Magdeburg – Schalke 3:0: Erste Halbzeit mit Fußball aus der Hölle
25. Februar 2024Der FC Schalke 04 verliert nach einer desaströsen ersten Halbzeit auch in dieser Höhe verdient mit 3:0 (3:0) beim 1. FC Magdeburg. Die zumindest kämpferisch etwas stärkere zweite Halbzeit rettet weder das Spiel noch die Unterstützung der frustrierten Fans, die zur Halbzeit den Support einstellen. Susanne Hein-Reipen berichtet…
Die 2006 eröffnete MDCC-Arena ist für die Schalker Auswärtsfahrer ein neuer Ground, denn der letzte Auswärtsauftritt der Königsblauen beim 1. FCM datiert vom Dezember 2000. Seinerzeit gewann Schalke im Viertelfinale des DFB-Pokals durch ein Tor von Böhme mit 1:0.
Farben tragen verboten?
Dementsprechend begehrt sind die Auswärtstickets. Wer eins ergattern kann, sieht sich mit einer ungewohnten Auswärtsinfo des Teams Fanbelange konfrontiert, denn dort wird eindringlich davor gewarnt, sich irgendwo in der Stadt außerhalb des Gästeblocks mit Schalker Farben zu zeigen.
Die meisten Schalker sind denn auch entsprechend vorsichtig, als sie sich durch Verkehr und diverse Baustellen über die diversen Elbbrücken – in Magdeburg hat’s nicht nur die Elbe, sondern auch noch die Zollelbe und die alte Elbe – Richtung Stadion aufmachen. Wer sich jedoch rund um die MDCC-Arena nach dem Gästeblock erkundigen muss, outet sich meistens mit Ruhrpottdialekt als Wessi und wird mit ein paar Frotzeleien in die richtige Richtung geschickt.
Der Gästeblock selber ist mit weißen Folien sichtverhängt, der Einlass ist pünktlich und unproblematisch. Innen wähnt man sich im Stickermuseum des deutschen Fußballs: Mehr Aufkleber waren selten, offenbar war vor kurzer Zeit St. Pauli zu Gast. Die bunte Galerie bekommt natürlich auch umfangreichen königsblauen Zuwachs.
Never change a winning team?
Das Verpflegungs-Angebot ist überschaubar, aber das Vorhandene schmeckt. Die Mannschaft kommt in der „Die Knappen“-Kollektion zur Platzbegehung raus; auf Magdeburger Seite werden in stundenlanger Fleißarbeit zwei große Banner „Kommando Block U 1. FC Magdeburg“ und „ 25 Jahre Commando East Side. Alles durch den 1. FCM, alles für den 1. FCM“ aufgehängt.
Über die Banden flackert neben Werbung auch der Hinweis auf die Anlaufstelle für Betroffene von Gewalt. Die Magdeburger Keeper kommen als erste zum Warmmachen auf den Rasen, bald gefolgt vom Schalker Trio Müller, Fährmann und Langer. Das Einlaufen der Magdeburger Mannschaft nutzt die Heimkurve für ein lautstarkes „Hier regiert der FCM“, der Gästeblock zeigt bei der Begrüßung ihrer Spieler ebenfalls Stimme.
Der Stadionsprecher heißt alle Willkommen; „Spieltagspate“ ist Jürgen Sparwasser. Die Verlesung der Schalker Startelf bietet keine Überraschungen; mit Müller, Baumgartl, Kaminski, Kalas, Ouwejan, Schallenberg, Brunner, Seguin, Idrizi, Karaman und Churlinov setzt Karel Geraerts auf dieselben Spieler wie beim 1:0 über Wiesbaden. Es folgt die Aufstellung der Hausherren und das Vereinslied.
Choreo, Pyro und Support
Als die Mannschaften auf das Spielfeld kommen, werden beide Fankurven aktiv: Die Magdeburger ziehen eine riesige blau-weiße Blockfahne zum 25.jährigen Jubiläum des Commando East Side auf; die Schalker lassen es ordentlich blitzen und qualmen. Auch danach geben beide Fanlager stimmlich alles. Auffällig ist, dass die Magdeburger komplett auf Fahnen und Doppelhalter verzichten, dafür sind Haupttribüne und Gegengerade aktiver, als es oft auf Schalke der Fall ist.
Der Gästeblock startet mit „Schalke, ich bin für dich geboren“, „Hurra, Hurra, die Schalker die sind da“ und „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n“, auf dem Platz gehen Anstoß und erste Ecke (2.) auch an Königsblau, doch Magdeburg erobert sich schnell mehr Spielanteile und kommt durch Gnaka und Atik erstmals vor den Kasten von Müller.
Schalke wird abgeschossen
Dann ist kurz Fremdschämen angesagt, denn ein Teil des Schalker Anhangs skandiert „Wir hassen Ostdeutschland!“. Die Strafe folgt auf dem Fuße: Atik hat auf der rechten Seite viiiiel Platz und kann unbehelligt zu Gnaka passen, der sie ebenfalls ohne Belästigung durch die Schalker Abwehr volley in die linke Ecke donnern kann, das 1:0 in der 17. Minute.
Prompt flammen in der Magdeburger Kurve einige Bengalos auf, die beiden Fanlager liefern sich ein Supportduell, bei dem der Wechselgesang „Fuß-ball-club! – Mag-de-burg!“ mit „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“ und „Auf geht‘s Schalke schieß ein Tor“ konkurriert. Ein rotes Banner „No surrender“ grüßt die Nürnberger Freunde.
Auf dem Rasen dominiert hingegen Magdeburg mit über 70 % Ballbesitz klar das Geschehen; Ouwejan hat Glück, dass er beim arg herzhaften Einsteigen gegen Atik (23.) ohne Karte davonkommt. Das akustische Kräftemessen „S! 0! 4!“ gegen „FCM! FCM!“ findet jäh ein Ende, als Ito und Brunner im Strafraum zusammenrasseln und Brunners Hand leicht durch das Gesicht des kleinen Japaners wischt, der daraufhin im Strafraum den sterbenden Schwan mimt. Schiedsrichter Dingert, der zunächst abgewunken hat, entscheidet nach Konsultation des VAR unter „Nettigkeiten“ der Marke „Steh auf du S**“ auf Foulelfmeter, den El Hankouri am nahezu regungslosen Müller vorbei zur 2:0-Führung verwandelt (35.).
3:0 bringt das Fass zum Überlaufen: Sofortiger Supportstopp
Der Gästeblock ist frustriert von dem schwachen Auftreten der Mannschaft, wirft aber trotzdem noch einmal stimmlich alles rein, aber „Geh‘n mit dir auf jede Reise“, Attacke, „Schalke nur du alleine“ und „Wir kommen aus Gelsenkirchen“ schaffen es nicht, die Spieler zu mehr Einsatz zu pushen. Die Hausherren können fast beliebig schalten und walten und erzielen in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit noch das 3:0 (45+2.). Beim Vorstoß von El Hankouri und Ito sehen Brunner und Kalas einmal mehr gar nicht gut aus.
Die Magdeburger feiern sich in die Pause, die mitgereisten Schalker Fans haben die Pappe auf und brüllen kurz „Wir woll‘n euch kämpfen sehn!“, bevor alle Fahnen gesenkt werden – und dieser Supportstopp bleibt auch bestehen, als Geraerts mit einem Vierfachwechsel in die zweiten 45 Minuten startet. Terodde, Lasme, Mohr und Debütant Soppy ersetzen Churlinov, Baumgartl, Brunner und Idrizi. „Schade, dass er nicht elfmal wechseln darf“ ätzt ein Fan.
Der Magdeburger Anhang nutzt die Stille gegenüber für umso lauteren Support und fordert „Schieß ein Tor für uns“. Mit einem Countdown flammen zudem etliche Bengalos auf und formen ein großes C E S in den Block. Der Gästeblock ist indes so frustriert, dass nicht einmal die „Scheiße 04“-Provokationen von der Gegengeraden mehr als ein höhnisches Winken hervorrufen.
Der Auswärtsfrust geht weiter
Das Spiel ist jetzt etwas ausgeglichener, aber obwohl der FCM in den lockeren Verwaltungsmodus schaltet, dauert es fast eine Viertelstunde, bis Schalke durch einen Schuss von Karaman aus knapp 15 Metern Torentfernung eine echte Chance herausspielt, aber Reimann kann klären (58.). Karaman ist insgesamt noch ein Aktivposten der schwachen Schalker Mannschaft; verfehlt jedoch auch mehrfach den Kasten (64., 71.). Auch Lasme hat aus spitzem Winkel kein Glück (75.).
Die Heimfans lassen sich von den Bemühungen ohnehin nicht beim Feiern stören, „Heja heja FCM“ hallt herüber. Titz wechselt nun auch dreifach und lässt Amaechi, Ceka und Castaignos für Atik, Ito und Schuler ran, später kommen noch Krempicki und Hoti für Condé und Gnaka. Mit 27.038 Zuschauern wird ausverkauftes Haus vermeldet.
Ouwejan köpft Reimann an (77.), Terodde trifft das Außennetz (85.), Karaman verspringt ein Zuspiel von Lasme (89.), noch zwei Minuten Nachspielzeit, dann erlöst der Schlusspfiff die schweigenden Gästefans.
Die erste Halbzeit darf so nicht passieren!
Durch das 3:0 klettert Magdeburg mit nunmehr 30 Punkten auf Rang 11, Schalke bleibt mit 26 Punkten auf Platz 14 und muss vor dem Gastspiel von Tabellenführer St. Pauli wieder sehr genau nach unten schauen.
Die Mannschaft tritt mit hängenden Köpfen und teilweise sichtlich zusammengebissenen Zähnen vor den Block, dessen Lethargie des zweiten Durchgangs sich in einem kurzen Wutausbruch mit „Wir woll’n euch kämpfen seh’n“, „1.000 Trainer schon verschlissen, Spieler kommen, Spieler geh’n…“ und einigen Beleidigungen entlädt. Schnell wird wieder der Gang in die Kabine angetreten, während sich die Fans frustriert auf den Heimweg machen.
Und ja, man kann auswärts auch bei einem Mitkonkurrenten verlieren, aber man darf niemals so auftreten wie in der ersten Halbzeit! Der zweite Durchgang hat gezeigt, dass es besser geht und genau diesen Einsatz müssen die Spieler von Anfang an zeigen und nicht erst, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen und abgesoffen ist.