Nordkurven-Rückblick Juli – September 2019: Tönnies, Wagner und ein klarer Aufwärtstrend
2. Januar 2020Das dritte Quartal 2019 beginnt auf Schalke mit heftigen Diskussionen über Äußerungen von Clemens Tönnies auf dem Handwerkstag. Sportlich bekommt David Wagner die königsblaue Kurve bald sehr viel besser als erwartet….
Teil 1 Januar – März: Torwartwechsel, Abschied von Rudi Assauer und Rauswurf von Domenico Tedesco
Teil 2 April – Juni 2019: Choreos, Pleiten und ein geiler Derbysieg
Pünktlich zum 1. Juli bittet der neue Cheftrainer David Wagner die Profis zum Trainingsauftakt – und zieht anders als in den Vorjahren keinen lockeren Aufgalopp, sondern knallhartes Lauftraining durch. Bewegung kommt sehr schnell auch in das Personalkarussell: Breel Embolo wechselt für kolportierte 17 Millionen Euro Ablösesumme zum Ligakonkurrenten aus Mönchengladbach; Cedric Teuchert wird für ein Jahr an Hannover 96 ausgeliehen, Ralf Fährmann für dieselbe Zeitspanne an Norwich City. Auch die zurückkehrenden Leihspieler Benjamin Goller, Niklas Wiemann, Bernard Tekpetey, Haji Wright und Pablo Insua werden umgehend weiterverliehen bzw. verkauft. Für Diskussionen sorgt neben dem temporären Abgang des Erz-Schalkers Fährmann vor allem Sebastian Rudy, der nach nur einem Jahr Königsblau sogar Gehaltsabstriche macht, um eine Leihe zu seinem Ex-Verein TSG Hoffenheim zu ermöglichen und dabei alles und jeden kritisiert, ohne seine eigene sportliche und kämpferische Leistung zu hinterfragen.
Auf der Habenseite stehen neben Ozan Kabak zunächst nur U 21-Keeper Markus Schubert von Dynamo Dresden und Jonjoe Kenny als einjährige Leihgabe vom FC Everton; lange umkämpft ist der Transfer von Benito Raman, bis Jochen Schneider mit den Verantwortlichen von Fortuna Düsseldorf ein „Gesamtpaket“ mit Bernard Tekpetey und einer Ablöse in knapp zweistelliger Millionenhöhe schnüren kann.
Trotz überschaubarer personeller Veränderungen setzt David Wagner auf deutlich intensiveres Training und mehr Testspiele: Bereits in der ersten Woche wird Rot-Weiß Oberhausen dank zweier schöner Treffer von Ahmed Kutucu mit 3:1 besiegt, dann folgen ein 20:1-Schützenfest gegen eine überforderte Bottroper Stadtauswahl und ein 2:2 im „Retterspiel“ bei der finanziell klammen TSG Wattenscheid 09. Das erste Kurztrainingslager endet mit einer 1:2-Niederlage gegen Norwich, bei der Ralf Fährmann nicht wie erhofft im Tor steht. Im Freundschaftsspiel in Enschede gibt’s bei sengend heißen Temperaturen in „De Grolsch Veste“ ein 1:1 und viel gute Laune. Bereits bei diesem Spiel zeichnet sich ab, dass die Schalker Stürmer viel Einsatz, aber wenig Schussglück zeigen…
Auch im zweiten Trainingslager im österreichischen Mittersill müssen die Profis schuften: Zwei Trainingseinheiten pro Tag und Testspiele gegen Bologna (3:2), Alanyaspor (2:0) und Villareal (3:1) sollen die Mannschaft auf den „Ernstfall“ vorbereiten.
Tönnies‘ Äußerungen bringen Unruhe
Der erste „Kriegsschauplatz“ im August liegt trotzdem nicht auf dem Rasen: Mit der Äußerung, zur Bekämpfung des Klimawandels solle man statt der angedachten Steuererhöhungen lieber jährlich 20 Kraftwerke in Afrika finanzieren, „dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren.“ sorgt Aufsichtsratsvorsitzender Clemens Tönnies als Festredner beim Tag des Deutschen Handwerks in Paderborn für einen Rassismus-Eklat, der tagelang europaweit medial diskutiert wird und schließlich zu einer dreimonatigen Auszeit von seinen Ämtern führt.
Ist Nübel als Kapitän eine gute Wahl?
Ebenfalls für Diskussionen sorgt die Entscheidung Wagners, Alexander Nübel die Kapitänsbinde zu übertragen. Viele Fans sehen die überraschende Wahl kritisch, weil Nübel bei allem unbestreitbaren Talent deutlich weniger Erfahrung mitbringt als seine Stellvertreter Benjamin Stambouli und Omar Mascarell – und weil er kein klares Bekenntnis zum FC Schalke abgibt. Die Schalker Kapitänsbinde sollte eine Ehre und keine „Verhandlungsmasse“ für eine Vertragsverlängerung sein…!
Der Ball rollt wieder…
Nach den Streitereien ist die Erleichterung groß, als der Ball endlich wieder rollt und Schalke die „Pflichtaufgabe“ beim SV Drochtersen/Assel nach etwas mühsamem Beginn souverän mit 5:0 löst. Das ganze Dorf ist im Ausnahmezustand, die Stahlrohrtribünen halten auch hüpfenden Schalkern mit dem neuen Kurvensong WIR KOMM‘ VOM BERGER FELD/MALOCHER OHNE VIEL GELD/DU BRINGST MICH UM DEN VERSTAND/ZIEHN MIT DIR DURCH DAS LAND/FÜR JETZT UND ALLE ZEIT…! aus. Vor dem Anpfiff zeigt der Schalker Block ein signalrotes Banner, das von der Botschaft „Wir zeigen Rassismus die rote Karte“ innerhalb von Sekunden auf „Wir zeigen Tönnies die rote Karte“ wechselt. Dazu werden tausende roter Karten hochgehalten, später gibt es weitere Spruchbänder. Sportlich ist die erste Halbzeit gegen den Underdog zäh, bis Steven Skrzybski in der 44. Minute den Abwehrriegel der tapferen Niedersachsen knackt. Im zweiten Durchgang können Burgstaller, Caligiuri, Mercan und erneut Burgstaller ohne große Mühe ein standesgemäßes 5:0 herausschießen.
Kämpferisch starker Auftakt
Das erste Bundesligaspiel führt zu Borussia Mönchengladbach – und die Elf von Trainer Wagner präsentiert sich vor allem defensiv und kämpferisch stark und entführt vor gut 7.000 mitgereisten Schalkern beim 0:0 einen verdienten Punkt aus dem Borussiapark. Auf Gladbacher Seite steht Breel Embolo in der Startelf und kassiert einige Pfiffe aus dem Schalker Block, die seinen Wechsel undankbar fanden, nachdem Schalke ihn nach jahrelangen Verletzungsbeschwerden wieder herangeführt hatte. Die Befürchtung, „Hoffentlich haut der uns nicht die Hucke voll, unsere Exstürmer treffen doch am allerliebsten gegen uns!“ bewahrheitet sich aber nicht. Auf Schalker Seite verdienen sich neben Nübel auch Jonjoe Kenny bei seinem Bundesligadebüt und Omar Mascarell als kampfstarker Sechser Bestnoten. Die Erleichterung der Fans über die sichtbare Steigerung gegenüber der Vorsaison ist groß; entsprechend begeistert werden die Profis beim Gang in die Kurve gefeiert: Erst „Der FC Schalke wird deutscher Meister..“, dann „Zieht den Bayern die Lederhosen aus…“ und „Königsblauer S 04“ werden inbrünstig rausgebrüllt, ein völlig anderes Bild als vor einem Jahr an gleicher Stelle. Einhelliges Fazit: Noch längst nicht alles perfekt, aber der Auftritt macht Lust auf die Saison…!
Der Nordkurven-Rückblick ist stark geschrieben,top bebildert. Gänsehaut pur beim Lesen. Nächste Ausgabe kaum erträglich abzuwarten. Bitte! Gerne weiter so! Königsblauem Glück Auf