Leipzig – Schalke 4:0: Baums Debüt geht kräftig in die Hose
3. Oktober 2020Die schwarze Schalker Serie geht weiter, auch in Leipzig hat Königsblau beim auch in dieser Höhe verdienten 4:0-Erfolg der Gastgeber Nichts zu bestellen. Susanne Hein-Reipen hat am Fernseher mitgelitten…
Keine Frage: Es gibt dankbarere und leichtere Aufgaben für einen Trainer, als nach gerade einmal zwei Tagen mit seiner neuen Mannschaft in Leipzig antreten zu müssen. Doch der Spielplan nimmt auf solche Befindlichkeiten bekanntermaßen keine Rücksicht und so schickt der Manuel Baum in seinem ersten Match als Chefcoach des FC Schalke 04 eine gegenüber der Vorwoche unter David Wagner auf vier Positionen veränderte Startelf aufs Feld: Fährmann, Nastasic, Sané, Stambouli, Oczipka, Mascarell, Schöpf, Bentaleb, Serdar, Paciencia und Uth sollen die schwarze Serie knacken.
Leichte Besserungen erkennbar…
Und Schalke präsentiert sich den knapp 10.000 Zuschauern in der Red-Bull-Arena – böse Zungen behaupten, dies sei das Stadion, in dem der geringste Unterschied zwischen „normaler“ und coronabedingt reduzierter Heimfans-Auslastung besteht – am Anfang deutlich couragierter als bei den Angsthasenauftritten von München und dem Geisterheimspiel gegen Bremen. Rückkehrer Serdar gibt in der 5. Minute einen ersten Warnschuss in Richtung des Leipziger Tors ab; in der Folgezeit geht das Spiel munter hin und her, doch weder Upamecano noch Uth kommen zum Abschluss.
Baum sehr engagiert
Mit zunehmender Spieldauer werden die Hausherren offensiv stärker, doch Schalke verteidigt stabiler als zuletzt, so dass gute Ansätze von Forsberg und Angelino Beute von Sané bzw. Fährmann werden. Baum geht derweil an der Seitenlinie schwungvoll mit, zumindest gefühlt hat er in den ersten 20 Spielminuten mehr und aktiver gecoacht als David Wagner in den letzten 20 Spielen, wenn er sich mit verschränkten Armen und undurchdringlicher Miene äußerlich regungslos in sein Schicksal ergab.
Serdar muss verletzt runter
Dann eine Schrecksekunde für alle Königsblauen: Suat Serdar strauchelt nach einem Zweikampf mit Halstenberg und geht mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden. Während er auf dem Feld behandelt wird, zeigt Baum Stambouli und Nastasic etwas an der Taktiktafel, dann steht fest: Serdar muss verletzt ausgewechselt werden. Der junge Deutschtürke schleicht sichtlich frustriert vom Feld, für ihn kommt Can Bozdogan.
Drei Gegentore in 15 Minuten
…und genau er wird leider gute fünf Minuten später zum Unglücksraben, als er als Letzter einer Fehlerkette von Stambouli, Schöpf und Nastasic einen bereits abgefälschten Schuss von Forsberg ins eigene Netz bugsiert. Das 1:0 für Leipzig in der 31. Minute, sch…ade.
Die Führung verleiht den roten Bullen leider Auftrieb und kurze Zeit darauf stellt Angelino nach einer mustergültigen Flanke von Nkunku per Kopf auf 2:0 (35.). Die ersten Schalker Spieler lassen bereits die Köpfe hängen, auch Baum und Naldo an der Seitenlinie sehen alles andere als glücklich aus. Auch wenn die Zweikampfwerte noch stimmen, ist das königsblaue Offensivspiel bzw. das völlige Fehlen eines solchen besorgniserregend. Doch es kommt noch dicker: In die Nachspielzeit des ersten Durchgangs platzt das 3:0 durch einen Kopfball von Orban (45+2.), die passable Anfangsphase hat sich nicht ausgezahlt. Das Selbstvertrauen ist viel zu schwach, nach der Leipziger Führung stand den Schalkern die Mutlosigkeit quasi ins Gesicht geschrieben.
Rönnow für Fährmann
Wie reagiert Baum? Er tauscht kurzerhand Fährmann – „muskuläre Probleme“ lautet die offizielle Begründung – gegen Frankfurt-Leihgabe Frederik Rönnow, der nahezu wirkungslose Pacencia muss Ibisevic weichen. Rönnows erster Ballkontakt ist nicht der Glücklichste, doch die Leipziger versäumen es, den schwachen Pass aufzunehmen. Besser macht es Routinier Ibisevic, der Uth und danach Bozdogan in Szene setzt, dann ist wieder Leipzig am Drücker.
Die erste echte Torchance für S 04 des Abends geht auf das Konto von Bozdogan, dessen Fernschuss Gulacsi zu einer Glanzparade zwingt (54.). Auch Mascarell verfehlt den Kasten, das Gleiche widerfährt auf der Gegenseite Olma und Orban. Ein Distanzschuss von Nkunku wird von Rönnow abgefangen, ebenso ein Schuss von Olmo. Die Hausherren drängen auf das 4:0.
Ein Handelfmeter sorgt für das 4:0
Die erste gelbe Karte der Partie geht an Salif Sané, der an der Strafraumgrenze nach Ansicht des jungen Schiedsrichters Badstübner nicht zärtlich genug mit Nkunku verfährt. Der „Gefoulte“ tritt selber an, doch Rönnow ist rechtzeitig in der rechten unteren Ecke und lenkt den Ball um den Pfosten.
Uth startet einen der wenigen Schalker Entlastungsangriffe, wird jedoch von ausgebremst – danach stockt den Schalker jedoch erneut der Atem, weil Sané ohne Fremdeinwirkung umknickt und schreiend zu Boden geht. In der Behandlungspause fürchten alle Königsblauen bereits einen zweiten langwierigen Ausfall, doch er kann weiterspielen.
RB-Coach Nagelsmann schickt nun in kurzer Folge Sörloth (für Forsberg), Klostermann (für Upamecano) und Henrichs (für Kampl) ins Spiel, doch den 4:0 Endstand besorgt Halstenberg per Handelfmeter (80.), den Rönnow fast noch erwischt hätte. Nastasic hatte zuvor einen Schuss von Olmo in Kopfhöhe mit der Hand ausgebremst und sich dafür auch noch eine Gelbe Karte eingehandelt.
Leipzig hat nun alle Zeit der Welt und schöpft das Wechselkontingent mit Wosz (für Angelino) und Samardzic (für Olmo) restlos aus; Samardzic führt sich direkt mit einer gelben Karte ein.
Hier geht nix mehr
Der Rest ist allgemeines Geplänkel, Leipzig will nicht mehr, Schalke kann nicht mehr. Ibisevic sieht für ein Foul an Mukiele auch noch Gelb. Das Leipziger Publikum, das unter normalen Umständen keine Schnitte gegen den stimmgewaltigen Gästeblock unter dem „Gegründet von Kumpeln und Malochern“-Banner sieht, klatscht gnädig, dann ist es vorbei.
Vorbei ist damit auch die irrationale Hoffnung, dass Baum bereits eine erste Trendwende setzen könnte, Schalke bleibt mit nunmehr 19 sieglosen Partien, 1:15 Toren und 0 Punkten am Tabellenende. Immerhin gibt die nunmehr anstehende Länderspielpause Baum die Gelegenheit, intensiver mit der Mannschaft zu arbeiten und die Spieler besser kennenzulernen. Seine psychologischen Fähigkeiten werden dabei mindestens genauso wichtig sein wie taktische Kniffe, denn es wurde einmal mehr deutlich, dass die Spieler bis ins Mark verunsichert sind.
Zu hoffen ist zudem, dass gegen Union endlich wieder Schalker Fans dabei sein und der Mannschaft moralische Rückendeckung geben können. Die „Du gewinnst nie allein“-Mottoschals waren noch nie so wahr wie in den Zeiten von Corona, denn Schalke konnte noch nicht ein einziges Geisterspiel für sich entscheiden…