bei Kopfbällen auch vorne eine Waffe. Weiter so!!!
Die zarten Ansätze ändern aber leider rein gar nichts daran, dass eine Bilanz von zwei Punkten und 3:20 Toren nach sechs Spieltagen verheerend ist – die nächste Begegnung bei den ähnlich grottenschlecht in die Saison gestarteten Mainzer wird nun bereits ein echter Abstiegsgipfel.