Darmstadt – Schalke 2:0: Schalke verpennt den Start und kriegt nichts auf die Kette

Darmstadt – Schalke 2:0: Schalke verpennt den Start und kriegt nichts auf die Kette

24. Februar 2025 0 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 verliert das Auswärtsspiel beim SV Darmstadt 98 nach mehreren kurzfristigen Ausfällen und zwei sehr frühen Toren von Lidberg verdient mit 0:2 (0:2) und zeigt eine über weite Strecken gruselige Darbietung. Die knapp 4.000 Fans aus dem Ruhrpott gehen nach Schlusspfiff sehr gnädig mit der Mannschaft um, ein dicker Wermutstropfen ist allerdings die mutmaßlich schwere Knieverletzung von Youngster Amoussou-Tchibara. Susanne Hein-Reipen berichtet…

Bereits um kurz nach 10 gruppieren sich die ersten Autos mit der 1904 im Kennzeichen vor dem für die Gäste vorgesehenen Parkhaus Lichtwiese an der TU; gegen 10:40 Uhr dürfen die Schalkefans dann für 6 € Platz nehmen und sich auf den Fußmarsch zum Gästeeingang machen. Bei Traumwetter geht es zunächst durch das Uni-Gelände, dann folgt ein kleiner Waldspaziergang, bei dem auch das Wässern der Botanik durch die Herren der Schöpfung nicht fehlen darf. Auf helfende Hände zählen können die Inhaber der mobilen Bier-Verkaufskarren, die auf dem aufgeweichten Boden nur schwer vorankommen.

04 Sterne für die Feuerwurst

Gegen halb 12 öffnen sich zunächst die Tore zum Vorplatz des Gästeeingangs, wo neben dem Fanmobil die Volunteers für die Anwesenheitskontrollen warten und geduldig alle abhaken. Die Tore zum eigentlichen Stadion und damit auch zu den Verpflegungsständen und sanitären Anlagen bleiben jedoch bis 12 Uhr verschlossen, danach gibt es einen Run auf den Lilien-Imbiss, denn Kenner wissen: Insbesondere die Feuerwurst verdient einen Spitzenplatz im bundesweiten Stadionwürstchen-Ranking.

Deutlich gewonnen hat durch die neue Gästetribüne auch der Sanitärbereich, allerdings wirken die Jonathan-Heimes-Kurve und die gegenüberliegende Nordkurve zwischen der neuen Haupttribüne und Gegengeraden etwas geschrumpft. Die Keeper beider Mannschaften werden vom jeweiligen Anhang mit Applaus begrüßt, dann brüllt der Stadionsprecher die Begrüßung ins Mikro.

Schalke personell deutlich dezimiert

Als die Mannschaften zum Warmmachen auf den Platz kommen, wird deutlich, dass die Königsblauen über die bekannten Verletzten hinaus weitere Ausfälle zu beklagen haben: Mohr hat Grippe, Karaman einen Infekt, Bulut ein Oberschenkelproblem und Hamache eine Verletzung an der Achillessehne, die vermutlich das Saisonaus bedeutet – keine guten Vorzeichen. Chefcoach van Wonderen schickt zunächst Heekeren, Murkin, Kaminski, Schallenberg, Gantenbein, Seguin, Bachmann, Younes, Barkok, Aydin und Ba ins Rennen.

Die Musik vom Band ist durchaus variabel, auf Interesse bei den Gästen stößt insbesondere ein sehr punkiges „Lilienfieber“. Beide Fanlager ölen schon mal die Kehlen, „Attacke“ und „Kaiser im Revier“ hüben und „Lalalala SV Daaaarm-Stadt“ drüben sind angesagt, bevor wieder Band und Lautsprecher mit „SVD allez les Bleus“ übernehmen. Auch die Aufstellung der Hausherren wird eher verschrien als verlesen.

Fehlstart aus der Hölle

Beide Mannschaften kommen anlässlich der Bundestagswahl mit „Demokratie wählen“-Sonderflocks auf das Feld; Schalke wird dabei von Seguin als Vizekapitän angeführt. In der Jonathan-Heimes-Kurve fordert ein überdimensionales Spruchband inmitten eines blau-weißen Fahnenmeers „Gegen alle Widerstände/Gemeinsam kämpfen für 3 Punkte“; im Gästeblock wird das Nordkurven-Banner durch mehrere Doppelhalter, die S-C-H-A-L-K-E bilden und ebenfalls zahlreiche blau-weiße Fahnen aller Größenklassen ergänzt.

Dann ist Anpfiff, die Heimfans singen etwas, was sich nach „Oléoleólé oh Lilien“ anhört, der Gästeblock steigt mit „Hurra hurra, die Schalker die sind da“ und „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n“ ein – und nach nicht einmal drei Minuten Abtastphase marschiert Corredor nach vorn und passt nach links zu Lidberg, der unbelästigt von der Schalker Defensive in die Mitte laufen und aus knapp 15 Metern zum 1:0 ins lange Eck einnetzen kann (3.).

Der Gästeblock schüttelt sich einmal kurz und will weiter im Text „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n“ machen, als der Ball schon wieder hinter Heekeren einschlägt. „Täter“ bzw. Torschütze zum 2:0 war erneut Lidberg (5.); vorausgegangen war ein langer Abschlag von Schuhen, kurze Ballkontakte von Hornby und Marseiler und freundlicher Geleitschutz der Schalker Hintermannschaft. Sch…lechter Start.

Schalke läuft dem Rückstand hinterher

Der Gästeblock nimmt einen weiteren Anlauf zu „Um die halbe Welt…“, besinnt sich aber schnell eines Besseren und schwenkt über zu „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“. Barkok sieht die erste gelbe Karte der Partie (11.), zwei Ecken für Schalke bringen nichts ein. Heekeren klärt einen Freistoß von Hornby (20.) und hat kurz darauf Glück, dass Hornby aus spitzem Winkel nur den Pfosten trifft (21.). Während sich die Gästefans noch von diesem Schreck erholen, löst Heekren bereits die nächsten Herzkasper aus, als er gegen Lidberg im Strafraum um Haaresbreite den Ball vertändelt (22.). Puh!

Der königsblaue Anhang stimmt „Wenn wir unsere Stimme heben, sollst Du immer alles geben“ an, die Heimkurve fordert wie auch Schalke und der KSC in der Vorwoche „Hört die Stimme der Fans: Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeitende/Keine erweiterten Befugnisse der Polizeibehörden/Chatkontrolle stoppen“. Auf dem Rasen gibt es derweil ein wahres Schalker Eckenfestival – acht in der ersten Hälfte, elf insgesamt -, von denen jedoch nur eine einzige durch einen Schussversuch von Seguin einen Hauch von Gefahr auslöst, doch Schuhen lenkt den Ball über die Querlatte (39.). Mit „Steht auf“ und „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“ geht es mit zwei Minuten Nachspielzeit und 0:2-Rückstand in die Pause.

Kommt Schalke noch einmal zurück?

Die offizielle Pausenunterhaltung besteht darin, dass zwei Kontrahenten einen Ball in Riesenbierkasten lupfen müssen; die inoffizielle aus erbitterten Diskussionen im Gästeblock, ob das Spiel bereits verloren ist oder die Schalker Mannschaft die Eier hat, ähnlich wie die Lilien im Hinspiel noch einmal zurückzukommen. Der erste Wechsel – Grüger für den überforderten Barkok – wird allseits begrüßt.

Der Schalker Anhang stimmt inbrünstig den „Königsblauen S 04“ und „Schalke nur Du alleine“ an; und tatsächlich machen die ersten Minuten ein wenig Hoffnung: Grüger (48.) und Seguin (51.) schicken zwei Distanzschüsse in Richtung des Darmstädter Tors. Kurz darauf sehen der junge Joker (Klammern gegen Guille Bueno, 53.) und Corredor (Tritt gegen Gantenbein, 55.) jeweils Gelb. Nach einer kleinen Rudelbildung und Gerangel vor einer Ecke für den SVD werden auch Schallenberg und Riedel verwarnt (62.), während die beiden Kurven Komplimente „Ihr seid nur ein H*rensohnverein“ und „Scheixxe 04“ austauschen. Der anschließende Eckball wird von Vukotic knapp neben das Tor geköpft.

Wechsel, Karten und Verletzungen, aber kein Tor

Mit 17.810 Zuschauern ist das Merck-Stadion am Böllenfalltor restlos ausverkauft. In der 65. Minute versucht van Wonderen mit einem Dreifachwechsel – Antwi-Adjei, Donkor und Tchibara kommen für Younes, Ba und Aydin – noch einmal, das Ruder herumzureißen, doch außer einer schnellen gelben Karte für Antwi-Adjej wegen eines Fouls an Guille Bueno springt nichts dabei heraus. Stattdessen verfehlt auf der Gegenseite ein Schuss von Hornby ganz knapp die endgültige Entscheidung (70.).

Mittlerweile schwant auch den größten Optimisten im Schalker Anhang, dass es heute außer Erfahrung nichts zu gewinnen gibt, dafür läuft einfach offensiv wie defensiv zu wenig zusammen. „Wir können noch Tage weiterspielen, ohne ein Tor zu machen“ murrt ein Schalker aus Recklinghausen. Eine „Attacke“, „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen“ und „Wir komm‘n vom Berger Feld“ gibt’s trotzdem noch.

Schiedsrichter Winter hat offenbar Gefallen am Verwarnen gefunden, auch Papela bekommt wegen eines Fouls an Gantenbein Gelb (75.), Schlimmer noch erwischt es Grüger, der alleingelassen vom Rest der Mannschaft ein taktisches Foul an Lidberg und dessen Trikot zieht und mit Gelb-Rot vorzeitig duschen gehen muss (77.). Der Gäsetblock stimmt trotzig „Eine Stadt erstrahlt in Blau“ und „Wir kommen aus Gelsenkirchen, fahr’n mit blau-weißen Fahnen durch das Land“ an, doch außer ein paar Wechseln – Thiede und Kempe für Lopez und Müller, Kalas für Murkin – passiert nicht mehr viel. Hornby sieht ebenfalls noch Gelb wegen Meckerns und wird kurz darauf gegen Lakenmacher ausgetauscht, Vilhelmsson ersetzt Marseiler, Maglica Lidberg.

Der Schlusspunkt ist kein schöner: Amoussou-Tchibara hat sich in einem Zweikampf mit Guille Bueno am rechten Knie verletzt und muss nach minutenlanger Behandlung humpelnd vom Platz geführt werden, so dass Schalke die vierminütige Nachspielzeit zu neunt absolvieren muss, bis der Schlusspfiff alle erlöst.

Es geht wieder bergab

Durch die Niederlage rutscht Schalke mit unverändert 27. Punkten wieder auf den 13. Tabellenplatz ab und muss Darmstadt (28 Punkte, Platz 12) und die ebenfalls siegreichen Fürther (29 Punkte, Platz 11) passieren lassen. Schwerer noch wiegt die mutmaßlich langwierige Verletzung von Amoussou-Tchibara nur eine Woche nach seinem Profidebüt.

Die mitgereisten Fans machen trotz ihrer Enttäuschung über das Gesehene gute Miene zum miesen Spiel und begrüßen die Mannschaft mit verhaltenem Applaus und „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen“, als diese sichtlich geknickt vor die Kurve tritt.  Van Wonderen, Younes und Seguin zeigen sich danach durchaus selbstkritisch; diese Erkenntnisse müssen unbedingt bis zum Heimspiel gegen Münster (23. Punkte, Platz 15) unabhängig von etwaigen weiteren Ausfällen umgesetzt werden, sonst wird es noch einmal richtig eng.