Nordkurven-Rückblick Oktober – Dezember 2019: Punktesammeln, Verletzungssorgen und große GEfühle
3. Januar 2020Teil 1 Januar – März: Torwartwechsel, Abschied von Rudi Assauer und Rauswurf von Domenico Tedesco
Teil 2 April – Juni 2019: Choreos, Pleiten und ein geiler Derbysieg
Teil 3 Juli – September 2019: Tönnies, Wagner und ein klarer Aufwärtstrend
Der Schalker Big-Points-Fluch
Nach dem erfolgreichen September stellt sich im Oktober zunächst der Tabellenvorletzte 1. FC Köln in der Veltins-Arena vor. Vor dem Spiel wird äußerst kontrovers über die Einführung einer Parkgebühr auf den Arena-Parkplätzen für alle, die weniger als zwei Stunden vor Spielbeginn anreisen, diskutiert; das allgemeine Chaos auf den Parkplätzen ändert sich jedoch kaum. Durch die Ergebnisse der Nachmittagsspiele könnte Schalke zumindest für eine Nacht die Tabellenführung übernehmen – doch Königsblaue wissen: Genau diese Konstellation war in der Vergangenheit eine fast 104prozentige Garantie dafür, diese Steilvorlage mit Anlauf zu versemmeln… Hinzu kommt: Der Effzeh lag uns in den letzten Jahren nicht wirklich gut.
Zum Einlauf der beiden Teams werden in der Nordkurve fünf riesige Doppelhalter mit dem Schalker Wappen hochgehalten, die von zahlreichen anderen Fahnen und einem kräftigen blau-weißen Konfetti-Regen flankiert werden; beide Fanblöcke supporten ihre Mannschaft leidenschaftlich. Das kämpferisch geprägte Spiel leidet ein wenig unter der kleinteiligen Regelauslegung des Schiedsrichtergespanns, aber Schalke erspielt sich leichte Vorteile und geht in der 71. Minute durch einen Kopfball von Serdar in Führung; vorangegangen war eine von Sané verlängerte Flanke von Oczipka. Schalke ist Tabellenführer – leider nur bis zur 90.+2. Minute, denn Hector kann eine Unaufmerksamkeit der königsblauen Abwehr zum 1:1 nutzen. Mannschaft und Fans sind wenig begeistert von der unnötigen kalten Dusche, stimmen sich aber dennoch gemeinsam aufs Derby ein.
Spielverlauf auf den Kopf gestellt
Doch vor das Derby haben die DFL-Terminplaner noch eine Länderspielpause und das Spiel bei der TSG Hoffenheim gesetzt. Über 5.000 Schalker begleiten die Mannschaft bei allerbestem Herbstwetter in den Kraichgau – und sehen über 70 Minuten eine klar tonangebende Schalker Mannschaft mit teilweise wunderschönem Offensivfußball, der nur ein einziges kleines Manko hat: Der Ball will nicht ins Tor. Caligiuri ans Lattenkreuz und Großchancen von Schöpf, Burgstaller, Matondo und Harit, es ist zum Haareraufen. Vollends frustriert ist der Auswärtsmob dann in der 72. Minute, als Hoffenheim mit der ersten echten Möglichkeit durch ein Abstaubertor von Kramaric mit 1:0 in Führung geht und damit den Spielverlauf komplett auf den Kopf stellt. Die Schalke-Kurve würde am liebsten im Strahl brechen ob dieser Entwicklung, der Stadionsprecher stellt fest „so ist Fußball!“ Zu allem Überfluss vernascht Bebou auch noch Benjamin Stambouli und erzielt in der 85. Minute das 2:0. Sch…ade. Die Schalker Spieler sacken frustriert auf dem Rasen zusammen, auch bei den Fans ist die Enttäuschung groß – aber nicht lange, denn das nächste Spiel ist das Heimderby. Und so erwartet die Spieler beim Gang vor die Kurve Applaus für die Leistung der ersten 70 Minuten – und ein äußerst lautstarker Chor von „Und ist der Feind gestorben…“ und „Scheixxe BVB!“
EGAL OB JUNG, OB ALT – EGAL, OB GROSS, OB KLEIN – SCHALKE FÜR IMMER MEIN VEREIN!
Dann also das „Spiel der Spiele“: Revierderby! Und die 179. Auflage des Klassikers hat eine Menge zu bieten: Choreo in der Nordkurve, Pyro im Gästeblock, Banner, Beschimpfungen, gezockte Fahnen, Lattentreffer und ein nach Meinung der Schalkefans blinder Videoschiri im Kölner Keller – nur Tore fallen nicht. Die Stimmung in der zum Hochsicherheitstrakt umgerüsteten Arena ist schon vor dem Spiel mächtig geladen. Nach dem Steigerlied hüpft die gesamte Nordkurve in weiße Ponchos, dazu werden tausende blau-weiße Fähnchen geschwenkt. Von der Brüstung des Oberrangs entrollt sich ein riesiges blaues Spruchband: EGAL OB JUNG, OB ALT – EGAL, OB GROSS, OB KLEIN – SCHALKE FÜR IMMER MEIN VEREIN! Das blau-weiße Wimmelbild gefällt auch auf den anderen Tribünen; gemeinsam werden „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“ und die Aufstellung rausgebrüllt. Wenig später qualmt es im Gästeblock mächtig, die dicken gelben Rauschwaden werden von Schalker Seite mit gellenden Pfiffen bedacht; der Anpfiff verzögert sich um einige Minuten.
Die erste Aktion geht an die Gäste, aber Alexander Nübel kann den Fernschuss von Sancho entschärfen. Danach übernehmen die Schalker zunehmend die Regie – auf dem Feld wie auf den Rängen. Als der Lüdenscheider Anhang mit viel Tamtam einige blaue Schals in Flammen aufgehen lässt und sich gerade mächtig stark vorkommt, folgt die Blamage auf dem Fuße: In der Nordkurve taucht eine gigantische umgedrehte „Südtribünen“-Fahne auf, dazu kommen zahlreiche weitere schwarz-gelbe Utensilien auf den Zäunen vor N3 und dem K-Block. Egal, was man vom Ultra-Material-Klau hält: Diese Runde ging durch ein glattes K. O. an Schalke! Das Spiel indes geht trotz zwei Lattentreffern von Sané und Serdar und klarer Schalker Überlegenheit mit 0:0 in die Pause. Auch nach der Pause hinkt die Schalker Chancenverwertung; zudem überprüft Schiedsrichter Brych eine stark handspielverdächtige Szene mit Hazard nicht. Nach dem Schlusspfiff wirken beide Teams nicht übermäßig begeistert von der Punkteteilung. Als die Schalker Spieler sich der Nordkurve nähern, gibt es lautstarke „Schalke, Schalke“-Rufe, dann folgt die „Zeckenprobe“: Hey, hey, wer nicht hüpft, der ist Borusse! David Wagner flüchtet lachend, der Rest hüpft wie Kängurus…
Im Nachgang zum Derby stellt sich heraus, dass sich Benjamin Stambouli bereits Mitte der ersten Halbzeit den Fußwurzelknochen im rechten Fuß gebrochen hat – aber „weil es eine Ehre ist, im Derby zu spielen“ damit noch rund 70 Minuten weitergespielt hat. Die Schalkefans sind von Benjis Einsatz begeistert, die medizinische Abteilung eher weniger.
Herzkasper in Ostwestfalen
Im Pokalspiel in Bielefeld kann an seiner Stelle Ozan Kabak sein Startelfdebüt feiern, die Gästekurve entbietet per Banner gute Besserung an Stambouli. Die „Alm“ ist bis auf das letzte Mauseloch ausverkauft, die Heimfans präsentieren eine sehenswerte Choreo: Die beiden langen Tribünen sind in den Vereinsfarben schwarz, weiß und blau geschmückt; auf der Heimkurve stürmt ein überdimensionaler Leineweber mit Kutte, Fahne und Pfeife ins Stadion – und, nettes Detail: Die Pfeife qualmt dank eines darunter gezündeten Rauchtopfes tatsächlich munter vor sich hin! Und untermalt von „FC Schalke 04, olé olé“ sieht das alles gleich doppelt gut aus.
Das Spiel besteht aus zwei komplett unterschiedlichen Halbzeiten: Im ersten Durchgang spielt Schalke wie aus einem Guss und geht nach Großchancen von Raman und Harit durch drei schöne Tore von Schöpf und einem Doppelpack von Raman hochverdient mit 3:0 in die Pause. Ostwestfalen… Doch Arminia zuckt noch heftig: In der 72. Minute kann Kapitän Klos nach Vorarbeit von Clauss aus kurzer Nähe den Anschlusstreffer zum 1:3 erzielen. Der Stadionsprecher eskaliert, der Anhang wittert Morgenluft und hüpft eifrig vor sich hin. Auch David Wagner reagiert und schickt Serdar für McKennie auf den Rasen, aber auch er kann den Anschlusstreffer zum 2:3 durch Soukou nicht verhindern (77.). In der 81. Minute dann Herzkasper im Gästeblock, aber Klos steht beim vermeintlichen Ausgleich im Abseits. Puah. Die Bielefelder sinken zunächst enttäuscht auf den Rasen, werden dann aber von ihrer Kurve frenetisch bejubelt, schließlich war die zweite Halbzeit aller Ehren wert. Und die Schalker? Werden ebenfalls von ihrer erleichterten Kurve mit „Der FC Schalke wird deutscher Meister und wir holen den Pokal“ und einer Welle abgefeiert, obwohl sie eigentlich den Hintern versohlt bekommen sollten.
Immer Ärger mit dem Videoschiedsrichter
Das lange Wochenende um den 1. November führt die Schalker Auswärtsmeute nach Augsburg – drei Tage Party pur, auch wenn niemand weiß, warum die DFL die Auswärtsspiele mit der weitesten Anreise immer auf den späten Sonntagabend-Termin legt. Das Spiel beginnt mit einer Hiobsbotschaft: Nach gerade einmal fünf Minuten rasselt Salif Sané mit Niederlechner zusammen und wälzt sich vor Schmerzen schreiend auf dem Rasen. Während er behandelt wird, stimmt die Kurve mehrfach „Salif Sané“-Sprechchöre an, auch der Stadionsprecher wünscht alles Gute, aber es hilft nichts: Der Innenverteidiger muss von Sanitätern auf der Trage vom Platz gebracht werden, am nächsten Tag wird ein Korbhenkelriss des Außenmeniskus‘ diagnostiziert. Da neben Stambouli auch Nastasic angeschlagen ist, muss Allrounder Weston McKennie in der Innenverteidigung aushelfen.
Die parallel laufende Pokalauslosung beschert Schalke für das Achtelfinale ein Heimspiel gegen Hertha BSC, damit können die meisten Schalker deutlich besser leben als mit der Darbietung ihrer Mannschaft im ersten Durchgang. Auch David Wagner leidet an der Seitenlinie so lautstark mit, dass Referee Patrick Ittrich ihm kurzerhand die erste gelbe Karte der Partie verpasst. Dennoch ist Augsburg die klar bessere Mannschaft und geht in der 38. Spielminute durch Kapitän Baier nach schöner Vorarbeit von Finnbogason mit 1:0 in Führung, die man selbst mit dicker blauer Brille nicht als unverdient bezeichnen kann. Den für Schalke schmeichelhaften Pausenstand von 1:1 besorgt Caligiuri , der einen Freistoß so bombenhart schlägt, dass Lichtsteiner das Leder nur noch unhaltbar für Freund und Feind ins eigene Tor köpfen kann.
Einen umstrittenen Handelfer –exakt die gleiche Situation wurde im Derby keines zweiten Blickes gewürdigt – durch Finnbogason später legt Baier Caligiuri ziemlich rüde um, die Kurve fordert rot, doch es gibt Gelb und Freistoß – und Freistöße von „Cali“ sind Strafe genug: Dieses Mal hält Kabak seinen Kopf in die Granate und vollendet unhaltbar für Koubek im Augsburger Kasten zum 2:2 (71.). Die endgültige Entscheidung bringt Harit: Nach einem Schnitzer von Oxford läuft er alleine gegen drei Abwehrspieler und Koubek aufs Augsburger Tor zu und vollendet eiskalt mit einem Heber über den Keeper zum 2:3 (82.). Die Kurve eskaliert vor Begeisterung, der Augsburger Anhang würde am liebsten ins Gras beißen. Dementsprechend freudig wird die Mannschaft beim Gang in die Kurve begrüßt. Die Welle, ein kleiner Pogo und die Jubelkette werden zelebriert, besonders die Youngster McKennie, Harit und Matondo gehen ab „wie Schmitz‘ Katze“.
Beim folgenden Heimspiel hingegen ist das Glück, lateinisch Fortuna, auf Seiten des Gastes aus Düsseldorf. Dreimal geht Schalke durch Caligiuri, Kabak und Serdar in Führung, dreimal kommt Fortuna durch Hennings zum Ausgleich, darunter ein weiteren VAR-Handelfmeter gegen Schalke. Kabak schwenkt nach seinem Treffer beim Jubel vor der Nordkurve das Trikot des in Augsburg verletzten Salif Sané – eigentlich sein direkter Konkurrent in der Innenverteidigung… Nach Spielende gibt es noch einen wieselflinken Flitzer und eine von den drei verspielten Führungen schwer enttäuschte Nordkurve: Kaum eine Hand hinter dem „Wir werden siegen, weil wir die Guten sind“-Banner rührt sich zum Applaus, alles schweigt, obwohl der Einsatz gestimmt hat und der Ausfall aller drei erfahrenen Innenverteidiger kein Pappenstiel ist.
Die Nummer 1 im Pott sind wir…
Applaus satt gibt es dafür nach dem 2:1-Auswärtssieg bei Werder Bremen. Nach einigen Querelen im Vorfeld – Bremens Innensenator hatte einen Schalker Fanmarsch verboten, obwohl diese in der Regel lautstark, aber friedlich verlaufen – präsentiert sich die Schalker Elf vor gut 5.000 mitgereisten Fans taktisch klug und diszipliniert und entführt dank zweier Treffer von Harit und Raman einen verdienten Dreier. Entsprechend ausgelassen ist die Stimmung im Gästeblock nach dem Schlusspfiff; „Sieg!!!“- und höhnische „Absteiger, Absteiger!“-Rufe schallen den Bremern entgegen, etliche Fans sitzen gutgelaunt auf dem Zaun. Als die Spieler dann vor die Kurve treten, gibt es kein Halten mehr. Den Anfang machen „Alle Bremer stinken, weil sie aus der Weser trinken“ und „Auswärtssieg!“, dann folgt die Lieblingszeile aller Königsblauen: „Die Nummer 1 im Pott sind wir… die Nummer 1, die Nummer 1, die Nummer 1 im Pott sind wir!“, schließlich hat Lüdenscheid-Nord in seinem Taubenstall, pardon, im Signal-Iduna-Park nur mit Mühe und Not ein 3:3 gegen den Tabellenletzten Paderborn geschafft. Das geht runter wie Öl!