Schalker Wahnsinn in Bielefeld: Mit Herzkasper ins Achtelfinale…
30. Oktober 2019Wenn am Ende beide Mannschaften frenetisch von ihren Kurven gefeiert werden, hatten die Zuschauer einen unterhaltsamen Abend! Das Pokalspiel zwischen Arminia Bielefeld und Schalke 04 endet nach zwei vollkommen unterschiedlichen Halbzeiten 2:3 für die Gäste – und die gut 4.000 mitgereisten Schalkefans fragen sich, warum es nicht ohne Herzkasper geht. Susanne Hein-Reipen war im Gästeblock dabei…
Entgegen anderslautenden Gerüchten stellt sich bei der Anreise heraus: Bielefeld gibt’s ja doch, nur man kann dort nicht parken. Mit viel List und Tücke gelingt in einiger Entfernung schließlich das Abstellen des fahrbaren Untersatzes. Die Schüco-Arena, besser bekannt als „Bielefelder Alm“ liegt mitten in einem Wohngebiet, dessen Bewohner den ungewohnt großen Aufmarsch teils amüsiert, teils misstrauisch betrachten.
Das Ende der Welt ist gefunden
Um zum von den Heimfans komplett getrennten Gästeeingang zu kommen, hat man die Wahl zwischen „einmal links herum“ oder „einmal rechts herum“ um den halben Block zu joggen. Vor den eigentlichen Gästeeingang haben die Bielefelder aber noch einen Vor-Vor-Eingang gesetzt, vor dem das blanke Nichts herrscht. Eine reichlich verschmierte Wand und ein Polizei-Mannschaftswagen, mehr ist nicht. Die Schalker tragen es mit Humor; „früher wäre man hier über den Rand der flachen Erde gekippt“, witzelt einer.
Um 19.04 Uhr öffnen sich die Tore, die bereits deutlich angewachsene Schalker Meute wälzt sich auf den eigentlichen Eingang zu und siehe da: Auf dem Vorplatz herrscht tatsächlich Leben, auch das Schalker Infomobil und einige Stände sind da. Die Einlasskontrollen sind fair, die Bierstände – für die Gäste nur alkoholfrei – vergittert, Würstchen gibt es ohne Knastgefühl.
Gute Besserung, Benji!
Auch die Ordner sind durchaus freundlich, aber eher überschaubar informiert. Damentoilette? Weiß‘ nicht. Welche Reihe? Weiß‘ nicht. Nun ja…
Beide Mannschaften werden von ihrem Anhang lautstark begrüßt, als sie zum Warmmachen auf den Platz kommen. Der Gästestehblock entsendet mit einem blauen Transparent „gute Besserung, Benji!“ Genesungswünsche an den beliebten Vizekapitän Stambouli.
Das Vorprogramm bietet unter anderem musikalische Einlagen aus den 80ern und die Bekanntschaft mit dem Bielefelder Maskottchen Lohmann. Der plüschige Stier ist nach dem Bauern benannt, von dem der Verein einst den Acker, pardon, die Alm erworben hat…
Lohmann hin, Lohmann her, die Gäste finden die Schalker Aufstellung interessanter. Ohne Burgstaller – und trotzdem Kutucu nicht in der Startelf? Was erlaube Wagner?! Er schickt zunächst Nübel, Oczipka, Sané, Kabak, Kenny, Mascarell, Schöpf, McKennie, Harit, Raman und Uth ins Rennen.
Wer erobert den Teutoburger Wald?
Nach dem „Arminis Rap“ tauschen die Kurven die ersten verbalen Nettigkeiten aus. Das „Schalke!!!“ der Königsblauen wird mit „Hier regiert der DSC!“ gekontert, was wiederum prompt mit „Kniet nieder, Ihr Bauern, Schalke ist zu Gast!“ beantwortet wird.
Nach einer weiteren musikalischen Folter („Arminia, Arminiaaaaa… wie schön sind deine Tore“) folgt die Aufstellung der Heimmannschaft; dann erteilt der Stadionsprecher vermutlich in ganz Bielefeld hörbar den Auftrag „Kämpft und siegt, denn niemand erobert den Teutoburger Wald!!!“ Ebenso laut wird das folgende (Vereins?)lied „Wir sind die besten Fans der Welt, unser Herz schlägt nur für Dich, Arminia Bielefeld!“ eingespielt. Den Punkt „beste Fans der Welt“ hält die Schalker Auswärtsmeute für diskutabel und stimmt just in der Sekunde, als der Lautsprecher endlich schweigt, nicht minder laut „FC Schalke 04!“ an.
Pünktlich zum Einlaufen der Mannschaften – Arminia in Blau-Schwarz, Schalke in Weiß mit königsblauen Stutzen – gibt es dann eine durchaus sehenswerte Choreo: Die beiden langen Tribünen sind in den Vereinsfarben schwarz, weiß und blau geschmückt; auf der Heimkurve stürmt ein überdimensionaler Armine mit Kutte, Fahne und Pfeife ins Stadion – und, nettes Detail: Die Pfeife qualmt dank eines darunter gezündeten Rauchtopfes tatsächlich munter vor sich hin! Und untermalt von „FC Schalke 04, olé olé“ sieht das alles gleich doppelt gut aus.
Eine geile erste Halbzeit
Der Schalker Block ist von Beginn an bestens drauf; einem lautstarken „Hurra hurra, die Schalker die sind da“ folgen sofort „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n“, langgezogene „Schalke, Schalke!“-Rufe und „Wir komm‘ vom Berger Feld…“. Mindestens genauso gut drauf aber sind die weißen Jungs auf dem Rasen: Der erste Schuss kommt von Raman (1.), der zweite von Harit (2.) – und der geht nur Zentimeter am Pfosten vorbei. Der Pfosten muss auch in der 11. Minute herhalten, als wiederum Harit das Gebälk prüft.
Fünf Minuten später: Der wiedergenesene McKennie erobert den Ball und bedient Schöpf, den die Arminen sträflich alleine vor dem Strafraum rumturnen lassen. Der fackelt nicht lange und vollendet aus knapp 20 Metern Entfernung präzise ins obere linke Eck. Das 0:1, jawollja!
Mannschaft und Fans sind gleichermaßen erleichtert über das Ende der Torflaute; „Eine Stadt erstrahlt in blau“, „Auf geht’s Schalke schieß‘ ein Tor“ und „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“ werden rausgebrüllt. Und mitten in die Schleife „Super FC Schalke“ platzt das 0:2 durch Raman (25.). An der Entstehung war Bielefeld-Keeper Ortega nicht ganz unschuldig, denn er hatte Uth die Kugel serviert, der sie an seinen Nebenmann weiterleitete.
Ostwestfalen…
Die beiden Treffer rufen die Heimkurve auf den Plan, die jetzt deutlich vernehmbar „Bielefeld!“ skandiert und das beliebte Ostwestfalen-Lied entgegengeschmettert bekommt. Ohne würde ja auch was fehlen… Ein neuerliches „Kniet nieder, ihr Bauern…!“ rundet das Schalker Hochgefühl ab.
Das Sahnehäubchen auf die unschlagbar gute Schalker Laune setzt erneut Raman: Gemeinsam mit Harit und Uth stürmt er auf Ortega zu, dann geht es blitzschnell. Harit zu Uth, der weiter zu Raman – und drin! Das 0:3 in der 31. Minute, jaaaaa! Den Schalkefans strahlt die Sonne aus dem A…llerwertesten, sie zelebrieren „Wer holt den Pokal…? Wer holt den Pokal…? Schaaalke holt ihn wieder mal!“, „Schalke ist der geilste Club der Welt“ und „Wer kreist so wie ein Falke?“ Die Heimkurve lässt sich ebenfalls nicht lumpen und reckt trotz des deutlichen Rückstands demonstrativ die Schals hoch. Ein höhnisches „Warum seid ihr *uren so leise?“ ist die unfeine Quittung, dann wird es wieder heiter: Bielefeld-fällt-fällt-fällt lautet die Devise!
…wo die Kühe schöner sind als die Mädchen
Weitere Chancen für Schöpf und Raman bringen nichts mehr ein, so dass es mit 0:3 in die Kabinen geht, Applaus der hochzufriedenen Gästekurve inklusive. Dementsprechend blendend ist die Stimmung, auch wenn das Netz bzw. das, was man in Bielefeld für Netz hält für Haareraufen sorgt und man in den Vorräumen der Toiletten vergeblich nach Spiegeln sucht. „Braucht man in einer Gegend nicht, wo die Kühe schöner sind als die Mädchen“ grinst ein älterer Schalker.
Schalke startet personell unverändert in die zweiten 45 Minuten – und zunächst scheinen auch die Kräfteverhältnisse gleich geblieben zu sein. „Seht ihr die Fahnen weh‘n? Wir woll’n Euch siegen seh’n!“ lautet die Ansage. Die Heimkurve hält derweil ein Transparent mit der Aufschrift „Volle Hütte um jeden Preis? $$$“ hoch, um gegen den mehr als deftigen Topzuschlag auch für treue Arminen für dieses Spiel zu protestieren.
Susanne, du hast mal wieder einen tollen Bericht abgeliefert. Danke dafür! ⚒️Glück Auf und BWG aus Gütersloh. Susa. Jakubowski
Liebe Susanne, ich frage mich, wie du das immer wieder schaffst, so tolle und genaue Berichte zu schreiben, die sowohl inhaltlich, als auch in der Chronologie super gestaltet sind. Dazu die genaue Beschreibung, wer geflankt hat, die Latte getroffen hat, usw.. Alles in der Kürze der Zeit, wahnsinnig! Ich war in Bielefeld ein paar Reihen über dir und hätte nicht annähernd so viele Details nach dem Spiel nennen können. Danke und weiter so, wenn es dir Spaß bereitet. Königsblaue Grüße, Markus Rehm
Toller Bericht! Respekt.
Ein wegen der zwei komplett unterschiedlichen Halbzeiten auch immer noch ratloser Bielefelder.